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Mystiker, Outsider und anerkannte Künstler_innen 55. Biennale von Venedig – Teil 3 | 2013

Hilma af Klint (1862-1944), The Dove [Die Taube], Nr. 13, 1915, Installationsfoto Biennale: Alexandra Matzner.

Hilma af Klint (1862-1944), The Dove [Die Taube], Nr. 13, 1915, Installationsfoto BIennale: Alexandra Matzner.

Links neben dem Eingang befinden sich die 387 Architekturmodelle des österreichischen Postbeamten Peter Fritz (1916-2008) aus den 50er und 60er Jahren, die von Oliver Croy und Oliver Elser (* 1970/* 1972) im Wien Museum entdeckt worden sind. Diese Typologie des Hausbaues der frühen Nachkriegszeit wird an den Wänden von der Serie „Himmelsfarben“ (1969, 1976) von KP Brehmer (1938-1997) sowie utopische Architekturzeichnungen des Amerikaners Achilles G. Rizzoli (1896-1981) gerahmt. Während Brehmer in Diagrammen stündlich die Himmelsfarbe dokumentierte, widmete sich Rizzoli seine gesamte Freizeit dem Zeichnen von phantastischen Türmen, Kathedralen und Palästen. Eine riesige Collage des afroamerikanischen Künstlers Jack Whitten (* 1939) ergänzt den Raum. Mit „9-11-01“ gestaltete Whitten im Jahr 2006 ein Gedächtnis für 9/11, den Terroranschlag auf das World Trade Center, das er von seinem Atelierfenster aus mitverfolgen konnte.

Zu den erst kürzlich wiederentdeckten Künstlerinnen zählt die Schwedin Hilma af Klint (1862-1944), die sich nach dem Tod ihrer Schwester 1880 verstärkt für spiritistische Sitzungen zu interessieren begann. Die Künstlerin und Mystikerin setzte komplexe philosophische Ideen ab 1906 in abstrakte Malerei und Diagramme um, experimentierte bereits ab 1896 mit dem automatischen Zeichnen und behielt alles für sich. Erst 20 Jahre nach ihrem Tod sollten sie ihre Pionierleistungen der Abstraktion öffentlich ausgestellte werden, verfügte die Künstlerin testamentarisch. 2012 fand im Moderna Museet eine vielbeachtete Ausstellung statt, die im Juni 2013 in den Hamburger Bahnhof in  Berlin gezeigt wird. Ihre mit Symmetrie und weich schwingenden, anfangs organischen dann geometrischen Formen arbeitenden, farbigen Kompositionen, wie die Serien „Der Schwan“ oder „Taube“ sind aus alchemistischen Symbolen und/oder Sternzeichen entwickelt und sollen die künftige Sublimierung der Materie durch den Geist darstellen.

 

 

Gegenüber zeigt Gioni kleinteilige Arbeiten des französischen Spiritisten und Kohleminenarbeiters Augustin Lesage (1876-1954). Im Jahr 1911 befahlen ihm Stimmen, sich Farben und eine Leinwand zu kaufen und diese über zwei Jahre hinweg zu seinem ersten Gemälde zu bearbeiten. Der von den Surrealisten geschätzte Künstler gestaltete seine Werke aus dem Unbewussten, wie „arbeiten ohne zu arbeiten“. An der dritten Wand hängen Zeichnungen der Schweizer Heilerin Emma Kunz (1892-1963), die diese als Mittel zur Heilung ihrer Patienten während der gemeinsamen Sitzungen gestaltete. Sie wären Produkte „der tiefgehendsten Verinnerlichung des Äußeren und der reinsten Veräußerlichung des Innwendigen“, war sich Kunz sicher. Dazwischen – immer in Gefahr von Besucher_innen zerstört zu werden – wurde von Roger Hiorns (* 1975) ein pulverisierter Granit-Altar hingestreut. Zerstört. Ein Tabubruch? Ein Sakrileg? Wird die Zerstörung eines einst geheiligten Objektes genauso als „Kunstprojekt“ wahrgenommen, wie die „wurstartigen“ Objekte von Sarah Lucas (* 1962)im anschließenden Garten, die, ohne menschliche Formen realistisch abzubilden, an Phallisches und ineinander Verschränktes denken lassen

 

 

 

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Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.