Edward Hopper, Gas, Detail, 1940, Öl/Lw, 66,7 x 102,2 cm (The Museum of Modern Art, New York, Mrs. Simon Guggenheim Fund © Heirs of Josephine Hopper / 2019, ProLitteris, Zurich © 2019 Digital image, The Museum of Modern Art, New York / Scala, Florence)
Edward Hopper (1882–1967) ist einer der bedeutendsten amerikanischen Maler des 20. Jahrhunderts. Seine Gemälde sind Ausdruck seines einzigartigen Blicks auf das moderne Leben. Die Fondation Beyeler strukturiert die Landschaftsgemälde Edward Hoppers nach den wichtigsten wiederkehrenden Bildelementen: Felsen, Schiffe und Leuchttürme, Häuser (mit Verweis auf den Einfluss, den Hoppers Bilder auf Hitchcock ausübten), Verkehrswege und Wald. Darüber hinaus fragte Ulf Küster auch nach der Beziehung von Menschen und Landschaft, die im Katalog dezidiert als „amerikanische Landschaft“ identifiziert wird. Symptomatisch dafür ist die Weite der Landschaft (also aus europäischem Blickwinkel das Fehlen von Gattern und Zäunen).
Schweiz | Riehen b. Basel: Fondation Beyeler
26.1. – 17.5.2020
verlängert bis 20.9.2020
#BeyelerHopper
„Meine Absicht war immer die möglichst genaue Wiedergabe meiner unmittelbarsten Eindrücke der Natur [most intimate impressions of nature].“1 (Edward Hopper, Notes on Painting, 1933)
Ein wichtiger Ausgangspunkt für Hoppers Landschaftsmalerei ist der französische Impressionismus. Der 1882 geborene Maler wuchs in Nyack, Bundesstatt New York, auf. Als Jugendlicher baute er ein Segelboot und dachte darüber nach, Marinearchitekt zu werden. Dennoch besuchte er zwischen 1899 und 1900 Kurse an der Chase School und danach bis 1906 an der New York School of Art. Im Herbst 1906 reiste Hopper nach Paris, wo er zum einen die Schönheit der Stadt und zum anderen die Malerei des Impressionismus entdeckte. „Valley of the Seine“ (1909) und „Blackwell's Island“ (1911) zeigt den US-Amerikaner als Anhänger der fleckigen, offenen Malerei und eines stimmungsvollen Kolorits. Dabei öffnete er sich den Farbexperimenten der Fauves eindeutig nicht; sein Nocturne erinnert an ein ebensolches von James McNeill Whistler. Erst ab 1920 entstanden jene Bilder, für die Hopper heute so berühmt ist. Zwischen 1907 und den frühen 1920ern verdiente er Geld als Illustrator und ab 1915 als zunehmend erfolgreicher Druckgrafiker.
Zwischen 1914 und 1929 verbrachte Edward Hopper viele Sommer in Maine und Massachusetts; die Sommer der Jahre 1916 bis 1919 verbrachte er auf Monhegan Island (Maine). Sein Lieblingsmotiv war der Blick von einem erhöhten Standpunkt aus auf die Landspitze Blackhead. Dort begeisterte er sich für die beeindruckende schroffe Felsküste. Die Fondation Beyeler zeigt mit „Square Rock, Ogunquit“ von 1914 eine besonders frühe Arbeit, in der die amerikanische Landschaft sich langsam Bann bricht. Hoppers Malerei ab Mitte der 1910er Jahre ist deutlich kontrastreicher als sein Frühwerk. Die konzentrierte Arbeit an Felsbrocken und Klippen lässt sich sowohl in kleinformatigen Ölskizzen wie auch in Zeichnungen mit Lithografiekreide nachvollziehen. Letztere dienten Hopper, sich über Licht- und Schatten aber auch Formlösungen klar zu werden (beispielsweise in „Blackhead, Monhegan“, 1916–1919, „Cape Ann Granite“, 1928). Bereits vom Ende der 1920er Jahre datiert eine Reihe von (wenig bekannten) Aquarellen Hoppers, in denen er – auf bildwürdige Weise – die sonnenbeschienene Küste festhielt. In „Cars and Rocks“ (1927) stellt er einen zuerst verwirrenden und dann äußerst amüsanten Blick auf Autos dar, die so hinter großen Felsbrocken geparkt sind, dass sie erst nach dem Lesen des Bildtitels als solche erkennbar sind.
Immer an seiner Seite arbeitete auch Hoppers Ehefrau, Josephine, zeichnend oder aquarellierend. So zumindest zeigt er sie in den Studien und Aquarellen. Dass Jo aber auch Hoppers wichtigstes Modell in seinen Genrebildern ist, ist längst bekannt. Nach ihrer Heirat 1924 stand sie Edward für alle wichtigen weiblichen Figuren Modell, ohne wirklich als Person in seinen Bildern aufzutauchen. Sie sitzt mit breitkrempigem Hut und lesend im Zugsabteil. Sie steht mit verschränkten Armen vor ihrem Haus und wartet auf den Collie. Sie steht in „High Noon“ (1949) in der Tür und wartet. Sie schaut in „Cape Cod Morning“ (1950) aus dem Erkerfenster oder posiert als ein Alter Ego in „Second Story Sunlight“ (1960). Edward Hopper wandelte das Erscheinungsbild seiner Frau beliebig ab, lässt sie jedoch immer in der Hauptrolle auftreten.
So sind es auch nicht Individuen, denen Hopper in seinen berühmten, häufig melancholischen Bildern ein Denkmal setzt, sondern Menschen wie Du und Ich in komplexen zwischenmenschlichen Beziehungen und interessanten Raumanordnungen. Häufig ist es eine Form von Sprachlosigkeit, die seine Werke von den 1920ern bis in die 1960er durchzieht. Mit dieser Form der „coolen“ Malerei und sensualistischer Lichtbeobachtung, darf Hopper mit Fug und Recht für ein Vorbild von Alex Katz gehalten werden.
Edward Hopper schwieg über seine Kunst und sein Kunstwollen. Allerdings positioniert er in einer seltenen Quelle seine Kunst zwischen einer erzählenden, „anekdotischen“ Figuration und der Abstraktion:
„Für mich sind Form, Farbe und Komposition lediglich Mittel zum Zweck, das Handwerkszeug, mit dem ich arbeite, und sie interessieren mich nicht besonders um ihrer selbst willen. Mich interessiert in erster Linie das weite Feld der Erfahrung und Empfindung. […] Ich meine die allgemein menschliche Erfahrung, wohlgemerkt, damit man nicht Gefahr läuft, dass sie mit der oberflächlichen Anekdote verwechselt wird. Bilder, die auf farbliche oder kompositorische Harmonien oder Dissonanzen reduziert sind, stoßen mich ab. / Mein Ziel ist es immer gewesen, von den Gefühlen und Empfindungen ausgehend, die mir die Natur einflößt, meine innerste Wahrnehmung von einem Sujet, welches das intensivste Gefühl in mir auslöst, auf die Leinwand zu bringen; die Qualität meiner Beziehung zu diesem Sujet, meine Vorentscheidungen geben der Darstellung die Form. […] Kunst ist in so hohem Maße ein Ausdruck des Unbewussten, dass mir scheint, dass sie dem Unbewussten das Wichtigste verdankt und das Bewusstsein nur eine untergeordnete Rolle spielt. Aber diese Dinge sollte besser ein Psychologe entwirren.“2 (Edward Hopper in einem Brief an Charles H. Sawyer, den Direktor der Addison Gallery of American Art in Andover, Massachusetts, 1939)
Schon als Jugendlicher hatte sich Edward Hopper mit Schiffsbau beschäftigt und Ruderbooten, Segel-, Kriegs- und Dampfschiffen gezeichnet und gemalt. Blaue Meereslandschaften mit weißen Seglern lagen dem Maler daher persönlich am Herzen, wie in der Fondation Beyeler das Bild „Lee Shore“ von 1941 vermuten lässt. Das Segeln mit dem Wind verdeutlicht er durch die formale Annäherung von Wolken- und Segelformationen. Die Dynamik wird durch die Wendemanöver der Segler evident. Neben den größeren und kleineren Schiffen begeisterte sich Edward Hopper auch für Leuchttürme wie beispielsweise jenen von Cape Elizabeth, Maine, den er im Sommer 1927 mehrfach als Bildmotiv wählte.
Dass Hopper und Hitchcock viel mehr miteinander verbindet als nur der Typus des charakteristischen amerikanischen Holzhauses, wurde vielfach beobachtet. Der Maler verbrachte Tage im Kino, wenn er sich gehemmt und unkreativ fühlte. Der filmische Blick in seinem Werk inspirierte zeitgenössische Künstler zu Paraphrasen Hopper’scher Kompositionen, von denen „The Bootleggers“ (1924 oder 1925) mithilfe des Titels als „Schmuggler“, vermutlich Alkoholschmuggler in Zeiten der Prohibition, kenntlich gemacht werden. Die gedrückte Haltung der drei Männer im Motorboot lässt sie müde aussehen, die Atmosphäre ist gedämpft, die klandestine Handlung wird nur im Bildtitel erahnbar.
Häuser und Wald
Zu den berühmtesten Motiven in Edward Hoppers Landschaftsmalerei zählt das einsam stehende Holzhaus aus viktorianischer Zeit. Mit seinen Bildern setzte er dem nordamerikanischen Kolonialstil ein Denkmal, während seine Zeitgenossen sie als rückständig empfanden. Für den Wolkenkratzer hatte Hopper offensichtlich kein Interesse, wie aus einigen Kunstwerken leicht geschlossen werden kann. Kurator Ulf Küster entschied sich, für die Ausstellung auch Stadtansichten aufzunehmen, handelt es sich doch um Bilder des von Hopper immer wieder beschworenen einsamen Stadtlebens. Obschon seine Gemälde farbig sind, evoziert der Künstler mithilfe von Leere und Perspektive den Eindruck von Trostlosigkeit.
Die Eindrücke von Einsamkeit und Abgeschiedenheit können auch mit den einsam stehenden Holzhäusern am Land verbunden werden. Bewusst inszenierte der Maler die Häuser inmitten einer endlosen Weite, die er als typisch amerikanisch empfand. Eisenbahnschienen und Straßen durchziehen die Natur und spielen auf die Erschließung der USA im 19. und 20. Jahrhundert an. Bewegung und Reisen sind wichtige Themen in Hoppers Landschaftsmalerei, da er häufig Züge in seine Skizzen aufnahm. Autos finden sich allerdings kaum.
Hoppers Stil lässt sich am einfachsten anhand seiner Baumdarstellungen beschreiben. Vor allem die Zeichnungen zeigen, wie er sich dem Motiv annäherte, indem er dicht gestaffelte, bewegt erscheinende Baumkronen mit Licht und Schatten modellierte. Einzelne Äste oder gar Blätter finden sich in Hoppers Landschaften kaum. Stattdessen ging er summarisch an die Darstellung des Waldes heran, wodurch der Eindruck von Dichte und Abgeschlossenheit bis zur Bedrohung entsteht. Da Hopper ab 1930 seine Ölgemälde nicht mehr in der Natur malte, hielt er in Studien seine Eindrücke fest (siehe: „Mass of Trees at Eastham“, 1962, eines der letzten Aquarelle Hoppers). Aus dem gesammelten Material konzipierte er – häufig in monatelanger Arbeit – jene Kompositionen, die auch wegen ihrer Zeitlosigkeit ikonischen Status erzielten.
Kuratiert von Ulf Küster.
Hopper in der Schweiz wird organisiert von der Fondation Beyeler in Kooperation mit dem Whitney Museum of American Art, New York, in dessen Beständen sich die weltweit größte Hopper-Sammlung befindet.
Ulf Küster für die Fondation Beyeler, Riehen/Basel (Hg.)
mit Beiträgen von Erika Doss, Ulf Küster, David Lubin, Katharina Rüppell
168 S., ca. 110 Abb.
30 x 27,4 cm, gebunden
ISBN 978-3-7757-4647-2 (D)
ISBN 978-3-7757-4654-0 (E)
HATJE CANTZ