Die Ausstellung widmet sich den bahnbrechenden Neuerungen der venezianischen Malerei der Renaissance (→ Renaissance Malerei in Venedig), die bis weit in die europäische Moderne nachwirkten. Sie vereint 15 Meisterwerke der Münchner Sammlung mit rund 70 internationalen Leihgaben und konzentriert sich dabei auf Porträts und Landschaften aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Denn hier treten die Charakteristika und Errungenschaften der in Venedig florierenden Malkunst deutlich hervor.
Deutschland | München:
Alte Pinakothek, Erdgeschoss West
27.10.2023 – 4.2.2024
Die führenden Meister ergründeten das Wesen von Mensch und Natur – auch in deren Relation zueinander – mit einer nie dagewesenen Intensität. So erklärt sich die Anziehungskraft wie Relevanz ihrer Bildnisse und Landschaftsdarstellungen. Die Gemälde werden in der Ausstellung hinsichtlich ihrer Entstehungszusammenhänge und zeitgenössischen Lesarten befragt – in thematischen Gruppen ebenso wie in Gegenüberstellungen mit Zeichnungen und Skulpturen.
Der einfühlsamen Darstellung von Mensch und Natur galt die besondere Aufmerksamkeit der führenden Maler von Giovanni Bellini über Giorgione, Palma il Vecchio und Lorenzo Lotto bis zu Tizian, Jacopo Tintoretto und Sebastiano del Piombo: Ihre subtilen Darstellungen individueller Persönlichkeiten changieren zwischen Real- und Idealbildnis, zwischen repräsentativen und lyrischen Porträt, und ihre stimmungsvollen Landschaften etablierten sich schnell als eigenständiges Bildthema. Ermöglicht wurden diese Innovationen durch eine günstige Konstellation einander vertrauter Künstler und Auftraggeber, die über ein hohes Maß an Sensibilität und Offenheit verfügten.
Mit rund 85 Meisterwerken – 15 Spitzenstücke der Münchner Sammlung erstmals vereint mit ca. 70 internationalen Leihgaben – macht die Ausstellung 2023/24 bahnbrechende, bis weit in die Moderne nachwirkende Entwicklungen der venezianischen Malerei erfahrbar.
Kriege und Epidemien sowie auch die Entdeckung neuer Seewege bedrohten zu Beginn des 16. Jahrhunderts den Wohlstand der See- und Handelsmacht Venedig. Doch auf dem Fundament der vielseitigen kulturellen Traditionen der Stadt und dank deren humanistischer Prägung setzte sich ihre künstlerische Blüte fort. In enger Verbundenheit mit ihren Mäzen:innen schufen die führenden Künstler:innen subtile Darstellungen individueller Persönlichkeiten, die zwischen Real- und Idealbildnis, zwischen repräsentativem und lyrischem Porträt changieren. Ebenso erfolgreich und im Wettstreit mit der Poesie malten sie atmosphärische Landschaftsansichten, die sich bald als eigenständiges Bildthema etablierten.
Mit ihren innovativen Bildfindungen entsprachen die in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts tätigen Künstler:innen den Wünschen ihrer Auftraggeber:innen – deren Sehnsucht nach Muße und Schönheit, nach Liebe und Erkenntnis. Die sanfte Revolution der venezianischen Malerei macht das Selbstverständnis der damaligen kulturellen Eliten bis heute gegenwärtig. Ihre Schöpfungen laden zu einer Zeitreise ein und rufen Themen auf, die von ungebrochener Relevanz sind.
Um 1500 war das autonome Porträt, das den einzelnen Menschen zum alleinigen Gegenstand der Darstellung macht, fest in der venezianischen Kunst verankert und wurde vor allem nach nordalpinen Vorbildern weiterentwickelt. Mit Giorgiones revolutionärem Schaffen entstanden dann neue Bildnistypen, die lebensnah oder idealisierend die äußere wie innere Bewegung der Porträtierten einfangen. Zahlreiche männliche Porträts aus dem Zeitraum 1505 bis 1530 dokumentieren den Wandel vom vordergründigen Abbild hin zu einer stärker psychologisch motivierten Erfassung des Menschen. Vor allem Tizian richtete seinen Blick nicht nur auf den gesellschaftlichen Status, sondern auf den Charakter seines Gegenübers. Als Inbegriff des venezianischen Frauenporträts gelten die rätselhaften belle donne, die dem petrarkistischen Schönheitsideal entsprechen, zugleich aber Individualität und Lebensnähe zeigen. Die daraus resultierende Mehrdeutigkeit trägt zu ihrem besonderen Reiz bei.
In weiten imaginären Landschaftsräumen präsentieren Giovanni Bellini und die seinem Vorbild folgenden Maler:innen die Figuren ihrer Andachtsbilder – inspiriert von nordalpiner Tafelmalerei und Druckgraphik. Die Ausblicke in die Natur sind dabei mehr als schmückender Hintergrund: Sie transportieren Bedeutungen und Stimmungen, regen zum assoziativen Schauen und kontemplativen Nachsinnen an. Neben den Andachtsbildern boten allegorische oder mythologische Darstellungen Gelegenheit, Landschaftsmotive in Szene zu setzen. Poetische von Hirten und Nymphen bewohnte Idyllen, die im Medium der Zeichnung und Druckgraphik weite Verbreitung fanden, erklären sich aus der in Venedig kultivierten Sehnsucht nach arkadischen Gegenwelten. Die humanistischen Zirkel, in denen mit Giorgione, Tizian und Sebastiano del Piombo auch die Protagonisten der neuen Landschaftsmalerei verkehrten, pflegten ein intensives Interesse an der antiken wie zeitgenössischen Hirtendichtung.
Giovanni Bellini | Marco Basaiti | Paris Bordone | Giulio und Domenico Campagnola | Giovanni Cariani | Vincenzo Catena | Giovanni Battista Cima da Conegliano | Giorgione | Bernardino Licino | Lorenzo Lotto | Sebastiano del Piombo | Andrea Previtali | Giovanni Girolamo Savoldo | Tintoretto | Tizian | Bartolomeo Veneto | Palma il Vecchio u. a.
Quelle: Alte Pinakothek München
Andreas Schumacher (Hg.)
mit Beiträgen von T. Gatarski, J. Grave, C. Henry, H. Kaap, A. Kranz, A. Mazzotta, J. Pawis, A. Schumacher, C. Whistler.
256 Seiten und 160 Abbildungen, 21,5 x 26,5 cm, Klappenbroschur
ISBN 978-3-7774-4174-0 (dt.)
ISBN 978-3-7774-4176-4 (engl.)
Hirmer Verlag