Judith Leyster

Wer war Judith Leyster?

Judith Leyster (28.7.1609–10.2.1660) zählt zu den bedeutendsten Malerinnen des niederländischen Barock des 17. Jahrhunderts, dem Goldenen Zeitalter. Sie spezialisierte sich auf Genrebilder, Porträt und Stillleben. Vor 1893 wurde ihr gesamtes Werk entweder Frans Hals oder ihrem Ehemann Jan Miense Molenaer zugeschrieben. Zu diesen Verwechslungen dürfte es gekommen sein, weil nach Leysters Tod ihre Werke als „Ehefrau von Molenaer“ inventarisiert worden waren. Erst Hofstede de Groot schrieb ihr Ende des 19. Jahrhunderts wieder sieben Bilder zu – sechs davon tragen ihr charakteristisches Monogramm „JL*“.

Judith Leyster wurde als achtes Kind von Jan Willemsz Leyster in Haarlem geboren. Ihr Vater war ein Bierbrauer und Schneider. Vielleicht strebte Judith Leyster ihre Tätigkeit als selbständige Malerin in Folge eines Bankrotts ihres Vaters an. Es könnte sein, dass die Tochter Geld verdienen musste.

Ausbildung und erster Ruhm

Als Schülerin von Frans Pietersz de Grebber orientierte sie sich am berühmten Porträtisten ihrer Heimatstadt Haarlem, Frans Hals. Während der 1620er Jahre übersiedelte ihre Familie nach Utrecht, wo Judith Leyster mit den Utrechter Caravaggisten in Kontakt gekommen sein könnte (→ Utrechter Caravaggismus: Honthorst, Baburen und Ter Brugghen).

Seit 1628 zog sie das Interesse ihrer Zeitgenossinnen und Zeitgenossen auf sich. Der Chronist von Haarlem, Samuel Ampzing, beschrieb die damals erst 19-jährige Malerin in seiner „Beschrijvinge ende lof der stadt Haerlem“ mit der Bemerkung, sie hätte „eine gute und scharfe Einsicht“. Die frühesten signierten und datierten Gemälde stammen aus dem Jahr 1629, vier Jahre bevor Leyster Mitglied der Haarlemer Lukasgilde wurde. Sie war höchstwahrscheinlich die zweite Frau nach Sara van Baalbergen (1631), die überhaupt in die Malerzunft aufgenommen wurde.

Zu den am meisten diskutierten Genrebildern Judith Leysters zählt „Der Vorschlag“ (1631, Mautritshuis, Den Haag). Der von einer Kerze beleuchtete Szene in einem schlichten Innenraum zeigt eine stickende oder nähende Frau tief über ihre Arbeit gebeugt. Von links hinten nähert sich ein dunkel gekleideter Herr, der in seiner ausgestreckten rechten Hand Münzen anbietet, mit seiner Linken berührt er die Frau an ihrer Schulter. Die Näherin schein nicht auf das Angebot zu reagieren. Genau das macht das Bild so ambivalent. Handelt es sich um die Gegenüberstellung von tugendhaftem Verhalten und Laster? Oder um käufliche Liebe? Ist die Haltung der jungen Dame als beschämt zu beschreiben? Die feministische Lesart des Bildes stellt die Urheberin und deren weiblichen Blick ins Zentrum der Überlegung, während Gegenstimmen die Tradition dieser Art von moralisierender Genredarstellung unterstreichen.

Judith Leyster: Selbstporträt

Judith Leysters „Selbstporträt“ (um 1630) der National Gallery of Art, Washington, zählt zu den populärsten und bemerkenswertesten Künstlerselbstbildnissen des 17. Jahrhunderts. Es dokumentiert beredt das Selbstbewusstsein und die Fähigkeiten der jungen Malerin. Leyster stellt sich in einem eleganten Kleid mit Spitzenkragen an der Staffelei sitzend dar. Sie unterbricht ihre Arbeit an einem Geigenspieler kurz, um sich dem Publikum zuzudrehen. Die Künstlerin setzt ihre eigene Hand mit Pinsel nahezu parallel zum Geigenbogen und der musizierenden Hand, womit Ton- und Bildkunst – die eine ephemer und die andere mit Ewigkeitsanspruch – einander gegenübergestellt werden. Palette, Maltuch und nicht weniger als 18 Pinsel sind Judith Leysters Werkzeuge der Kunstproduktion, wie sie genau festhält. Dass die Malerin so elegant gekleidet in ihrem Atelier arbeitete, ist unwahrscheinlich. Die Momenthaftigkeit der Szene ist ein Qualitätsmerkmal dieses Werks, der energische Pinselstrich erinnert an Porträts von Frans Hals (1582/83–1666). Leysters „Selbstporträt“ könnte das Aufnahmestück der Malerin für die Lukasgilde gewesen sein.

Selbständige Meisterin in Haarlem

Im Jahr 1633 ist Judith Leyster als unabhängig arbeitende Künstlerin mit eigenem Atelier dokumentiert und Mitglied der Lukasgilde in Haarlem. Sie nahm selbständig Aufträge an und hatte zahlende Auszubildende.

In den zwei Jahren zwischen der Aufnahme in die Zunft und ihrer Hochzeit hatte Judith Leyster drei Lehrlinge. Da nach ihrer Eheschließung ein Lehrling ohne Erlaubnis der Zunft die Werkstatt von Judith Leyster verließ, verklagte sie Frans Hals, der diesen Lehrbuben bei sich aufgenommen hatte. Die Mutter des Lehrlings musste Leyster vier Gulden für die entgangenen Einnahmen erstatten, was die Hälfte der Summe war, die Leyster gefordert hatte. Um ihr den Lehrling nicht wieder zurückschicken zu müssen, zahle Frans Hals weitere drei Gulden an die Malerin.

Judith Molenaer, die malende Ehefrau

1636 heiratete Judith Leyster den Maler Jan Miense Molenaer, mit dem sie fünf Kinder hatte. Nach ihrer Eheschließung und dem Umzug nach Amsterdam hörte Judith Leyster auf in ihrem eigenen Namen zu arbeiten. Das Paar hoffe, in Amsterdam bessere Aufträge zu erhalten und blieb für elf Jahre in der Stadt, bevor es in die Umgebung von Haarlem zurückkehrte. Nach ihrer Eheschließung verschwand die „Marke Judith Leyster“ hinter der ihres Ehemanns. Die Malerin war weiterhin als Malerin tätig bzw. könnte gemeinsam mit ihrem Ehemann an Bildern gearbeitet haben. In den letzten Jahren gelang es, einige späte Werke wiederzuentdecken und zuzuschreiben. Zu nennen sind hier zwei Illustrationen in einem Buch über Tulpen (1643), ein Porträt (1652) und ein Stillleben (1654) in einer Privatsammlung.

Leyster – Leitstern

„Da gibt es auch viele Frauen, die in der Malerei erfahren und bis heute berühmt sind, die es auch mit Männern aufnehmen können, von denen wird vor allem Judith Leyster genannt, ein wirklicher Leitstern in der Kunst, von dem sie auch den Namen trägt, die Hausfrau von Molenaer, der auch ein berühmter Malers ist, in Haarlem geboren und zu Amsterdam bekannt.“ (Theodorus Schrevelius, Harlemias, 1647)

Schrevelius bezieht sich in seinem Kommentar auf den Familiennamen der unverheirateten Leyster [Lodestar], der übersetzt „Leitstern“ lautet. Die Malerin monogrammierte ihre Kunstwerke daher mit „JL*“.

Judith Leyster starb am 10. Februar 1660 im Alter von 50 Jahren.

Judith Leyster: Bilder

  • Judith Leyster, Selbstporträt, um 1630 oder 1633, Öl/Lw, 74.6 x 65.1 cm (National Gallery of Art, Washington)
  • Judith Leyster, Die Serenade, 1629, Öl/Lw, 45,5 × 35cm(Rijksmuseum, Amsterdam)
  • Judith Leyster, Der Vorschlag, 1631, Öl/Holz (Mauritshuis, Den Haag)

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