Adrian de Vries

Wer war Adrian de Vries?

Adrian de Vries (Den Haag um 1545 oder 1556 – vor dem 15.12.1626 Prag) war ein niederländischer Bildhauer des Manierismus, der auf Bronzeskulpturen spezialisiert war. Die Souveränität seiner Gestaltung, gepaart mit seiner perfekten Gusstechnik, durch Kaltarbeit und transparente Lackpatina delikat ausgefeilten Oberflächen, machte ihn zu einem der bedeutendsten Bildhauer der Kunstgeschichte.

Kindheit und Ausbildung

Adrian de Vries wurde um 1545 oder 1556 in Den Haag geboren.

Seine Ausbildung erhielt er eventuell bei dem niederländischen Bildhauer Willem van Tetrode (um 1525 – nach 1588).

Italien

Adrian de Vries arbeitete zwischen 1581 und 1586 in der Werkstatt des Florentiner Bildhauers Giovanni da Bologna, genannt Giambologna. Dessen Skulpturen entsprechen dem Ideal der manieristischen „figura serpentinata“. Neben de Vries ist 1581 auch noch Hubert Gerhard (1545/50–1620) im höfischen Umfeld nachweisbar.

Drei der Tugenden und einige der Putten für Giambolognas Grimaldi-Kapelle in San Francesco di Castelletto, Genua (1579), wurden Adriaen de Vries zugeschrieben. In seinen frühen Arbeiten war Adriaen de Vries stark geprägt von Giambologne, allerdings versuchte er bald diesen in der Art der „imitatio und aemulatio“ zu übertreffen und emanzipierte sich schließlich immer mehr von seinem Lehrer. Dies äußerte sich in seiner bevorzugten Technik des direkten Bronzegusses (auch: Guss mit verlorener Form), besonders seiner im Laufe seines Lebens immer freier werdenden Oberflächenmodellierung des für das Modell verwendeten Wachses und zudem sparsamer verwendeten nachträglichen Ziselierungen.

De Vries wurde 1586 zum Assistenten des Bildhauers Pompeo Leoni (1533–1608) in Mailand berufen. Er unterstützte Pompeo, den Sohn des kränklichen Leone Leoni, und folgte ihm er als Meister eines der größten Bronzegussateliers Italiens nach. Adrian de Vries lieferte drei heldenhafte Heilige für Leonis Hochaltar in der Basilika San Lorenzo im Escorial.

Dieses Engagement führte zu seiner kurzen Ernennung Adrian de Vries‘ zum Hofbildhauer von Philipps II. Schwiegersohn Karl Emanuel I., Herzog von Savoyen in Turin. Zwischen 1589 und 1594 arbeitete de Vries erstmals in Prag und fertigte Büsten und Reliefs für Kaiser Rudolf II. an. Diese Skulpturen befinden sich heute in Wien und im Victoria and Albert Museum, das eine Büste von Rudolf im Flachrelief besitzt. Er verließ Prag 1594 für einen Studienaufenthalt in Rom.

Augsburg

Auf seiner Rückkehr durch Deutschland schuf er 1596 für die Stadt Augsburg zwei Brunnen, den Merkur- und Herkules- sowie den Hydra-Brunnen, die heute noch in der Maximilianstraße zu sehen sind. Die Zusammenarbeit mit dem Gießer Wolfgang Neidhardt erstreckte sich von 1599 bis 1602.

Kammerbildhauer in Prag

1593 schuf er erste Arbeiten für Kaiser Rudolf II. (1552–1612), die Bronzeplastiken „Merkur und Psyche“ sowie „Psyche von Putten getragen“.

1601 wurde de Vries endgültig als kaiserlicher Kammerbildhauer an den Hof Rudolfs nach Prag berufen, wo der Kaiser bis zu seinem Tod 1612 residierte. Dort schuf er u. a. eine Bildnisbüste des Kaisers (1603) und z. T. eher kleinformatige Arbeiten für die Kunstkammer auf dem Hradschin. Während seiner Tätigkeit als Hofbildhauer wurde er durch seine Prager Künstlerkollegen, v. a. Hans von Aachen, Bartholomäus Spranger und Paulus van Vianen, beeinflusst, sodass sich Adrian de Vries zeitweilig einen in dieser Umgebung gängigen, von Schlankheit und Eleganz geprägten Figurentypus aneignete. Bemerkenswert ist, dass er selbst großformatige, komplizierte und aus mehreren Figuren bestehende Bronzegruppen im direkten Verfahren und darüber hinaus in einem Stück zu gießen pflegte.

Während eines hypothetischen Aufenthalts in Rom im Jahr 1604 hat Adrian de Vries einen „Christus an der Säule“ gegossen, ein Herzstück des Grabmals von Adam von Hannewaldt in der Dreifaltigkeitskirche in Rothsürben (Żórawina, heute: Nationalmuseum in Warschau). Es wurde als Teil einer fünfteiligen Gruppe der Geißelung Christi konzipiert.

Die Dienste dieses Künstlers in Anspruch zu nehmen, blieb lediglich höheren Hofbeamten aus der unmittelbaren Umgebung des Kaisers vorbehalten. Bereits Im Jahr 1600 war Karl I. von Liechtenstein (1569–1627) von Kaiser Rudolf II. als Obersthofmeister nach Prag berufen worden (bis Herbst 1607). In dieser Position war Karl auch für die Kunstsammlungen des Kaisers und die Künstler verantwortlich. Der Fürst beauftragte 1607 bei Adrian de Vries, die Figur des „Christus im Elend“ (1607) und wenige Jahre später auch den ebenso monumentalen „Heiligen Sebastian“ (um 1613/14) für seine eigenen Sammlungen. Die Komposition des „Christus im Elend“ mit übergeschlagenen Beinen basiert auf einem Werk von Albrecht Dürer, dem Titelblatt der „Großen Passion“ mit dem Schmerzensmann (1511), was die Plastik zu einem bedeutenden Werk der Dürer-Renaissance macht. Die monumentale Plastik ermöglichte de Vries den athletischen Körper Jesu deutlicher zu thematisieren. Darin zeigt sich die Auseinandersetzung des Niederländers mit der Kunst Michelangelo Buonarroti|s (1475–1564). Der „Heilige Sebastian“ wurde wenig später ebenfalls für Fürst Liechtenstein gefertigt; die ursprüngliche Aufstellung der Skulptur ist allerdings nicht überliefert. Der Bildhauer widmet sich nicht den körperlichen Leid, sondern den seelischen Schmerzen kurz vor dem Martyrium des Heiligen – und wendet sich bereits den Stilelementen des Frühbarock zu: Dazu gehört eine gewisse Großzügigkeit in der Modellierung wie man am muskulösen Körpers sehen kann. Dieser steht im Kontrast zu den detaillierten, scharf gezeichneten Pflanzen- und Blütenranken. Seit 1810 werden beide Plastiken im Gartenpalais Liechtenstein, Wien, ausgestellt.

Ein weiterer Auftraggeber von Adrian de Vries war Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Lüneburg (1564–1613). Das Reiterporträt des Herrschers zeigt ihn auf einem steigenden Pferd (um 1605, Herzog Anton Ulrich-Museum, Kunstmuseum der 3Landesmuseen Braunschweig). Das Tier muss sein Gewicht auf den Hinterbeinen stehend balancieren, womit der Bildhauer seine technischen Fertigkeiten demonstrieren konnte. Ein Stich von Aegidius Sadeler (um 1570–1629) nach de Vries zeigt, dass sich der Bildhauer bereits um 1603 mit der Pose des Pferdes auseinandergesetzt hatte, allerdings in einer Darstellung mit Kaiser Rudolf II. als Reiter.

Nach dem Tod des Kaisers 1612 blieb Adrian de Vries in Prag, wo er Aufträge unter anderem für Kaiser Matthias, Fürst Ernst von Schaumburg-Holstein, König Christian IV. von Dänemark und Albrecht von Wallenstein ausführte.

Adrian de Vries im Palais Waldstein

Die im Auftrag Wallensteins für den Garten seines Prager Palais Waldstein geschaffenen Spätwerke waren dort ursprünglich als Brunnen geplant, kamen dann aber entlang einer Achse vor der Loggia zur Aufstellung. Die Bronzefiguren sind selbstbewusste Interpretationen klassischer Vorbilder des Belvederegartens im Vatikan. In seinen expressiv gestalteten Spätwerken, die z. T. nach seinem Tode auch von seinen Gehilfen vollendet wurden, wie er es in seinem Testament ausdrücklich gewünscht hatte, erreichte er die Schwelle zum Frühbarock. Die die Skulpturen am Ende des Dreißigjährigen Krieges nach Schweden verschleppt wurden, wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts Abgüsse aufgestellt.

Tod

Adrian de Vries starb vor dem 15. Dezember 1626 in Prag.

Nachruhm

Sämtliche Figuren de Vries’ wurden gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges im Jahr 1648 bei der Plünderung Prags durch schwedische Truppen als Kriegsbeute nach Stockholm verbracht und befinden sich heute im Garten des königlichen Schlosses Drottningholm (und teilweise im dort eingerichteten Adriaen-de-Vries-Museum, seit 2001). Nur die „Venus“ kehrte 1889 nach Prag zurück und befindet sich seither in der Prager Burggalerie. Im Garten des Waldsteinpalais wurden Anfang des 20. Jahrhunderts Abgüsse der originalen Skulpturen aufgestellt.

Ähnlich erging es einer großen Brunnengruppe für den Neptunbrunnen vor dem königlich dänischen Schloss Frederiksborg, die Christian IV. in Auftrag gegeben hatte. Bei einer schwedischen Besetzung wurde der Brunnen 1659 von schwedischen Truppen abgebrochen, Teile gelangten nach Stockholm. 1888 erfolgte in Frederiksborg eine phantasievolle, aber historisch ungenaue Rekonstruktion des Brunnens.

Literatur zu Adrian de Vries

  • Gegossen für die Ewigkeit. Die Bronzen der Fürsten von Liechtenstein (Ausst.-Kat. Gartenpalais Liechtenstein, Wien, 1.3.–31.3.2023), Wien 2023.
  • Lars Olof Larsson, Adrian de Vries. Adrianvs Fries Hagiensis Batavus 1545–1626, Wien–München 1967.