Die Albertina präsentiert im Frühjahr und Corona-bedingt im Herbst 2020 eine repräsentative Auswahl an Werken der Schweizer Sammlung Hahnloser.
Die Sammlung Hahnloser, zwischen 1905 und 1936 zusammengetragen von Arthur Hahnloser und dessen Ehefrau Hedy Hahnloser-Bühler, umfasst Werke von Pierre Bonnard, Paul Cézanne, Aristide Maillol, Henri-Charles Manguin, Albert Marquet, Henri Matisse, Odilon Redon, Henri de Toulouse-Lautrec, Vincent van Gogh und Édouard Vuillard. Die Schweizer Moderne ist durch Ferdinand Hodler, Cuno Amiet und Félix Vallotton vertreten.
Österreich | Wien: Albertina
22.2. – 24.5.2020
27.8. – 15.11.2020
Die Kunstwerke stehen für die Freundschaften des Sammlerehepaares, für das die so häufig genutzte Formel „Leben für die Kunst“ wahrhaftig zutraf. Hedy war davon überzeugt, „mit ihrer Zeit leben“ zu müssen. Daher sahen sich die Hahnloser nach der Kunst ihrer Zeit um und trugen Werke der Nabis und des Fauvismus zusammen. Bald entstanden Freundschaften zwischen den Malern und den Kunstliebhabern, die „ihre Künstler“ auch gerne in die Villa Flora in Winterthur einluden. Die Porträts der Familie und die im Schweizer Haus entstandenen Gemälde zeugen noch immer von diesen glücklichen Tagen. Zu den Meisterwerken der Sammlung Hahnloser-Bühler zählen Vallottons „Die Weiße und die Schwarze“ (1913) und „Der violette Hut“ (1907), „Spiegeleffekt (Die Wanne)“ (1909) von Bonnard, „Der Sämann“ von van Gogh, das „Porträt eines Künstlers“ von Cézanne, Matisses „Nizza, schwarzes Notizbuch“ (1918) und „Die Anemonen“ (1912) von Redon. Ende April 2014 schlossen sich die Pforten der Villa Flora nach zwanzigjähriger Ausstellungstätigkeit.1
Am Beginn ihrer Sammeltätigkeit interessierten sich Arthur und Hedy Hahnloser-Bühler für Schweizer Künstler wie Giovanni Giacometti, den Vater des Bildhauers Alberto Giacometti, und Ferdinand Hodler. Sie besuchten Giovanni Giacometti 1907 erstmals in Stampa und führten in den folgenden Jahren eine wichtige Korrespondenz mit ihm. Ab 1908 erwarben sie auch Gemälde von Felix Vallotton, der in Paris lebte und das Sammlerpaar auf weitere Maler in der französischen Metropole aufmerksam machte. Bald wurden Bonnard, Vuillard und Maillol zu den Lieblingskünstlern des Paares. Die „Nabis“, zu denen Vallotton, Bonnard, Vuillard und Maillol zwischen 1888 und etwa 1900 zählten und die sich selbst die „Propheten“ der neuen Malerei nannten, verbanden die Beobachtung der städtischen Bevölkerung mit intimen Szenen aus ihren bürgerlichen Familienleben und spirituell-religiösen Sujets. Da die Hahnloser regelmäßig nach Paris fuhren, um Galerien zu besuchen, konnten sie „ihre“ Künstler in deren Ateliers aufsuchen und Werke direkt von ihnen erwerben bzw. bei Vallotton Porträts in Auftrag geben. Noch vor dem Ersten Weltkrieg erschlossen sich die Hahnloser die Künstler des Fauvismus. In Ergänzung zu den Arbeiten der Nabis und Fauves sammelten sie auch deren Vorgänger: So fanden einige wenige, wenn auch bedeutende Werke von Vincent van Gogh, Edouard Manet, Pierre-Auguste Renoir, Paul Cézanne und Odilon Redon ihren Weg in die Sammlung Hahnloser. Zu den wichtigsten Kunsthändlern, mit denen sie arbeiteten, gehörten Eugène Druet, Bernheim-Jeune, Paul Durand-Ruel und Ambroise Vollard.
Im Jahr 1908 besuchte das Ehepaar Hahnloser erstmals Félix Vallotton (1865–1925) in dessen Pariser Atelier. Überrascht von der Kühnheit und Originalität des Künstlers, erwarben sie sofort das Gemälde „Baigneuse de face“ (1907). Das Gemälde zeigt eine nackte Frau, kniehoch im Wasser stehend. Himmel und Wasserfläche sind opak gestaltet. Das scharf von link einfallende Licht modelliert den weiblichen Körper, der wenn auch plastisch wiedergegeben doch ungeschönt zu sein scheint. Vallotton hatte die Darstellung der Frau mit präzisen Zeichnungen vorbereitet. Erst als der Frauenakt in der Villa Flora hing und Gäste sich über die unakademische und moderne Umsetzung beschwerten, fiel dem Paar die Neuartigkeit der Lösung auf.
Dennoch entstand über die Jahre eine echte Freundschaft zwischen dem Künstler und vor allem Hedy. Die kleinformatige „Baigneuse en chemise [Badende im Hemd]“ (um 1893) war ein Weihnachtsgeschenk Vallottons. Sein Mut zur Stilisierung, die geheimnisvolle Gegenüberstellung von Figuren wie in „Die Weiße und die Schwarze“, die Farbigkeit in seinen Landschaften wie „L’Estérel et la baie de Cannes [Das Estérel-Gebirge und die Bucht von Cannes]“ (1925) hinterließen einen bleibenden Eindruck bei dem Sammlerpaar aus der Schweiz. Einige Male trafen sich Félix Vallotton und die Hahnloser in Cannes, wo letztere seit 1923 ein Haus besaßen. Zwei Jahre nach dem Tod des Künstlers, dem „nabis étranger“, erwarben sie das Gemälde „Das Estérel-Gebirge und die Bucht von Cannes“ aus dem Nachlass des Künstlers vom Kunsthändler Duret in Paris. Es ist gut möglich, dass es sie an die gemeinsame Zeit in Südfrankreich erinnerte. Andere Landschaften wie „Lac Saint-James matin“ (1918) geben Orte aus der Erinnerung wieder, wobei sich der Künstler im Atelier auf Skizzen und vor allem sein Gedächtnis stützt. Diese „paysage composé“ konnte von einem stilisierten Abbild bis zur völlig frei erfundenen Phantasielandschaft reichen.2 In diesem Gemälde fasste Vallotton – und das ist für seinen Stil typisch – Pflanzen und Grünflächen zu großen, dekorativen Form- und Farbkomplexen zusammen, wodurch sie eine paradiesische Note erhält.3 In Werken wie diesen ist die „Magie des Augenblicks“ eingefangen.
Ähnlich verhält es sich mit „Le Chapeau violet [Der violette Hut]“ (1907), der Darstellung einer Frau mit titelgebender Kopfbedeckung, die sich gerade aus- oder anzieht. Wenn auch Felix Vallotton im Paris der 1910er Jahre sich nicht formalen Experimenten hingab und – im Vergleich zu Amedeo Modigliani beispielsweise – Körper organischer in Szene setzte, so löst in seinem Fall die Reduktion der Formen auf das Wesentlich zu reduzieren. Vallottons analytischer Blick auf seine Zeitgenossinnen und Zeitgenossen verstärkte die Provokation.
Im Gegenzug hatte Felix Vallotton bereits 1908 und 1909 das Ehepaar Hahnloser porträtiert. Beide Bildnisse wirken streng, sind farbig reduziert und in der Stilisierung der Figuren zugleich porträtähnlich wie modern. Im Jahr 1912 verewigte Vallotton „Die Kinder Hahnloser“, ein Bildnis von Lisa und Hans. Für die Kinder wählte Vallotton in Winterthur einen Moment, in dem sie spielten. Die rothaarige Lisa ist aktiv, Hans in schwarzer Kleidung ruhig sitzend dargestellt. Dass es sich nicht um einen x-beliebigen Haushalt im Hintergrund handelt, macht das Gemälde deutlich: Vallotton setzte sein eigenes Bild „Vue d’Honfleur, matin“ (1910) mit ein. Das diskrete Selbstzitat funktioniert wie eine Signatur. Vallotton hatte Bewohner in der Villa Flora besucht, skizziert und sie dann in seinem Pariser Atelier aus dem Gedächtnis gemalt.
Im Laufe der Jahre erwarben Arthur und Hedy Hahnloser-Bühler Werke aus allen Perioden und in verschiedenen Medien für ihre Sammlung. Félix Vallotton, der sich erst 1899 der Malerei zugewandt hatte, war in den 1890er Jahren mit Holzschnittzyklen bekannt geworden. Die Serien „Intimités [Intimes]“ (1898) und „Paris intense [Pulsierendes Paris]“ (1894) zeigen den für ihn charakteristischen Stil: extreme Flächigkeit gepaart mit einer „holzschnitthaften“, d. h. extremen schwarz-weiß Gestaltung. Zu den bekanntesten Grafiken von Félix Vallotton zählt „La paresse [Die Trägheit]“ (1896), gefolgt vom Zyklus „Intimités [Intimes]“, in dem sich Verführung, Betrug, außereheliche Liebesspiele zu einem Finale voller Melancholie steigern. Hedy Hahnloser berichtete, wie sehr Vallotton seine täglichen Spaziergänge durch die Stadt und das Beobachten der sich ständig verändernden Szenen liebte.4 In seinen Grafiken setzte er der anonymen Masse ein teils ironisches Denkmal.
Darüber hinaus schätzten die Hahnloser Vallotton auch für seine kunstsinnigen Empfehlungen. Er war es, der den Hahnloser seine Kollegen Pierre Bonnard und Edouard Vuillard empfahl. Im Gegenzug verteidigte Hedy die oftmals herausfordernden Werke des Malers, was in der Publikation der Monografie „Vallotton und seine Freunde“ (Vallotton et ses amis, 1936) gipfelte. Das Buch ist ein Vermächtnis und Denkmal für ihre gegenseitige künstlerische und menschliche Wertschätzung.
Im Jahr 1911 kauften Arthur und Hedy Hahnloser ihr erstes Gemälde von Pierre Bonnard in der Galerie von Bernheim-Jeune. Obwohl sie in den folgenden Jahren mehrere seiner Werke – Interieure, Stillleben, Figuren und Landschaften – erwerben konnten, trafen sie den Künstler erst 1916. Zur Eröffnungsausstellung des Museums reiste er nach Winterthur. Nachdem sich die Hahnloser in Cannes niedergelassen hatten, wohnten sie in der Nähe von Le Bosquet, wo Bonnard in La Cannet wohnte.
„Als meine Freunde und ich die Arbeit der Impressionisten weiterverfolgen und weiterentwickelt wollten, trachteten wir danach, sie in ihren naturalistischen Farbimpressionen zu übertreffen. Kunst ist nicht Natur. Wir waren strenger in der Komposition. Darüber hinaus gab es über die Farbe als Ausdrucksmittel bedeutend mehr herauszuholen.“5 (Pierre Bonnard 8.2.1939)
Das Sammlerehepaar begeisterte sich vor allem für die intimen Familienbilder, die durch Bonnards persönliche Umgebung inspiriert sind. „Le Thé [Der Tee]“ (1917) und „La Carafe provençale [Die provençalische Karaffe]“, aber auch „Effet de glace [Spiegeleffekt]“ (auch genannt „Le Tub [Der Badezuber]“, 1909) stehen für die poetische Subtilität von Bonnards stillen Kompositionen. Am lautesten sind hier manchmal einzelne Farbtöne wie in „Le Thé“, das über die Sammlung von Emil Hahnloser nach Winterthur gekommen ist. Der blaue Hut der Rückenfigur lenkt nahezu von den weiteren vier Damen ab.
Wenn er auch in den Landschaften die Beschäftigung der Impressionisten mit dem Sonnenlicht nachspürte, so lehnte er den Einsatz der traditionellen Perspektive zugunsten einer rein flächigen Gestaltung der Komposition ab. Raum war für Bonnard so darstellungswürdig, wie man ihn beim ersten Betreten sieht: Alles ist gleich wichtig, es gibt noch keine Raumordnung. Anregung dafür fanden Bonnard und die Nabis bei den japanischen Farbholzschnitten, die sie sammelten (→ Monet, Gauguin, van Gogh …. Inspiration Japan) und dem Künstler den Spitznamen „nabis très japonard“ eintrug. Bonnard ging es, wie er 1930 Hedy Hahnloser vor seinem Gemälde „Le Pot provençal [Die provençalische Vase]“ (1930) erklärte, um die „Sichtbarmachung der ephemeren Natur der Dinge und das Verstreichen der Zeit“. Seiner Ansicht nach ist Kunst in der Lage, Zeit aufzuheben. Dieser Eindruck stellt sich auch angesichts der vielen Stillleben und rätselhaften Landschaften schnell ein.
„Das Kunstwerk ist angehaltene Zeit.“6 (Pierre Bonnard)
Pierre Bonnard war begeisterter Amateurfotograf, denen er allerdings keinen künstlerischen Wert beimaß. Er fotografierte seine Frau Marthe, seine Kinder und die seiner Schwester, Schnappschüsse von Familiensonntagen.7 Wie in der Fotografie interessierte er sich in der Malerei auch für Bewegungen, die das neue Lebensgefühl und das Verhältnis zum Körper sichtbar machen. Das Gemälde „Effet de glace / Spiegeleffekt“ setzt diese Reflexion gekonnt in Szene: Der voyeuristische Blick fällt über einen Spiegel auf das Aktmodell. Der Kunstgriff eines Bildes im Bild verhandelt Illusion und Realität, analysiert Malerei als verzerrtes Spiegelbild der Realität.
Der mit Pierre Bonnard und Félix Vallotton eng befreundete Edouard Vuillard (1868–1940) fiel den Sammlern zwar schon früh auf, die hohen Preise für seine Kunstwerke schreckten sie jedoch von einem Kauf ab. Daher wandten sie sich erst Vuillards Lithografien zu, die er u. a. für die Literatur- und Kunstzeitschrift „La Revue blanche“ geschaffen hatte. Hedy bewunderte die „Poesie der Intimität“. Doch genauso wie Bonnard und Vallotton war auch Vuillard, der „nabis intimiste“, ein scheuer und zurückgezogen lebender Mensch und schwierig zu kontaktieren. Daher mussten sich die Sammler anfangs damit begnügen, seine Werke über die Galerie Bernheim-Jeune in Paris und Lausanne zu erwerben. Erst im Jahr 1919 reisten Hedy und Arthur Hahnloser nach Paris, um bei Vuillard ein Familienbildnis in Auftrag zu geben. Wenn auch diese Idee nie realisiert wurde, so konnten sie während des Aufenthalts ihre Sammlung um einige wichtige Frühwerke des Malers erweitern. Zu den wichtigen Gemälden von Vuillard in der Sammlung Hahnloser zählen „Les Roses rouges [Rote Rosen und Stoffe auf einem Tisch]“ (1900/01) und „Nu dans le salon rayé [Akt im Salon mit gestreiften Tapeten]“ (1905). Wie auch sein Freund Pierre Bonnard ging es Vuillard um die Darstellung des Wesens der Dinge, des Unsichtbaren, der Empfindungen. Sowohl in seiner Malerei als auch den Druckgrafiken arbeitete er mit flächiger Gestaltungsweise, einem Hang zum Dekorativen, der Auflösung der Räumlichkeit.
„Es gibt keine Kunst ohne ein poetisches Ziel. Es gibt eine Art von Gefühl, das der Malerei eigen ist. Es gibt Empfindungen, die sich aus der Anordnung der Farben, der Lichter, der Schatten etc. ergeben. Das ist es, was man die Musik des Bildes nennen könnte.“8 (Edouard Vuillard)
Innenräume, kleine Tischgesellschaften im häuslichen Umfeld, alltägliche Begebenheiten inspirierten Edouard Vuillard zu seinen Kunstwerken. Vor allem im Bereich der Druckgrafik schuf er Serien wie „Paysages et intérieurs“, in denen er den Nukleus seiner Kunst vereinte. Meist sind die Innenräume durch heftig gemusterte Tapeten bestimmt. Die Räumlichkeit ist eigentümlich verzerrt wiedergegeben, manchmal schnitt er die Einblicke und Durchblicke so an, dass sie kaum zu entziffern sind. Der Eindruck des Momenthaften, an dem bereits die Impressionistinnen und Impressionisten gearbeitet haben, wird noch verstärkt durch angeschnittene Figuren, Überschneidungen, Fragmentierungen. Der Vorstellungskraft der Betrachterinnen und Betrachter sind keine Grenzen gesetzt.
Als die Hahnloser Albert Marquet (1875–1947) in dessen Atelier besuchten und ihm Werke abkauften, lag die Revolution der Fauves bereits acht Jahre zurück. Im Salon d‘Automne von 1905 hatte eine Gruppe von jungen Malern rund um Henri Matisse (1869–1954) die Kunstwelt mit bunten Bildern von südfranzösischen Hafenstädten und plakativer Malweise schockiert (→ Matisse und die Künstler des Fauvismus). In der Zwischenzeit hatte sich der Gruppenverband gelockert und jeder ging seinen eigenen Weg. Henri Manguin (1874–1949) floh mit seiner Frau Jeanne während des Kriegs in die französischsprachige Schweiz. Dies gab dem Künstler die Gelegenheit, die Gastfreundschaft seiner Sammler anzunehmen und für mehrere Tage in die Ostschweiz zu fahren. In einigen Gemälden dokumentiert er das friedvolle Zusammenleben der Familie, den Garten, die Villa Flora. Als die Hahnloser erstmals 1911 mit der Kunst von Matisse in Kontakt kamen, wandten sie sich Zeichnungen und Druckgrafiken zu. Erst nach dem Ersten Weltkrieg begannen sie auch Gemälde und Skulpturen zu erwerben. Während der 1920er Jahre, die Matisse in seiner Villa in Nizza verbrachte, intensivierte sich die Freundschaft.
Arthur und Hedy Hahnloser wollten nicht nur die Kunst der Nabis sammeln, sondern auch ihre Herkunft aus der französischen Malerei des späten 19. Jahrhunderts verstehen. Daher trugen sie eine Sammlung von Werken der „Vorläufer“ von Pierre Bonnard, Felix Vallotton und Edouard Vuillard zusammen. Odilon Redon (1840–1916), dessen Werk Bonnard und Vuillard neben jenem von Paul Gauguin für essentiell hielten, wurde von Hedy für seine schwarzen, düsteren Drucke der Frühzeit geschätzt. In diesen sogenannten „Noirs“ lotete Redon die Abgründe der Fantasie, Albträume und Skurrilität aus. Erst nach der Geburt seines Sohnes wandte sich der Symbolist den Buntfarben zu, erzielte in den nun entstehenden Pastellen jedoch eine Farbenexplosion, eine Verselbständigung der leuchtenden Töne. Im Jahr 1913, wenige Jahre vor Redons Tod, trafen sich Sammler und Künstler in dessen Pariser Atelier, kauften „Les Anémones [Die Anemonen]“ (um 1912) und begannen einen Gedankenaustausch. Kurz darauf kauften sie „Le Rêve [Der Traum]“ (um 1908) bei dem Kunsthändler Jos Hessel. Vornehmlich Stillleben erweckten das Interesse der Sammler. Die Redon-Retrospektive 1919 im Kunstmuseum Winterthur wurde von Hedy Hahnloser-Bühler angeregt und wäre ohne die Leihgaben der Hahnloser weniger repräsentativ ausgefallen.
Paul Cézanne (1839–1906) wurde den Hahnloser von Giovanni Giacometti nähergebracht, der bereits seit ihren ersten Treffen vom „Vater der Moderne“ schwärmte. Giacometti hatte Cézannes Gedenkausstellung 1907 besucht und dort den Maler posthum für sich entdeckt. Sowohl das „Portraite de l’artiste [Selbstbildnis]“ (1877/78) wie die „Plaine provençale [Provencialische Landschaft]“ (1883–1885) zeigen den typischen, fleckenhaften Farbauftrag des Künstlers aus Aix. In diesen Werken suchte er sein Sehen einzufangen und die Motive von ihrer Bedeutung zu befreien. Dazu entwickelte Cézanne eine Malweise, die alle Elemente der Kompositionen unabhängig von ihrer Position auf der Bildfläche beschreibt. Anfangs erwarben die Hahnloser nur Arbeiten auf Papier. Als sie sich entschließen konnten, auch Gemälde zu besitzen, hatten die Preise für den Franzosen mächtig angezogen. Als am Ende des Ersten Weltkriegs Ambroise Vollard ihnen sieben Gemälde schickte, behielten sie alle.
Hedy war so von Vincent van Gogh (1853–1890) beeindruckt, dass sie sich 1912 auf eine Reise auf die Fußspuren des niederländischen Künstlers nach Den Haag und Amsterdam begab. Im Auftrag seiner Eltern erwarb Hans im Jahr 1920 eine Reihe Kunstwerken auf einer Amsterdamer Auktion. Das wichtigste Gemälde von van Gogh „Der Sämann“ (1888), das in Arles entstand (→ Vincent van Gogh : Paul Gauguin in Arles), kam erneut über Emil Hahnloser in die Sammlung seines Bruders und seiner Schwägerin. Zwei Jahre vor seinem Selbstmord entdeckte van Gogh, in Anschluss an Millets Bauerndarstellungen, den Sämann als Symbol für Leben und Tod. In mehreren Varianten wiederholte er das ländliche Motiv. Obwohl sie sich über die Bedeutung dieser Kunstwerke für die „Vollständigkeit ihrer Sammlung“ im Klaren waren, formulierte Hedy Hahnloser dennoch, dass ihr Fokus auf der Kunst ihrer Zeit liegen müsste.