El Greco

Wer war El Greco?

El Greco, spanisch für „der Grieche“ ist der Name des kretischen Malers Domenikos Theo­tokopoulos (Candia (Kreta) 1541–7.4.1614 Toledo). Der seit dem frühen 20. Jahrhundert gefeierte El Greco ist ein Hauptvertreter der Spätrenaissance bzw. des Manierismus. Er erlernte das Malen von Ikonen in Kreta, das venezianische Provinz war, zog 1567 nach Venedig und ließ sich von den Gemälden Jacopo Tintorettos maßgeblich beeinflussen. Über Rom gelangte El Greco nach Spanien, wo er in Toledo eine Werkstatt eröffnete und seine berühmtesten Bilder malte. El Grecos expressive Malerei voll inbrünstiger Religiosität wird oft als Inbegriff der spanischen Kunst betrachtet.

Nach seinem Tod für einen irregeleiteten Exzentriker gehalten und gänzlich in Vergessenheit geraten, wurde das Werk El Grecos Mitte des 19. Jahrhunderts wiederentdeckt. Künstler der Moderne sahen in Grecos Bildern Vorboten ihrer eigenen Konzepte und initiierten eine „Greco-Renaissance“. Sie machten den Künstler zum „Propheten der Moderne“.

Über El Grecos Privatleben ist noch weniger bekannt als über seinen Werdegang. Als Maler hatte er in Spanien ein gutes Einkommen. Allerdings konnte er mit Geld nicht umgehen. Vor allem nach 1607 häufte er Schulden an. So verbrachte er seine Zeit lieber in der Gesellschaft von Gelehrten, Dichtern und Priestern als mit Künstlern. El Greco besaß nachweislich eine kleine Bibliothek mit griechischen, italienischen und spanischen Büchern. Der Maler arbeitet zwischendurch immer wieder an Abhandlungen über Architektur und Malerei, was seine theoretischen Kenntnisse umreißt. Er war bekannt für seine Schlagfertigkeit und Intelligenz. Grecos Stolz und Arroganz waren gleichermaßen gefürchtet. So hatte er viele Auseinandersetzungen über die Preise seiner Bilder.

Kindheit und frühe Jahre in Candia (1541–1577)

Domenikos Theotokopoulus wurde in Candia, der Hauptstadt Kretas, geboren. Seit 1204 befand sich die Insel in venezianischem Besitz und nahm im Handel mit dem Orient eine Schlüsselposition ein. Die politischen und ökonomischen Beziehungen zur Serenissima waren daher sehr eng, obschon der Einfluss des byzantinischen Kulturkreises sehr hoch war. In Venedig gab es eine große kretische Gemein­de; darunter zahlreiche Maler, die sogenannten madonneri, die bis ins 18. Jahrhundert preisgünstige Andachtsbilder (Madonnen-Ikonen) schufen.1

Über die ersten 25 Jahre aus El Grecos Leben ist nichts genaues bekannt. Er lebte in Kreta und wurde zum Maler ausgebildet, während sein Bruder Steuereintreiber wurde. El Greco dürfte eine gründliche Schulausbildung genossen haben, was die Vermutung nährt, dass er aus einer ökonomisch und sozial bessergestellten Familie stammen könnte.

Die Rekonstruktion des Lebens von El Greco beruht zum großen Teil auf Mutmaßungen, da wenige Quellen und Dokumente aus der kretischen Zeit erhalten sind. So verkaufte El Greco 1566 ein Bild über eine Lotterie. Die Ikone mit Goldgrund zeigte Szenen aus der Passion. Ihr Wert wurde von zwei Malern geschätzt. Einer von ihnen war Georgios Klotzas, ein kretischer Ikonenmaler und Miniaturist. Daraus lässt sich ableiten, dass El Greco die Malerei auf Kreta (Candia?) gelernt und sich als Ikonenmaler im spätmittelalterlichen, postbyzantinischen Stil betätigt haben dürfte. Dafür war nicht der Naturalismus der italienischen Renaissance gefragt, sondern die Ausführung der Darstellung nach verehrten Vorbildern. Die Ikonenmalerei kennt kaum psychologische Darstellungen. Im Zentrum dieser Kunstausübung steht, dass der Maler feste Regeln genau beachten muss.

Bereits in dieser frühen Phase nutzte El Greco bisweilen italieni­sche Druckgrafik als Vorlage für seine Gemälde. Diese Grafiken dürften ihn zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit der Kunst Italiens angeregt haben. So bereitete sich Domenikos Theotokopoulos, den man später „El Greco [den Griechen]“ nennen sollte, Ende 1566 auf seine Übersiedlung nach Venedig vor und verkaufte dafür in Candia eines seiner Bilder auf einer Auktion.

El Greco in Venedig (um 1567–1570)

In und um Venedig gab es eine Schule von „Gemischten“, die byzantinsche und italienische Elemente in ihren Werken verwendeten. Diese Künstler des „zusammengesetzten Stils“ wurde als „Madonneri“ bekannt, da sie als Maler frommer Bilder tätig waren. Meist stellten sie Maria mit dem Kind dar, wobei die Werke weniger als Kunst denn als Massenprodukte eingestuft werden. Der Einfluss dieser „Madonneri“ auf Greco ist allerdings gering.

El Greco dürfte wohl im Sommer 1567 die Seereise angetreten haben. Kaum um 1567 in Venedig angekommen, gestaltete er seine Malerei von Grund auf um. Die Angaben zu El Greco in den Dokumenten ist leider nur von marginalem Interesse, im Herbst 1570 dürfte er Venedig bereits wieder verlassen haben. Etwa drei Jahre hielt sich El Greco mit kleinformatigen Gemälden religiösen Inhalts über Wasser, dann zog er 1570 in der Hoffnung auf Patronage nach Rom.

Nur ein Brief vom 18. August 1568 bezeugt seine Anwesenheit in Venedig. Darin bezieht sich der Maler auf einige Zeichnungen, die er an den Kartografen Giorgio Sideris Calapodas schickte. Der venezianischen Malerzunft scheint El Greco nicht beigetreten zu sein. Als Neuling in der westlichen Malerei dürfte er angesichts der gewaltigen Konkurrenz in der Lagunenstadt ein chancenloser Außenseiter gewesen sein. Wenn auch El Greco im Kontext von Tizian (als dem berühmtesten Maler Venedigs) genannt wurde, so orientierte sich der Neuankömmling doch stärker an den Werken von Jacopo Tintoretto.

Die wenigen El Greco zugeschriebenen Bilder lassen in Farbgebung, Pinselstrich und Kühnheit im Ausdruck der Figuren dessen späteres Genie aufblitzen. Teils basieren El Grecos Kompositionen auf Druckgrafiken: wie dem 1567 datierten Kupferstich von Cornelis Cort nach einer Zeich­nung von Taddeo Zuccari, der schon früh auch in Venedig kursiert sein wird, oder Radierungen von Battista Franco und Parmigianino. Eine vielfigurige Szene selbst zu entwerfen, traut sich der Maler offenbar noch nicht zu, doch modifiziert er die Vorlagen. El Grecos idiosynkratischer Anteil, der sich seinem Stu­dium der venezianischen Malerei verdankt, ist das intensiv leuchtende, teilweise dissonant kontrastierende Kolorit der Gewänder. Er trug die Farben ganz flüssig und mit sichtbar belassenem Pinselstrich in dem für ihn charak­teristischen, nervös bewegten Duktus auf. Die in hellerem Ton gesetzten Glanzlichter bilden dabei feine zuckende Linien aus, deren unruhiges Flackern auf dem dunkleren Grundton El Grecos Markenzeichen in dieser Phase darstellt.

El Greco, ein Schüler Tizians?

Im November 1570 kam El Greco in Rom an. Hier hatte er Kontakt mit dem Miniaturisten Giulio Clovio aufgenommen. Clovio wies ihn im Brief an Alessandro Farnese als einen Schüler Titians aus. Ob El Greco wirklich Arbeit als Lehrling oder Gehilfe in dessen Werkstatt gefunden hatte, lässt sich bis dato nicht nachweisen. Es wäre auch möglich, dass Giulio Clovio Eindruck schinden wollte, bzw. der Begriff „discepolo“ nicht unbedingt einen Schüler meint. Es wurden darunter auch Kopisten von Meistern subsummiert. Wenn man sich die wenigen erhaltenen Bilder aus El Grecos venezianischer Periode ansieht, kann man keineswegs von einer offensichtlichen und überwältigenden Verpflichtung gegenüber Tizian sprechen. Mit Tizian, als dessen „Schü­ler“ ihn Giulio Clovio wenig später wohl zu Unrecht bezeichnete, hat besagter Stil we­nig zu tun; wohl aber spiegelt sich darin seine Auseinandersetzung mit Tintoretto wider. Interessanterweise setzte sich El Greco nicht so sehr mit dessen aktueller Produktion der späten 1560er Jahre auseinander, sondern bezog sich vielmehr auf die frühe­ren Werke der Jahre um 1545 bis 1555.

In der Forschung wird vielmehr vermutet, dass es sich um das Werk eines Autodidakten der italienischen Renaissance handelt, der mit offenem Blick durch Venedig wanderte und von vielen Meistern – Tizian, Tintoretto, Jacopo Bassano, Paolo Veronese – gleichzeitig lernte, ohne sich einem dominanten Einfluss (in einer Werkstatt) auszusetzen. Von Tizian übernahm er die satte Farbigkeit von dessen Spätwerk (→ Der späte Tizian). Bei Tintoretto konnte El Greco die dramatische Bewegtheit der Figuren studieren. Das Werk des 26 bis 27 Jahre alten El Greco ist ein Konglomerat unterschiedlicher Ideen, Konzepte, Motive und Techniken.

Die „Tempelreinigung“ (vor 1570), ein 65 x 83 cm großes Temperagemälde auf Holz, ist in Maß und Technik für einen Ikonenmaler typisch. Alle Bilder El Grecos, die mit Sicherheit in die venezianische Periode datieren, sind in dieser Maltechnik ausgeführt: Er setzte eine Vielzahl von kurzen Pinselstrichen nebeneinander. Komposition und Farbgebung gehen aber eindeutig auf die italienische Malerei zurück. Allerdings zeigt sich El Greco mit den Feinheiten des bildnerischen Gestaltens der Italiener noch nicht vertraut. Er muss sich Michelangelo-Zeichnungen in Kopie besorgt haben. Auf Grecos Bildern sind die Figuren in einer kunstvoll ausgearbeiteten Perspektivkonstruktion, die aus vielen Architekturelementen besteht, eingefügt. Die Architektur ist unlogisch aufgebaut, und die Perspektive viel zu komplex konzipiert. El Greco gliederte den Boden mit Hilfe von farbigen Fliesen oder Marmor, um die räumliche Illusion zu steigern. Er nahm auf die klassischen Regeln der Architektur keine Rücksicht, allerdings könnte er Serlio gekannt haben. Die Figuren der frühen Werke wirken gedrungen und in ihren Positionen unbeholfen. Die Raumverhältnisse sind noch unklar, wobei El Greco viele Personen gedrängt in die Räume positionierte.

Das Wissen über El Grecos Leben zwischen 1567 und 1576 stammt aus zweitrangigen Dokumenten, weshalb das Resultat ein wenig dünn ausfällt. Die erhaltenen Werke zeigen, dass der Maler ganz entschieden durch die Bildvorstellungen und die ästhetischen und sozialen Ideen geprägt wurde, die er sich in Italien angeeignete. Gegen Ende das Jahres 1570 hatte El Greco die Maltechnik und die satten, ausdrucksstarken Farben der venezianischen Malerei in seinen Stil integriert und machte sich auf den Weg nach Rom, um die Darstellung der menschlichen Figur zu verbessern und das Gelernte zu vervollkommnen.

El Greco in Rom (November 1570–Mai 1577)

Im November 1570 war El Greco spätestens in Rom eingetroffen. Wenn er den Weg über Parma gewählt hat, hätte er Bilder von Correggio sehen können. Zumindest spricht er über die Kuppel und das Gemälde „Madonna mit Kind und dem hl. Hieronymus“, auch „Der Tag“ genannt. Auch in der römischen Zeit sind nur wenige Ereignisse aus dem Leben El Grecos dokumentarisch belegt.

Der arrivierte Buchmaler Giulio Clovio empfahl El Greco in einem Brief vom 16. November 1570 seinem Dienstherrn, dem Kardinal Alessandro Farnese, und bat Farnese, dem Venezianer Logis zu gewähren:

„Nach Rom ist ein junger Mann aus Candia gekommen, ein Schüler Tizians, der nach meinem Urteil außergewöhnlich in der Male­rei zu sein scheint; und neben anderen Dingen hat er ein Selbstbildnis geschaffen, das all diese Maler Roms in Staunen versetzt.“ (Giulio Clovio an Alessandro Farnese)

Ob die Bezeichnung El Grecos als „discepolo di Tiziano“ wörtlich oder eher im übertragenen Sinne eines Adepten der venezianischen Tradition zu verstehen ist, ist nicht geklärt. Offenbar hatte der Maler mit einem sonst nicht dokumentierten Selbstbildnis bereits die Auf­merksamkeit seiner römischen Künstlerkollegen erweckt. Der Kardinal nahm ihn auf. Dadurch kam El Greco in Kontakt mit Fulvio Orsini, einem Humanisten und Bibliothekar im Palazzo Farnese, dessen Sammlung später sieben Gemälde El Grecos umfasste. Verbürgt ist sein Mitwirken an der Ausschmückung des Herkulessaales der Villa Farnese in Caprarola. El Greco arbeitete als Gehilfe unter Jacopo Bertoia. Für größere Aufträge, etwa Fresken oder Altarbilder, zog Alessandro Farnese den auf diesem Ge­biet noch gänzlich unerfahrenen Künstler jedoch nicht heran. Hitzköpfig entzweite sich El Greco sogar bald mit seinem Mäzen, wie aus einem Brief vom 6. Juli 1572 hervorgeht, in dem er sich über seinen Rauswurf aus dem Palazzo Farnese beschwerte.

Im September 1571 wurde er als Miniaturist in die Accademia di San Luca aufgenommen. Darf man hier von einer Unterstützung Giulio Clovios ausgehen? Ab diesem Zeitpunkt war es El Greco in Rom erlaubt, eine eigene Werkstatt zu eröffnen und als unabhängiger Meister Aufträge anzunehmen.

Hochmanierismus und Gegenreformation im Umfeld von Alessandro Farnese

Im Kreis von Alessandro Farnese pflegte El Greco Umgang mit dem Bibliothekar Fulvio Orsini und einer Gruppe von Altertumsforschern, Theologen, Künstlern und Kunstkennern. Hier lernte er die Einheit von Kunst und Wissenschaft zu schätzen, was er in seinen späten Jahren in Toledo weiterhin pflegen sollte. Alessandro Farnese förderte Künstler wie Daniele da Volterra, Francesco Salviati, Jacopino dal Conte, Girolamo Siciolante, Marcello Venusti, Federico Zuccaro. Einige dieser Maler waren in den 1570er Jahren bereits verstorben, aber El Greco konnte ihre Werke in der Farnese-Sammlung studieren.

Während der 1550er Jahre etablierte sich in Mittelitalien der Hochmanierismus [ital. maniera], der im Wesentlichen auf die Werke von Raffael und Michelangelo Buonarroti zurückgeht. Den Malern ging es um die Vermittlung von Würde, indem sie imposante figurative Darstellungen weiterführten und die Proportionen in einer anti-klassischen Haltung übertrieben. Im Zentrum des Kunstwollens stand auch die handwerkliche Virtuosität. Wichtige Werke des Hochmanierismus sind Salviatis „Heimsuchung Mariä“ (KHM) oder Battista Francos „Gefangennahme des Täufers“.

Um 1560 änderte sich die maniera in der Ausdrucksweise, was als erste Auswirkungen des Tridentiner Konzils auf die Malerei zu deuten ist. G. A. Gilio da Fabriano fasste die neue Klassizität in deutliche Worte, wenn er meinte, „eine Sache ist schön in der Proportion, wenn sie klar und deutlich ist“. Dieses Diktum wirkte sich mehr auf die Komposition als auf den Stil aus, was an Francesco Salviatis zwei Versionen der „Bekehrung Pauli“ deutlich zu sehen ist. Die „Bekehrung Pauli“, die er um 1550 für die Cancelleria schuf, zeigt Christus um Hintergrund relativ klein und Paulus in einer bizarren Menschenansammlung. Die „Bekehrung Pauli“ Salviatis aus dem Jahr 1563 für San Marcello al Corso arbeitet mit den gleichen muskulösen Gestalten allerdings mit der Betonung der dramatischen Bewegung zwischen Christus und Paulus. Damit ist das Primat der Erzählung wiederhergestellt. Der Kontakt mit diesen Werken war für El Greco von grundlegender Bedeutung für El Grecos Malerei und Denkweise.

Die Gegenreformation wurde ab den 1570er Jahren in der Kunstproduktion deutlich spürbar. Sie ließ den Künstlern nur wenig Spielraum für ihre Phantasie (vgl. den Lustgarten von Caprarola). Üblicherweise wird diese Phase des Manierismus als „Gegenmaniera“ bezeichnet. El Greco hielt sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Rom auf, sondern war ab 1577 in Spanien sesshaft.

Das Werk „Kerze anzündender Knabe“ (Museo del Capodimonte, Neapel) darf als Ekphrase gedeutet werden: berühmte, aber verschollene antike Gemälde wurden anhand verfügbarer literarischer Beschreibungen neu geschaffen. El Greco ahmt mit diesem Gemälde ein Werk von Antiphilos nach, das in der „Naturalis Historia“ des Plinius des Älteren beschrieben wird. Es wäre möglich, dass Fulvio Orsini bei der Konzeption des Nachtstücks eine Rolle gespielt hat. Das Bild gehörte einst zur Sammlung Farnese.

Am 18. September 1572 trat El Greco in Rom der Malerzunft [Compagnia di San Luca] bei, um fortan verschiedenen Auftraggebern seine Dienste anbieten zu kön­nen. Bald beschäftigte er zwei italienische Maler als Mitarbeiter in seiner Werkstatt. In den römischen Jahren schuf El Greco weiterhin kleinformatige erzählende Bilder, die zunehmend ambitionierter und komplexer ausfielen; mit den Bildnissen des Giulio Clovio (Neapel, Museo di Capodimonte) und des Vincenzo Anastagi (New York, Frick Collection) gab er überdies sein anspruchsvolles Debüt als Porträ­tist. Wenngleich er sich in dieser Phase eingehend mit den Skulpturen Michelangelo Buonarottis auseinandersetzte, blieb auch in Rom die venezianische Malerei – insbesondere Tintoretto, Jacopo Bassano und Tizian – sein maßgeblicher künstlerischer Bezugspunkt. Der Arzt und Kunstliebhaber Giulio Mancini schrieb, dass Lattantonio Bonastri da Licignano El Grecos Schüler in Italien wäre. Der Maler näherte sich, so Mancini, der Malerei im venezianischen Stil auf „neue“ Weise an. El Greco malte für private Auftraggeber, die an seinen Bildern offenbar großen Gefallen fanden.

El Greco und Michelangelo

Papst Pius V. hat einigen Anstoß an den nackten Figuren auf Michelangelos „Jüngstem Gericht“ genommen und die fraglichen Stellen übermalen lassen. Offenbar hat sich El Greco angeboten, das Fresko abzuschlagen und es „gewissenhaft und anständig“ aufs Neue zu malen. Über dieses Ansinnen wären die römischen Maler so sehr erzürnt, dass er gezwungen gewesen wäre, Rom zu verlassen und nach Spanien zu gehen. Im Wesentlichen ist diese Geschichte glaubwürdig und erklärt, warum sich der Maler nach Westen aufmachte.

Wenn auch El Greco sich mit dieser Haltung in Rom Feinde geschaffen haben dürfte, so hatte er dennoch die klassischen Werke von Michelangelo und Raffael studiert. Michelangelo war sechs Jahre vor seinem Eintreffen in Rom verstorben, aber sein Einfluss und die Erinnerung an ihn lebten noch immer fort (u. a. durch Clovio). El Greco schätzte nicht alles an Michelangelo wie zum Beispiel dessen Farbbehandlung, er war aber fasziniert von dessen inspirierter Behandlung der menschlichen Figur. Die Darstellung des menschlichen Aktes bekam El Greco vor allem über die Zeichnungen vermittelt. Darüber hinaus muss er auch seine Plastiken Michelangelos studiert haben, darunter die „Pietà“, die „Colonna-Pietà“. In späterer Zeit verwendete El Greco diese Motive mit größter Subtilität weiter.

El Greco bearbeitete Zeit seines Lebens bestimmte Kompositionen immer wieder neu. Dabei behielt er die Grunddisposition der Figuren und den Hintergrund bei. Er modifizierte Posen, Gebärden und die räumliche Anordnung der Protagonisten, wie die drei verschiedenen Fassungen der „Blindenheilung“ zeigen. Der Unterschied zwischen der venezianischen und der römischen Fassung liegt im Stil der figürlichen Darstellung sowie in der Beziehung zwischen den Figuren und dem Hintergrund. Die venezianische „Blindenheilung“ hat größere Ausmaße. Die Figuren sind in maßvollen Proportionen dargestellt, links und rechts in dichten Gruppen organisiert. Der Hund bildet den Mittelpunkt der Komposition. Die römische Fassung ist in ihren Dimensionen größer. Links im Bild führte El Greco einen überlebensgroßen, nackten Mann ein, was seine Überlegungen zur Darstellung des menschlichen Körpers offenbart. Die Perspektive der Architektur betont eine strenge Differenzierung der Ebenen. Die räumliche Anordnung gewinnt an Komplexität. Fluchtlinien treffen sich in einem antiken Zitat eines römischen Monuments (Diokletiansthermen). Die Syntax des Bildes ist nicht viel besser, aber El Greco nutzte nun römisches Vokabular. Die dritte Fassung ist durch und durch „romanisiert“, nur die reichen Farbtöne erinnern noch an die venezianische Malerei. Die Bildmasse sind größer, was die Vergrößerung der Dimensionen der Figuren erlaubt. Einzelne Elemente der Komposition stehen harmonisch zueinander, was eine klarere Raumillusion zur Folge hat. Ziel von El Grecos Ansinnen war offensichtlich, die venezianische und mittelitalienische Renaissancemalerei zu einer Synthese zu bringen.

El Grecos Aussicht auf Anerkennung war in Rom schlecht. Gregor XIII. holt sich andere, heute unbedeutende Künstler in den Vatikan. Da El Greco keinen festen Auftraggeber im Kardinalskollegium gewinnen konnte, ging sein Ansehen offenbar über den Farnese-Kreis nicht hinaus. In Spanien konzentriert er seine Hoffnung auf König Philipp II., den reichsten und mächtigsten Herrscher in Europa und einen der größten Förderer der Künste. Philipps Bewunderer der italienischen Kunst, vor allem der Werke Tizians, war weithin bekannt. Auch Giulio Clovios stand in seiner Gunst. Über den Botschafter am Heiligen Stuhl ließ der König ab 1577 italienische Künstler für die Ausstattung des Escorial anwerben: Dieser sprach Maler wie Zuccaro und weitere ältere Künstler ab. El Greco stand offenbar nicht auf der Liste, da er schon zuvor nach Spanien aufgebrochen war. Toledo bot ihm jene künstlerischen Möglichkeiten, die er in Rom vergeblich gesucht hatte.

Auf der Suche nach Auftraggebern in Spanien (1577–1583)

Es ist nicht bekannt, wann El Greco genau nach Spanien abreiste bzw. angekommen ist - vermutlich verließ er die Ewige Stadt 1576. Am 2. Juli 1577 hielt er sich bereits in Toledo auf. Vor seinem ersten großen Auftrag von 1577 bis 1580 war Toledo nur ein vorübergehender Aufenthaltsort, zuvor könnte er sich in Madrid bewegt haben.

Mit einem Bild wie der „Allegorie der Heiligen Liga“, das auch „Gloria Philipps II.“ oder „Anbetung des Namens Jesu“ (um 1577/80, El Escorial, San Lorenzo) genannt wird, könnte El Greco die Hoffnung verbunden haben, Aufmerksamkeit zu erregen. Er schuf es vermutlich in Erinnerung an den Sieg der vereinigten venezianisch-spanischen Flotte über die Türken in der Schlacht von Lepanto im Jahre 1571. Die Protagonisten - der spanische König, der Papst und der Doge – knien im Vordergrund. Im Himmel über ihnen prangt das Christus-Monogramm IHS, rechts daneben der Höllenschlund mit varianten Aktfiguren als ein Verweis auf die Kunst Michelangelos. Malte El Greco das Bild in königlichem Auftrag? Oder entstand es im Bestreben, es als eine Art „Visitenkarte“ seiner Fähigkeiten zu verwenden? Es ist ein Widmungsschreiben an den König von der Hand El Grecos erhalten. Maler und König könnten einander im Juni 1579 in Toledo getroffen haben. Der Bozzetto zum Bild befindet sich heute in der National Gallery in London. Das Werk – und seine drei Titel sind bereits ein wichtiger Hinweis in diese Richtung – erfuhr in der Literatur unterschiedliche Deutungen.

Entkleidung Christi

1580 wurde ein Altarbild für den Escorial bei El Greco bestellt. Der Maler rechnete noch immer damit, die Gunst des Königs zu erlangen. Inzwischen hat ihn Luis de Castilla, den er in Rom kennengelernt hatte, mit seinem Vater Diego bekannt gemacht. Dieser könnte der Auftraggeber für die „Entkleidung Christi“ für das Vestiarium der Sakristei der Kathedrale von Toledo sein, die sich heute noch an ihren ursprünglichen Bestimmungsort befindet. Allein die 17 überlieferten Paraphrasen und Werkstattkopien bezeugen, dass es zu den Hauptwerken El Grecos gehört und er es selbst auch sehr geschätzt haben muss.
Überliefert ist eine Debatte zwischen dem Maler und dem Repräsentanten der Kirche, Garcia de Loaysa Girón, am 15. Juni 1579 vor einem Notar. Das war ein übliches Verfahren zur Bestimmung des Wertes des Kunstwerkes [tasación]. Dabei benannten Künstler und Auftraggeber je einen Gutachter oder eine Gruppe von Gutachtern [tasadores], die unabhängig voneinander den Wert des fraglichen Kunstwerks festlegten. Bei unüberwindbaren Meinungsverschiedenheiten entschied ein Schiedsrichter, der oft schon im Voraus nominiert wurde. Dieses Prozedere benachteiligte die Künstler, da erst nach der Vollendung des Werks dieses geschätzt wurde. Aber auch bei Vorauszahlungen war der Auftraggeber in der stärkeren Position. El Greco hat sich nie damit abfinden können. Manchmal rebellierte er gegen die zu niedrigen Schätzungen seiner Werke, manchmal lief der Prozess aber auch ganz geregelt ab wie bei der „Himmelfahrt Mariae“ (signiert und datiert 1577, The Art Institute Chicago).

Im Juli 1579 bezifferte der Vertreter El Grecos den Wert der „Entkleidung Christi“ mit 900 reales, einer bedeutenden Summe. Der Gutachter der Katholischen Kirche setzte den Preis auf nur 228 reales fest, womit er unter den bereits bezahlten 1.500 reales lag. Er zitiert in seinem Text gewisse unschickliche Elemente in der Darstellung des Themas wie die Köpfe der Menschenmenge über dem Haupt Christi. Dazu monierte der Gutachter noch die drei Marienfiguren links unten im Bild, von denen im Evangelium nicht die Rede ist. Es kam zu keiner Einigung, weshalb der Prozess auf den Spruch des Schiedsrichters vertagt werden musste. Am 23. Juli erhielt El Greco die Bestätigung, dass das Bild zum Besten gehöre, das dieser je gesehen hatte. Dennoch setzte der Schiedsrichter einen Preis von 3.500 reales fest. Die Klärung der theologischen Fragen wurde den kirchlichen Instanzen überlassen. El Greco wollte das Gemälde erst bei einem akzeptablen Preis abliefern. Am 23. September, einen Tag nach der Einweihung von Santo Domingo el Antiguo, erschien der Anwalt der Kirche vor dem Gericht der Stadt und reichte die Klage gegen den Künstler ein. Die Kirche stellte einen Antrag auf unverzügliche Herausgabe des Bildes als Sicherheit für den Vorschuss von 1.500 reales sowie die Beseitigung der (thematischen) Irrtümer. El Greco wies alle Anschuldigungen zurück, wollte aber das Bild korrigieren, nachdem ihm sein Honorar ausgezählt worden ist. Diese ungeklärte Situation wurde erst am 8. Dezember 1581 gelöst. El Greco erhielt zusätzlich zum Vorschuss von 1.500 reales noch 500 reales. Damit lag das Gesamthonorar mit 2.000 reales über dem Preis des Schiedsrichters – aber unter dem vorgeschlagenen Honorar von El Greco. Der immaterielle Erfolg des Künstlers war, dass die drei Marienfiguren noch immer zu sehen sind. El Greco dachte vielleicht noch nicht daran, sich in Toledo niederzulassen.

Martyrium des hl. Mauritius und der thebanischen Legion

Die ersten beiden Jahre in Spanien war El Greco nur bedingt erfolgreich. Im April 1580 wohnte er noch immer in Toledo hatte aber einen königlichen Auftrag errungen: „Martyrium des hl. Mauritius und der thebanischen Legion“ (El Escorial, San Lorenzo) für die Kirche im Escorial. Sein Werk sollte als Pentant zu Luca Cambiasos „Martyrium der hl Ursula“ aufgestellt werden. El Greco arbeitete am „Martyrium des hl. Mauritius“ mehr als zwei Jahre. Er erhielt einen Vorschuss in Raten, insgesamt 300 Dukaten. Im Herbst 1582 war das Gemälde vollendet; am 16. November 1582 übergab er es persönlich im Escorial. Der Wert wurde offiziell festgestellt. Da es dem König nicht gefiel, ließ dieser es entfernen, und bestellte bei einem mittelmäßigen Italiener, Romulo Cincinnato, ein weiteres Bild. El Greco hatte in der Komposition die wichtigsten Vorschriften der gegenreformatorischen Kunst verletzt: Er hat den Stil über den Inhalt erhoben. Der „Martyrium des hl. Mauritius und der thebanischen Legion“ ist in der Malweise der römischen maniera gehalten. Dieser Stil bietet aber ein unzulängliches Instrumentarium für die Behandlung religiöser Themen. Anstatt sich darauf zu konzentrieren, die Aufmerksamkeit der Betrachter auf die Enthauptung des Heiligen zu lenken, stellte sie El Greco in dem Moment dar, in dem der heilige Mauritius und seine Gefährten beschlossen, für ihren Glauben in den Tod zu gehen. Die Figuren sind in eleganten Posen, mit schmachtenden Gebärden gezeigt. Die gespreizte Eleganz wurde in Spanien aber als Ablenkung vom eigentlichen Thema betrachtet. El Greco schätzte den Geschmack des Königs falsch ein. Dieser galt als Kunstliebhaber, aber Schönheit war nur dort wichtiger als der Inhalt, wo es nicht um Glaubensfragen ging. Diese Ablehnung muss eine ernste Enttäuschung für El Greco gewesen sein, der seine Hoffnung auf Wohlstand und Ruhm für immer begraben glaubt.

Die beiden fehlgeschlagenen Aufträge bedeuteten einen herben Rückschlag in der Karriere von El Greco. Auch vom Domherrn in Toledo erhielt er keinen Auftrag mehr. Sechs Jahre nach seinem Eintreffen in Spanien hatte der Maler keinen Zugang mehr zu den zwei wichtigsten Institutionen. Dennoch schaffte er es, in Toledo durchaus bewundert zu werden. Es entstanden zahlreiche Bekanntschaften und Freundschaft zu Gelehrten – einige verhalfen ihm zu Aufträgen. Im Nachlass-Inventar von El Grecos Bibliothek finden sich 130 Bücher in griechischer, lateinischer, italienischer und spanischer Sprache.

Seiner Liebe zu den Venezianern – und seiner ebenso leidenschaft­lichen Ablehnung der florentinischen und mittelitalienischen Renaissancemalerei – verlieh El Greco in den ab 1586 in Toledo notierten Randkommentaren zu Giorgio Vasaris „Vite“ (1568) beredten Ausdruck. Ein nicht näher bestimmtes Gemälde Tintorettos in der Scuola Grande di San Rocco in Venedig bezeichnet er darin als das beste der Welt („la meyor pittura que ay oy en el mundo“). Ausführlich kommentiert er insbe­sondere die lange Vita Tizians, des „größten Kenners und Nachahmers der Natur“ („el major co[n]hocidor e ymitador de la natura“), dem keiner gleichgekommen sei („no ha tenido pari“).

Es ist El Grecos Verdienst, dass er in Spanien die Nobilitierung der Malerei einleitete. Die erste Phase in Spanien war offenbar nicht sehr arbeitsreich. So ist auch nicht bekannt, wann El Greco eine Werkstatt eingerichtet hat.

Karriere in Toledo (1583–1595)

Im Jahr 1585 stand El Greco bereits einem florierenden Geschäft vor. Am 10. September des Jahres mietete er eine Wohnung im Palast des Marquis de Villena (bis wenigstens 1590), was vielleicht auf eine Erweiterung seiner Werkstatt hindeutet. In Spanien konnte ein Künstler mit der Anfertigung von Altarbildern, bestehend aus dem Gemälde, polychromierten Skulpturen, Rahmen aus vergoldetem Holz, viel Geld verdienen. Zumindest in späteren Jahren dürfte El Greco für ganze Altarensembles verantwortlich gezeichnet haben. Es haben sich Rahmen für die „Entkleidung Christi“ erhalten, der Schrein für die „Hl. Leokadia“ und das „Begräbnis des hl. Orgaz“ (1586).

Das Begräbnis des Grafen von Orgaz

„Das Begräbnis des Grafen von Orgaz“ wurde am 18. März 1586 beauftragt und im Frühjahr 1588 fertiggestellt. Der Auftraggeber war Andrés Nuñez de Madrid, der El Grecos eigener Pfarre San Tomé vorstand. Der Maler sollte die Grabstätte des 1327 verstorbenen Grafen von Orgaz, des mildtätigen Gonzalo de Ruiz, mit einem Gemälde schmücken. Der Legende nach hätten die Heiligen Stephanus und Augustinus den Verstorbenen eigenhändig ins Grab gelegt. In seinem Testament hatte der Graf die Gemeinde dazu verpflichtet, der Pfarre jedes Jahr eine Schenkung zukommen zu lassen. Nach 200 Jahren regte sich Widerstand gegen diese Verordnung, die der Pfarrer aber vor Gericht durchsetzen konnte. Nachdem das Wunder der Bestattung durch zwei Heilige offiziell anerkannt worden war, ließ der Geistliche das Gemälde von El Greco malen.

El Greco stellte das wundersame Begräbnisritual mit je einem Geistlichen aus dem Franziskanerorden, den Augustinern und den Trinitariern dar; zudem brennen sechs Fackeln. Der tote Ritter wird vom hl. Laurentius links und dem hl. Augustinus zur ewigen Ruhe gebettet. Der Pfarrer und Auftraggeber, Andrés Nuñez, liest rechts aus einem Buch das Requiem. Daneben erscheinen zahlreiche angesehene Männer des Ortes. Identifizierbar sind allerdings heute nur El Grecos eigener Sohn, Jorge, links im Vordergrund, und sein Freund Antonio Covarrubias. Im halbrunden oberen Abschluss stellte El Christus, flankiert von Maria und Johannes dem Täufer dar. Ein Engel trägt die anima [Seele] des Verstorbenen nach oben.

Bei der ersten Schätzung wurde das Werk auf 1.200 Dukaten festgesetzt. Da der Preis zu hoch war, kam es zu einer zweiten Schätzung, die den Wert auf 1.600 Dukaten festsetzte. Am 30.Mai 1588 wurde die erste Schätzung für gültig erklärt, und Anweisung ausgesprochen, den Betrag innerhalb von neun Tagen zu zahlen. El Greco legte beim päpstlichen Nuntius in Madrid Widerspruch ein, zog ihn aber wegen der Prozesskosten wieder zurück. 420 Dukaten der Bezahlung gingen gleich an seine Gläubiger. El Grecos Streitsucht war ein wesentliches Charakteristikum in seinem Berufsleben. Dennoch kann konstatiert werden, dass sich El Grecos Werke weit außerhalb des Preisgefüges befanden. Der Schätzungsprozess erforderte harte Verhandlungstaktiken und förderte Konflikte. Dem Künstler blieben oft nur Aufgeben und Kapitulieren.

El Greco und Sohn (1596–1614)

Ab 1596 entwickelte die Werkstatt von El Greco eine ungeheure Aktivität, die bis 1614 anhielt. Der Höhepunkt der Produktion wurde zwischen 1597 und 1607 erreicht. Dieser Erfolg scheint mehrere Gründe gehabt zu haben: Zum einen genoss El Greco einen guten Ruf, und zum anderen dürfte ab etwa 1600 Jorge Manuel als Juniorpartner in die Werkstatt eingestiegen sein. Das Resultat war eine wachsende Anzahl von Aufträgen in den Städten und Dörfern rund um Toledo.

Das Augustinerkolleg der Doňa María de Córdoba y Aragón in Madrid erhielt in der zweiten Hälfte der 1590er Jahre ein neues Retabel, das „Mariae Verkündigung“ im Zentrum hat. Die Vertragsverhandlungen fand im Dezember 1596 statt, das Ensemble ist zerstreut: Fünf Gemälde befinden sich im Prado und eine „Anbetung der Hirten“ im Rumänischen Nationalmuseum in Bukarest. El Greco erhielt einen Vorschuss von 2.000 reales und sollte den gesamten Altar zu Weihnachten 1599 liefern. Der Maler musste drei Bürgen nennen, die garantierten, dass er den Vorschuss zurückzahlen konnte, falls er das Bild nicht malen sollte. Das Altarbild wurde im Juli 1600 abgeliefert und im August von zwei Hofmalern geschätzt. Diese stellten fest, dass sich der Wert des Gemäldes auf 6.000 reales beziffert. Diese enorm hohe Summe war für die Stiftung nur schwierig zu beschaffen.

Ab 1603 taucht der Name Jorge Manuel allmählich regelmäßig in den Dokumenten auf. Inzwischen dürfte er zum ersten Gehilfen des Vaters aufgestiegen sein. Bis zu diesem Zeitpunkt war Francisco Preboste, der mit El Greco aus Italien mitgekommen und von 1580 bis 1607 auch häufig als Agent aufgetreten war, in dieser Funktion tätig. Preboste dürfte um 1607 wohl gestorben sein, dem am 29. Mai 1607 erteilte El Greco seinem Sohn die Vollmacht.

Zwischen 1600 und 1608 hatte die Werkstatt von El Greco ihre maximale Kapazität. Eine große Rolle spielte dabei das Programm zur Renovierung und Modernisierung der Kirchen in der Diözese. Dafür musste immer ein Gutachten vom bischöflichen Rat eingeholt werden. Ausgestellt wurden diese von ortsansässigen Künstlern. Ab 1603 war oft Jorge Manuel mit solchen Fragen betraut, was in mindestens vier Fällen zu einem Auftrag führte.

Ansicht von Toledo

Zu den berühmtesten Werken von El Greco zählt die „Ansicht von Toledo“, die um 1600 datiert wird und im New Yorker Metropolitan Museum of Art beheimatet ist. Es handelt sich hierbei um die einzige erhaltenen Landschaftsdarstellung des Malers – eine Hommage an seine Wahlheimat Toledo. Die Landschaftsmalerei war in Spanien eine neue Gattung, vielleicht fühlte sich El Greco durch importierte flämische Bilder dazu inspiriert. Sowohl Landschaftsgestaltung wie auch Himmelsdarstellung sind höchst expressiv ausformuliert. Der Maler zeigt die Stadt von der Nordseite und konzentrierte sich auf jenen östlichen Teil der Stadt, der auf einer steil abfallenden Hügelkette an einer Biegung des Flusses Tajo liegt. Topografische Korrektheit war nicht das zentrale Anliegen des Malers, wie Vergleiche mit dessen weiteren Bildern oder auch Karten aus der Zeit ergeben. Die mittelalterliche Stadtmauer, steil aufragende Türme, darunter die Kathedrale und der mächtige Alcázar (königlicher Palast), strukturieren die Bildfläche vertikal, während die hohe Alcántar-Brücke aus der römischen Zeit über den Tajo sowie landschaftliche Elemente zur horizontalen Gliederung beitragen.

In zahlreichen seiner späten Werke verwendete El Greco eine ähnliche, sturmgeladenen Gewitterstimmung. Vielleicht wurde er dazu von Giorgiones „Tempesta“ angeregt. Ob es sich dabei um einen Kunstgriff zur Steigerung der Virtuosität handelt oder das Gewitter inhaltlich gedeutet werden soll, ist Thema vieler Abhandlungen. Es werden so die Kräfte der Natur ins Spiel gebracht und die expressive Dynamik gesteigert. Es gilt als wahrscheinlich, dass El Greco in der „Naturalis historia“ von Plinius d. Ä. anspielte, der den griechischen Maler Apelles rühmte, dass dieser „sogar Dinge, die nicht auf Bildern darstellbar sind, wie Gewitter mit Donner, Blitz und Wetterleuchten“ (XXV.97) abgebildet hätte.

Laokoon

Das zweite berühmte Werk des Griechen in Spanien ist der „Laokoon“ (National Gallery of Art, Washington) aus den Jahren zwischen 1610 und 1614. Hierbei handelt es sich um die einzige mythologische Darstellung im Werk El Grecos. Es zeigt den Priester Laokoon mit seinen zwei Söhnen, die vor der Vernichtung Trojas warnten. Vergil berichtet in der „Aeneis“, dass der Apollon-Priester Laokoon entgegen der Vorschriften geheiratet und Kinder gezeugt hatte. Als die Griechen nach langjähriger Belagerung Trojas abzogen und als Geschenk für die Göttin Athene ein hölzernes Pferd zurückließen, warnte Laokoon vor dem „Geschenk“, indem er eine Lanze auf das Pferd warf. Daraufhin brachte er am Strand Poseidon ein Opfer dar. Zwei Schlangen kamen aus dem Wasser und erwürgten ihn und seine zwei Söhne. Die Trojaner interpretierten dies als eine göttliche Botschaft gegen den Lanzenwurf Laokoons, brachten das Trojanische Pferd in die Stadt und besiegelten so ihr Unglück.

El Greco nutzte im Hintergrund der dramatischen Szene eine Ansicht von Toledo. Vermutlich bezog sich der Maler damit auf die Gründungslegende der Stadt, die von zwei Trojanern erbaut worden sein soll. Im Gegensatz zur 1506 aufgefundenen Laokoon-Gruppe in Rom und weiteren italienischen Interpretationen des Themas erfand El Greco eine höchst individuelle Formgebung. Laokoon liegt verzerrt am Boden und kämpft gegen eine Riesenschlange. Einer der Söhne liegt bereits getötet hinter ihm, der zweite versucht sich noch vergeblich die Schlange vom Leib zu halten. Auf der rechten Seite stehen zwei bzw. drei weitere Akte und scheinen das Geschehen zu kommentieren. Diese Figuren werden höchst unterschiedlich gedeutet, wobei die Lesart Paris und Helena die sinnträchtigste im Kontext der Geschichte ist. El Grecos „Laokoon“ ist heute so berühmt, dass das Bild als das künstlerische Vermächtnis des Griechen in Spanien gedeutet wird. Die Proportionen der Figuren ist manieristisch gelängt, die Verkürzungen sind gesucht, die Farbigkeit kühl und ins Expressive gesteigert. Damit konnte El Greco zum Vorläufer der Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts werden. Im Nachlass-Inventar El Grecos werden drei Versionen des „Laokoon“ erwähnt, von denen nur diese die Jahrhunderte überlebt hat.

Tod und Nachruhm

Seine außergewöhnliche Bildsprache veranlasste die Kritik und Kunsthistoriker, ihn in verschiedene Rollen zu sehen: als Mystiker, Manierist, Pionier der Moderne, Verrückter, an Astigmatismus leidender, Sanier, Grieche in Spanien. Die häufig widersinnigen und widersprüchlichen Etiketten spiegeln eher die Interpreten als das Werk wider.

Literatur

  • Jens Ferdinand Willumsen, La Jeunesse du peintre El Greco. Essai sur la transformation de l’artiste byzantin en peintre européen, 2 Bde., Paris 1927 .
  • Harold E. Wethey, El Greco and his School, 2 Bde., Princeton 1962.
  • Rodolfo Pallucchini, Per la storia del Manie­rismo a Venezia, in: Ausst.-Kat. Venedig 1981, S. 11–68.
  • Nicos Hadjinicolaou (Hg.), El Greco in Italy and Italian Art (Ausst.-Kat. Nationalgalerie Athen, 1995), Athen 1995.
  • Fernando Marías, El Greco y los artistas de Italia: Venecia (1567–1570), in: El Greco in Italy and Italian Art. Proceedings of the International Symposium, hg. von Nicos Hadjinicolaou, Rethymno 1999, S. 47–66.
  • Lionello Puppi, El Greco in Italy and Italian Art, in: Ausst.-Kat. Madrid / Rom / Athen 1999 / 2000, S. 95–113.
  • El Greco. Identity and Transformation. Crete, Italy, Spain (Ausst.-Kat. Madrid, Museo Thyssen-Bornemisza, Rom, Palazzo delle Esposizioni, Athen, Nationalgalerie 1999 / 2000), hg. von José Álvarez Lopera, Mailand 1999.
  • Wilfried Seipel, (Hg.), Sylvia Ferino-Pagden und Fernando Checa Cremades, El Greco (Ausst.-Kat. Kunsthistorisches Museum, Wien 2001), Mailand 2001.
  • David Davies (Hg.), El Greco (Ausst.-Kat. New York, The Metropolitan Museum of Art, London, National Gallery 2003 / 04), London 2003.
  • Karin Hellwig, El Greco – Zeichner und Kunst­theoretiker, in: Kurt Zeitler / dies., El Greco kommentiert den Wettstreit der Künste. Eine Zeichnung in der Staatlichen Graphi­schen Sammlung München, München / Berlin 2006, S. 45–74.
  • Miguel Falomir, Tintoretto and Spain: From El Greco to Velázquez, in: Ausst.-Kat. Madrid 2007, S. 159–177.
  • José Álvarez Lopera, El Greco. Estudio y catálogo, Bd. II / 1: Catálogo de obras originales: Creta. Italia. Retablos y grandes encargos en España, Madrid 2007.
  • Fernando Marías, El Greco. Life and Work – A New History, London / New York 2013.
  • Andrew R. Casper, Art and the Religious Image in El Greco’s Italy, University Park, PA, 2014.
  • Jeongho Park, Men in Armor. El Greco and Pulzone Face to Face, New York 2014.
  • Maria Aresin, Tintoretto und El Greco – Zwischen Allusion und Illusion, in: El Greco und der Streit um die Moderne, hg. von Beat Wismer u. a., Berlin 2015, S. 114–121.
  • Miscellaneo 2015/16.
  • Lionello Puppi (Hg.), El Greco in Italia. Metamorfosi di un genio (Aust.-Kat. Treviso, Casa dei Carraresi 2015/16), Mailand 2015.
  • Fernando Marías / José Riello, El Greco. Il miracolo della naturalezza. Il pensiero artistico di El Greco attraverso le note a margine a Vtiruvio e Vasari, Rom 2017.

Beiträge zu El Greco

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  1. Näheres zu den kretisch-venezianischen Madonnenmalern findet man bei: Sergio Bettini: La pittura di icone cretese-veneziana e i Madonneri, Padova 1933.