Matthias Herrmanns „Textpieces“ (1996–1998) zählen zu den interessantesten Auseinandersetzungen mit Körper, Geschlecht und Kunsttheorie in der österreichischen Kunst der späten 1990er Jahre. Herrmann nutzte für seine inszenierten Fotografien den eigenen Körper in Verbindung mit sinnträchtigen Zitaten. Das omnipräsente Stativ diente ihm dazu, das Gemachte der Fotografie zu thematisieren. Dass der ausgebildete Balletttänzer Herrmann seinen Körper als Mittel, Werkzeug sieht und sich von jeglicher Form eines Selbstporträts distanziert, mag mit seiner ersten Berufswahl zu tun haben.
Österreich | Wien: Galerie Steinek
24.10. – 14.12.2018
TALK Matthias Herrmann & Adrian Kowanz: Mi., 21.11.2018, 18:30
Eröffnung: Fr., 23.10.2018, 19:00
Wie er in einem Gespräch mit Adrian Kowanz im Mai dieses Jahres betonte, ging es ihm nie um das Selbst, sondern immer um die Persona, die gesellschaftliche Rolle. Im Fall von Herrmann dient diese allerdings nicht der sozialen Anpassung, da der Künstler vielleicht sogar der erste offen homosexuelle Kunstschaffende Österreichs war. Lange vor Gender-, Gay- und Queer-Studies stellte er Fragen nach Geschlecht und Gesellschaft, problematisierte das Klischee von Geschlecht und Kreativität, kritisierte den theorieschwangeren Diskurs der späten 1990er.
Wenn auch Robert Mapplethorpes Fotografien einen eminenten Einfluss auf den Künstler ausübte, so hütete sich Matthias Herrmann doch immer davor so „schöne“ Bilder zu machen wie der Amerikaner. Die Nachfolge der Picture-Generation und teils Vertreter der amerikanischen Appropriation Art – wie Sherrie Levine, Louise Lawler (→ Louise Lawler. She’s Here), James Welling, Richard Prince – zählten zu den weiteren Referenzkünstlern, auf deren künstlerische Untersuchungen Herrmann aufbaute. Er eignete sich die in den „Textpieces“ sichtbaren Zitate an und kommentiert sie auch mit einem belustigten Blick (Stichwort überzeichnete Rollen). Hierbei spielt für den im Atelier immer allein Arbeitenden der Arbeitsprozess eine bedeutende Rolle: „Auch im Kunstmachen entwickelt man Kunst – das war immer mein Ansatz“, entlockte ihm Adrian Kowanz jüngst. In Peter Weiermair und der Galeristin Karin Schorm fand er schon in den frühen 1990ern wichtige Unterstützer seiner Kunst. Mit dieser Vergangenheit im Rückspiegel hat sich Matthias Herrmann in den letzten Jahren von seinem Körper weg und der gebauten Umgebung zugewandt. 2018 eine neue Edition seiner „Textpieces“ aufzulegen, folgt einerseits der Idee einer Geschichtswerdung dieser bereits zwanzig Jahre zurückliegenden Phase (in der MUSA-Ausstellung zu den 90er Jahren war eine Arbeit aus der Serie zu sehen: Kunst in Wien der 90er) und zum anderen einem kritischen Blick auf die eigene Vergangenheit.
4.12.1963 Matthias Herrmann wurde in München, Deutschland, geboren.
Ausbildung zum Balletttänzer an der Heinz Bosl-Stiftung für Tanz in München.
1986–1988 Tänzer an der Staatsoper Wien
1989–1993 Studium an der Hochschule für angewandte Kunst Wien in der Klasse von Ernst Caramelle, Assistentin Brigitte Kowanz
1993 Erste Ausstellung in der Wiener Secession
1999–2007 Matthias Herrmann war Präsident der Wiener Secession
2003–2011 Professur für „Kunst und Fotografie“ an der Wiener Akademie der bildenden Künste
2005 Herrmann erhielt den Preis der Stadt Wien für Bildende Kunst
2013 Otto Breicha-Preis für Fotokunst; in den Unirat der Akademie der bildenden Künste gewählt.
Er lebt und arbeitet in Wien, Österreich, und Riparbella, Italien