Dem 2014 entstandenen „Birkenau“-Zyklus von Gerhard Richter (*1932) liegen vier Fotografien zugrunde, die von Häftlingen des KZ Auschwitz-Birkenau heimlich und unter Lebensgefahr aufgenommen wurden. In seinem sechs Jahrzehnte umfassenden Schaffen hat sich Richter wiederholt mit dem Thema Holocaust und der (Nicht-)Darstellbarkeit der Verbrechen des Nationalsozialismus auseinandergesetzt. Erst in seinem „Birkenau“-Zyklus fand der Künstler einen Umgang mit und eine Form für das Thema.
Deutschland | Düsseldorf: Kunstsammlungen, K21
18.12.2021 – 24.4.2022
„Es freut mich sehr, wieder einmal in Düsseldorf auszustellen, und besonders die Birkenau-Bilder. Außerdem sind diese 22 Jahre, die ich in Düsseldorf lebte, eine sehr wichtige Zeit für mich - eine Zeit, in der sich alles entwickelt hat“ (Gerhard Richter über seine Ausstellung im K21 der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen)
Die vier Fotografien, die Gerhard Richter als Ausgangspunkt für seinen „Birkenau“-Zyklus nutzt, wurden im August 1944 von jüdischen Häftlingen, die Teil des Sonderkommandos des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau waren, aufgenommen. „Sonderkommando“ war die Bezeichnung der Nationalsozialisten die für Häftlinge, die zur Unterstützung bei der Ermordung der Gefangenen in den Gaskammern und der Verbrennung der Leichen gezwungen wurden. Mit einer ins Lager eingeschmuggelten Kamera, heimlich und unter Lebensgefahr, gelang es Alberto Errera, dem mutmaßlichen Fotografen, David Szmulewski und anderen Mitgliedern des Sonderkommandos, vier Fotos zu machen, die das Gelände um das Krematorium V zeigen. Es sind die einzigen bekannten Aufnahmen aus dem Vernichtungslager, die von den Opfern selbst aufgenommen wurden. Publiziert wurden sie erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Mindestens eines der Fotos kannte Gerhard Richter seit dem Studium an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden. Er begann jedoch erst nach seiner Flucht in den Westen im Jahr 1961, sich mit dem Thema Holocaust auseinanderzusetzen: visuelle Zeugnisse zu sammeln und diese als Vorlagen für seine Malerei zu verwenden. Erste Versuche führten allerdings zu keiner ihn befriedigenden Lösung. Anfang der 1960er Jahre entstandene Bilder wie „Erschießung“ und „Tagebu(ch)“ zerstörte er. 1967 nahm Richter eines der Fotos des Sonderkommandos in seinen Atlas auf – die Sammlung von Fotografien, Zeitungsausschnitten und Skizzen, aus denen er seine Motive schöpft. Mitte der 1960er Jahre entstanden die nach Fotovorlagen gemalten Bilder „Herr Heyde“, „Onkel Rudi“, „Tante Marianne“, „Familie am Meer“, die sich mit der deutschen Vergangenheit und mit seiner eigenen Familie auseinandersetzen. In den 1990er Jahren versucht Richter erneut Fotografien aus Konzentrationslagern abzumalen, was die ersten Entwürfe für die Eingangshalle des Deutschen Bundestags belegen (1997). Auch diese Idee verwirft er und schlägt stattdessen die Glasarbeit „Schwarz-Rot-Gold“ als Zeichen des Neuanfangs vor.