Louise Lawler, CS #204, Detail, 1990, Cibachrome © Courtesy Louise Lawler und Metro Pictures, New York / SAMMLUNG VERBUND, Wien
Louise Lawler (* 1947) macht seit nahezu vier Jahrzehnten Kunst über Kunst. Ihre Fotografien zeigen Kunstwerke anderer, meist berühmter männlicher Kollegen, in unterschiedlichsten Kontexten. Ab wann wird ein Objekt zum Kunstwerk? Welche unterschiedlichen Inszenierungsstrategien werden angewandt? Das Kunstwerk, so zeigt sich die Künstlerin überzeugt, wird nicht allein durch den schöpferischen Akt hervorgebracht, sondern durch den Kontext und durch Bedeutungszuschreibungen. Sicherheitsvorrichtungen, Beschriftungstafeln, Nachbarschaften gehören zu den unsichtbaren, weil meist unreflektierten Begleitern der Kunst. In den letzten Jahren verarbeitet die New Yorker Künstlerin ihre eigenen Aufnahmen – und gibt diese Arbeit an den „Traces“ an den Illustrator Jon Buller ab. Sie möchte die Aufmerksamkeit auf die Werke lenken und nicht auf ihre Person.
Österreich | Wien: Verbund AG, Vertikale Galerie
15.11.2018 – 22.5.2019
Louise Lawler agiert im Ausstellungsmarkt eher unkonventionell – und so erscheint Lawler-Buch ihr Name erst in der zweiten Zeile, gemeinsam mit jenem der Sammlung Verbund. Deren Ankaufspolitik öffentlich zu machen, war ihre Prämisse überhaupt einer Einzelausstellung zuzustimmen. Gabriele Schor, Gründerin und Leiterin der Sammlung Verbund, präsentiert die seit 2004 angekauften Werke, welche die Sammlung Verbund zur größten Lawler-Sammlung sowohl in Europa wie auch den USA macht. „Selected and Related“, der Titel der Publikation, verweist auf die Auswahl der Schau. Mit 27 Arbeiten führt sie in das Werk der heute 72-jährigen ein, wobei geliehene „verwandte“ Werke den Sammlungsbestand erweitern.
Schwarz-Weiß Aufnahmen aus der Mitte der 1980er Jahre zeigen antike Skulpturen und Gipsabgüsse davon in engen Depots. Lasziv räkelt sich der Barberini Faun unter einer Glühbirne, sie zielen mit Pfeil und Bogen plötzlich aufeinander oder scheinen gar von der Plastikfolie gefangen zu sein. Kunst im Depot findet interessante Nachbarschaften, die fern eines kunsthistorischen oder stilistischen Narrativs funktionieren. Mit Fotografien wie diesen gelang Louise Lawler, die sich früh für die Präsentation von Kunst in Galerien interessierte und konzeptuelle Arbeiten schuf, ins Blickfeld jener, die den boomenden Kunstmarkt der 1980er Jahre kritisch befragten.
Gleichzeitig wandte die New Yorker Künstlerin ihren Blick auf Museumswände. Viele entstand, wie sie im Gespräch betont, zufällig und aus dem Bauch heraus, was der starken konzeptuellen Basis ihrer Kunst zuwiderlaufen scheint. Nun waren es Wandbespannungen, Bilderrahmen, Objektbeschriftungen, die Hängung, die als wertzuschreibende Faktoren analysiert wurden. Die Galerie als Hort der Kunst entpuppt sich vielfach als Ort des Lesens, garantiert doch erst die Beschriftung – allen voran Künstlername (nahezu 100% männlich) und Titel – die Einordnung in einen Kontext. Oder anders gefragt: Wird ein Bild erst zu einem Meisterwerk, wenn es von einer berühmten Person geschaffen worden ist?
Dass Aufnahmen von Sol Lewitts Wandzeichnung mit „Sun/Sol“ (2004/2007), „Grau“, deren Installationsansicht wiederum als „No Official Estimate“ (2004/2007) betitelt wurden, lässt schmunzeln. Subtiler Humor ist den Fotografien von Lawler eigen. Obschon viele der von Louise Lawler gleichsam in unvorteilhaften Posen fotografierten Kunstwerke von Kollegen stammen, die sich das Beschneiden und Überdrucken ihrer Arbeiten verbieten, regt sich kaum Widerstand von dieser Seite. Häufig tauchen Werke der Pop Art Künstler auf, allen voran Andy Warhols berühmte Siebdrucke in Auktionshäusern und Privatsammlungen. Warhol, der sich zeitlebens als kommerzieller Künstler gesehen und dem Unikat den Kampf angesagt hat, ist heute ein „blue chip“. Ist es schicklich eine Konservendose Warhols über eine Steckdose zu hängen? Haben Sie gewusst, wie ein Gemälde von Gerhard Richter auf der Rückseite aussieht? Bevor die Preziosen an der Wand der betuchten Klientel landen – und dort mit Kunst und Design aus unterschiedlichsten Kontexten zusammentrifft – wird sie gehandelt, gefahren, gesichert. Zum einen entstehen diese Bilder aus einer kritischen Distanz, zum anderen bestätigen sie den aktuellen Kanon von Kunstgeschichtsschreibung und Kunstmarkt. In der Ausstellung der Sammlung Verbund fällt dies besonders am Fehlen weiblichen Kunstschaffens auf. Einzig Cindy Sherman ist als Protagonistin ihrer inszenierten Fotografien deutlich auszumachen.
Die jüngst erworbene Arbeit von Louise Lawler zeigen, dass die Künstlerin seit einigen Jahren ihre Fotografien weiterbearbeitet. Die Serie „Adjust to Fit“ ist mit zwei Aufnahmen in der Schau vertreten. Im Atrium klebt ein Ausblick auf die Skyline von New York an der Wand. Tanzende oder fallende Männer von Robert Longo begleiten die Architektur. „Formica (adjusted to fit, distorted fort he times, slippery slope 4)” (2011/2012/2015/2018) bringt ein Bild in Schwingung. Im Sommer 2018 war es in der von Anthony Hubmann kuratierten Gruppenausstellung in der Wiener Secession in einer weniger verzerrten Version bereits zu sehen gewesen. Die Trump-Regierung zieht der Künstlerin gleichsam den Boden unter den Füßen weg und versetzt das Bild in Schwingung. Waren in der Secession noch mit viel Fantasie eine weiße Abstraktion von Agnes Martin, ein Objekt von Richard Artschwager und das Gebäude von Renzo Piano auszumachen, so verhindert die neuerliche Bearbeitung des digitalen Bildes jegliches Wiedererkennen.
Wie schwierig es sein kann, von einer Fotografie eine Zeichnung anzufertigen, hat Louise Lawler mit der Serie „Traced“ selbst erfahren. Auf die Idee brachte sie ein Vortrag von John Rewall, der ein beschnittenes Gemälde mit Hilfe einer Zeichnung rekonstruierte. Für Louise Lawler stellte, wie sie erzählte, der Cartoon zur Vermittlung von Kunst ein interessantes Konzept dar, dessen sie sich bedienen wollte. Schnell musste sie jedoch erkennen, dass es gar nicht so leicht ist, ihre eigenen Fotografien nachzuzeichnen. Immerhin steht man kontinuierlich vor der Frage, welche Auswahl an Informationen getroffen werden sollt. Seither bedient sie sich des Kinderbuchillustrators Jon Buller, um die Fotografien nachzeichnen zu lassen. Der Unterschied zu den Aufnahmen kann enorm sein, ein sich bewegender Schuh zur optischen Herausforderung werden und das Objektschild, das an der Museumswand elegant zurücktritt, zum bildbestimmenden Element. Was ein Kunstwerk oder ein Fenster ist, lässt sich genauso wenig feststellen. Farblosigkeit und Reduktion produzieren unhierarchische Formen, deren Zusammenhang häufig nur schwer zu entschlüsseln sind.
Gestaltete Räume im privaten, ökonomischen wie privaten Sektor abzufotografieren, öffnet dem Publikum eine Schlüssellochperspektive. Diese kann unterhaltsam, kritisch-reflexiv, analytisch sein. Im Gegensatz zu Thomas Struths Museumsbildern schließt Louise Lawler jedoch Menschen aus diesen Räumen aus. Sie fungieren als Stellvertreter. Die Macher werden repräsentiert, dekonstruiert – und gleichzeitig wieder bestätigt.
Kuratiert von Gabriele Schor.