Claude Monet, Unter den Pappeln, Detail, 1887, Öl/Lw, 73 x 92 cm, Wildenstein 1136 (Privatsammlung)
Mit Meisterwerken der französischen Malerei feiert die Ausstellung „Geburtstagsgäste. Monet bis Van Gogh“ das 200. Jubiläum des Kunstvereins in Bremen. Im Mittelpunkt steht eine besonders glanzvolle Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als Direktor Gustav Pauli die Kunsthalle zu einem führenden Museum moderner Kunst in Deutschland machte. Unterstützt wurde er von bedeutenden Bremer Sammlern, die nun erstmals gewürdigt werden.
Deutschland | Bremen: Kunsthalle Bremen
7.10.2023 – 18.2.2024
Während der wirtschaftlichen Blüte Bremens im späten 19. Jahrhundert entwickelte auch der Kunstverein neue Dynamik. Seit 1899 konzipierte Gustav Pauli, der erste wissenschaftliche Direktor der Kunsthalle (1899–1914), seine progressive Ankaufspolitik, der das Museum bis heute seine berühmtesten Werke verdankt. Pauli erwarb ab 1905 Meisterwerke von Gustave Courbet, Auguste Rodin, Edouard Manet und den Malerin:innen des Impressionismus. Als er 1911 das „Mohnfeld“ (1889) von Vincent van Gogh ankaufte, löste das einen deutschlandweiten Skandal aus. Die gesellschaftliche Brisanz dieses Streits ist heute kaum noch vorstellbar.
Der in Bremen tätige Gustav Pauli (1866–1838) wurde zur Identifikationsfigur der Konkurrenz um Aufmerksamkeit zwischen den Kunstschaffenden und von deutscher Seite heftigst angegriffen. Der Worpsweder Maler Carl Vinnen (1863–1922) publizierte 1911 „Ein Protest deutscher Künstler“, in dem er sich gegen die „große Invasion der französischen Kunst“1 aber auch gegen die Macht der Kunstschriftsteller („Ästheten“) aussprach. Auslöser für das Pamphlet war der Ankauf des Van-Gogh-Gemäldes „Mohnfeld“ (1890) für die Bremer Kunsthalle durch deren Direktor Gustav Pauli im Jahr 1910.
Bereits 1899 war Pauli für eine Ausstellung der Worpsweder Malerin Paul Becker (verheiratete Modersohn-Becker) und 1906 für den Ankauf von Monets „Dame im grünen Kleid (Camille)“ in den Medien getadelt worden. Ihm wurde vorgeworfen, er solle „die ausländische Kunst zum Nachteil der einheimischen deutschen zu begünstigen“2. Dass der „Protest deutscher Künstler“ nicht nur das Produkt von reaktionären Geistern war, zeigt ein Blick auf die Liste der 123 Unterzeichner:innen, zu den heute berühmtesten gehörten Käthe Kollwitz, Franz Servaes und Franz von Stuck.3
Die Gegenseite ließ sich durch den publizistischen Angriff nicht entmutigen und veröffentlichte ihrerseits im Juni 1911 eine Stellungnahme unter dem Titel „Im Kampf um die Kunst. Die Antwort auf den 'Protest deutscher Künstler'“ bei Piper. Diese Schrift unterfertigten u.a. Lovis Corinth, Max Liebermann, Max Slevogt, Otto Modersohn, Gustav Klimt, Carl Moll, Wassily Kandinsky, August Macke, Franz Marc, Max Pechstein, Max Beckmann u.a. Die pro-französische Gruppe setzte sich sowohl aus den drei berühmten Impressionisten Liebermann, Corinth und Slevogt zusammen wie auch den Künstlern des zukünftigen „Blauen Reiter“ und der Dresdner „Brücke“. Während Liebermann selbst 1910 durch seine Ablehnung der „Brücke“-Kunst gegenüber zur Spaltung der Berliner Secession und zur Gründung der Neuen Secession beigetragen hatte, findet er sich im Gegenprotest interessanterweise mit der jungen Avantgarde vereint.
Auch andere deutsche Museen begannen damals, französische Kunst zu sammeln. Bereits 1896 hatte die Nationalgalerie in Berlin das erste Gemälde von Manet gekauft, und auch die Museen in Hamburg, Frankfurt, Weimar oder Krefeld zogen nach. Dafür mussten die verantwortlichen Direktoren oftmals heftige Kritik einstecken – im Bremer van Gogh-Streit erlangten diese Kontroversen um die französische Kunst ihren Höhepunkt. Früh erworbene Meisterwerke aus diesen Museen sind nun in der Kunsthalle Bremen zu Gast: Sie bieten einen eindrucksvollen Überblick der Malerei vom Realismus bis zum Postimpressionismus.
Die Sammlung der Kunsthalle inspirierte schon zu Paulis Zeiten das Publikum: Bald begannen Bremer Kaufleute, gleichfalls französische Malerei zu erwerben. Um den Museumsleiter bildete sich ein Kreis von Kunstfreunden, genannt „Die Goldene Wolke“. Dazu gehörten unter anderem Leopold Biermann, Alfred Walter Heymel oder Johann Georg und Adele Wolde. Erstmals seit über 100 Jahren sind einige ihrer bedeutendsten Bilder von Courbet, Claude Monet, Pierre-Auguste Renoir oder Henri de Toulouse-Lautrec wieder öffentlich in Bremen zu sehen.
Diese Bremer Sammler pflegten einen neuen modernen Lebensstil. Ihre Häuser ließen sie von Rudolf Alexander Schröder einrichten, dessen Interieurs in der Ausstellung dokumentiert werden. Mit schlichter Eleganz wenden sich seine Gestaltungen gegen den historistischen Schwulst des 19. Jahrhunderts und behaupten zugleich ihre bremische Eigenart gegenüber dem internationalen Jugendstil.
Die Jubiläumsausstellung feiert die herausragende Bedeutung Bremens und Deutschlands bei der Durchsetzung der französischen Kunst. Herausragende Leihgaben von Courbet über Rodin bis zu Monet bis van Gogh vermitteln ein Panorama der französischen Moderne in Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg. Zugleich soll es ein Fest der Farbe und des Lichts in der Malerei sein!
Quelle: Kunsthalle Bremen