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Wien | Albertina: Michelangelo und die Folgen Körper und Affekte | 2023

Michelangelo, Studien für einen sitzenden Männerakt (Ignudo), Detail, 1508–1512, Rote Kreide, Blatt 26.8 x 18.8 cm (Graphische Sammlung Albertina, Wien, 120 SL.6.2017.46.5)

Michelangelo, Studien für einen sitzenden Männerakt (Ignudo), Detail, 1508–1512, Rote Kreide, Blatt 26.8 x 18.8 cm (Graphische Sammlung Albertina, Wien, 120 SL.6.2017.46.5)

Die Herbstausstellung 2023 in der Albertina ist dem großen Meister der Renaissance, Michelangelo Buonarroti, und seinem weitreichenden Einfluss in der Kunstgeschichte gewidmet. Michelangelo, einer der Hauptmeister der Renaissance, und die Wiedergabe des menschlichen Aktes stehen im Zentrum dieser großen Ausstellung. Die Kunst des Zeichners, Malers und Bildhauers Michelangelo Buonarroti fasziniert vor allem durch die Kraft und Monumentalität der von ihm dargestellten Körper: Sie sind voller Energie und erfüllt von heftigen Emotionen, transportieren aber auch innere Spannungen und Konflikte.

Wie kein Anderer steht Michelangelo stellvertretend für das neue Körperverständnis der italienischen Renaissance: Die Wiederentdeckung des Körperideals der römisch-griechischen Antike führt zu bahnbrechenden Neuerungen bei der Darstellung der menschlichen Anatomie, von Proportion, Umriss und Volumen, von Verkürzung, Überschneidung und Bewegung. In den Ateliers und Kunstakademien wird das Studium des – zunächst nur männlichen – nackten Körpers zur Grundlage der Ausbildung. Michelangelos zutiefst beseelten Figuren bringen aber Spannungen und inneren Qualen und Konflikte zum Ausdruck. Michelangelo vor allem mit seinen Akten ein neues Figurenideal, das nicht nur die Künstler:innen seiner Zeit beeinflusste, sondern auch auf nachfolgende Jahrhunderte gewirkt hat.

Michelangelo selbst zeichnete kaum eine nackte Frau, sondern verlieh männlichen Körpern eine feminine Anmutung. Erst allmählich ersetzt auch beim weiblichen Akt der Blick auf die Natur das Antikenstudium. Michelangelos neues Figurenideal, seine Kraft des Ausdrucks sowie sein Streben nach Schönheit und Perfektion inspirierten nicht nur Künstler aus seinem unmittelbaren Umkreis, sondern auch nachfolgende Generationen.

Michelangelo und die Folgen in der Albertina 2023

Die Ausstellung zeigt die Wiederentdeckung des antiken römisch-griechischen Körperideals zu Michelangelos Lebzeiten und die revolutionären Fortschritte in der Darstellung der menschlichen Anatomie. Neben Michelangelo werden Raffael, Dürer, Rembrandt van Rijn, Anton Raphael Mengs, Peter Paul Rubens, François Boucher, Gustav Klimt und Egon Schiele präsentiert, die jeweils ihre eigene Auffassung des Körpers erarbeiten, sei es durch Nachahmung, Weiterentwicklung oder vehementer Ablehnung des Ideals von Michelangelo.

Mit einer höchstkarätigen Werkauswahl vom 15. bis ins 21. Jahrhundert zeichnet die Ausstellung anhand unterschiedlichster Themenbereiche die vielen Möglichkeiten zur Auslotung des menschlichen Aktes nach. Von den eindrucksvollen Zeichnungen Michelangelos und seines Kreises aus der ALBERTINA spannt sich der Bogen über das biblische erste Menschenpaar Adam und Eva und den gemarterten Jesus Christus zu antiken Helden und Göttern, von Anatomie- und Atelierstudien über mathematisch konstruierte Idealkörper und deren Gegenentwürfe bis zu sinnlichen Frauenfiguren und zur Neuinterpretation des Aktes in der Moderne.

Gezeigt werden Zeichnungen, Druckgrafiken und Skulpturen, die die Darstellung des idealen Körpers im Laufe der Jahrhunderte untersuchen. Schlüsselwerke von Michelangelo, darunter Zeichnungen, die im Zusammenhang mit dem unausgeführten Fresko „Die Schlacht von Cascina“ entstanden sind, sowie berühmte Darstellungen wie der „Sitzende Jünglingsakt“ und Zeichnungen aus der Sixtinischen Kapelle sind zu sehen. Raffaels Aktdarstellungen in Rötel und Dürers akribische Messungen, die einem anderen Regelwerk folgen als jenes von Michelangelo, werden ebenfalls präsentiert. Rembrandts ungeschönte naturalistische Körper sowie die Bronzestatue des Herkules Farnese, die einen unabhängig entwickelten Körpertypus repräsentiert, werden zu sehen sein. Mit dem Thema „Die Rückseite des Mondes“ wird die Darstellung des nackten weiblichen Körpers eigens beleuchtet.

Die Ausstellung endet mit Werken von Klimt und Schiele, die den Verfall des Kanons markieren. Insgesamt spannt die Ausstellung einen Bogen von den frühen Werken Michelangelos bis zu den Werken der Künstler des frühen 20. Jahrhunderts. Sie zeigt die Aufnahme, Weiterentwicklung und letztendlichen Verfall des idealen Körpers Michelangelos.

Kuratiert von Achim Gnann, Constanze Johanna Malissa, Eva Michel, Martina Pippal und Klaus Albrecht Schröder;
assistiert von Lydia Eder
Quelle: Albertina, Wien

ausgestellte Künstler

Antonio del Pollaiuolo | Cristofano Robetta | Michelangelo | Massimiliano Soldani Benzi | Giovanni Francesco Susini | Raffael | Rosso Fiorentino | Ugo da Carpi | Domenico Beccafumi | Baccio Bandinelli | Francesco Salviati | Daniele da Volterra | Nicolò dell’Abate | Jacopo Tintoretto | Abraham Bloemaert | Cornelis Cornelisz. van Haarlem | Paolo Farinato | Adrian de Vries | Antonio Susini | Jan Harmensz. Muller | Albrecht Dürer | Hendrick Goltzius | Peter Paul Rubens | Anton Raphael Mengs | Französischer Künstler (nach Guido Reni) | Rembrandt Harmensz. van Rijn | Agostino Carracci | Annibale Carracci | Pompeo Girolamo Batoni | Joseph Walter | Jacob Matthias Schmutzer | Francesco Bartolozzi | Johann Peter Pichler | Giovanni Battista Casanova | Pisanello | Hans Baldung Grien | Cecil van Haanen | Charles André van Loo | August Xaver Karl von Pettenkofen | Ambroise Gallé | Francesco Francia | Hans von Aachen | George Grosz | Giambattista Piazzetta | François Boucher | Bartholomäus Spranger | Charles-Joseph Natoire | Gustav Klimt | Egon Schiele

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