Gerhard Richters aktuellste Bilder sind anlässlich seines 85. Geburtstags am 9. Februar 2017 im Museum Ludwig zu sehen. Wie für Richters abstraktes Werk charakteristisch arbeitete der Maler 26 Gemälde in unterschiedlichen Formaten höchst materialintensiv und farbig opulent aus. Er baute die vielschichtigen Kompositionen mit Pinsel, Spachtel, Rakel und Messer in Öl auf.
Deutschland | Köln: Museum Ludwig
9.2. – 1.5.2017
Der seit 1983 in Köln ansässige Künstler ist seit den späten 1970er Jahren für die Wiederaufnahme der Abstraktion bekannt. Davor entstand ein hochkomplexes figuratives Werk, mit dem er das Spannungsverhältnis zwischen Darstellbarkeit der Realität und gemaltem Bild auslotete. Vor einigen Jahren nannte Götz Adriani das „Sichtwechsel auf die Bedingungen der Malerei“1.
Das Museum Ludwig entschied sich, neben den aktuellen Bildern Richters aus dem Jahr 2016 Werke aus der eigenen Sammlung zu präsentieren: „Ema (Akt auf einer Treppe)“ (1966), „48 Portraits deutscher Geistesgrößen“ (1971/72), „Krieg“ (1981), „11 Scheiben“ (2003, Glasarbeit) laden zum vergleichenden Schauen ein. Ergänzt wird die von Richter selbst gehängte Mini-Retrospektive durch Editionen des Künstlers.
Richters verwischte, unscharfe Fotomalerei der 1960er Jahre ist gleichermaßen bedeutungslos und bedeutungsvoll, was ihre Motivauswahl betrifft. Vielfach wurde in der Vergangenheit „Ema, Akt auf einer Treppe“ von 1966 mit Peter Paul Rubens‘ „Das Pelzchen (Hélène Fourment)“ (um 1636/38) und Marcel Duchamps „Akt, eine Treppe herabsteigend, Nr. 2“ (1912) in Verbindung gebracht. Der amerikanischen Pop Art und dem Foto- bzw. Hyperrealismus (→ Hyper Real) luchste der 1932 in Dresden geborene Maler das Malen nach Fotomotiven ab, verändert die Gemälde aber in Richtung Monochromie. Gleichzeitig schwenkte Richter auf konzeptuelle Abstraktionen im Stil von „Farbmusterkarten“ um, bis er über vergrößerte Ausschnitte von Gemälden oder Flugbildern von Städten zur Farbe Grau (1973/74) vorstieß. „1024 Farben“ (1974) verband das Farbspektrum der Malerei in kontrollierten Quadraten, einem Raster- und Pixelbild. Emotionslos, zufällig angeordnet und dennoch voller Konzeption und Zweifel an der pathetisch und spirituell aufgeladenen Abstraktion (vgl. Otto Freundlich).
Als Gerhard Richter 1975 erste gestisch abstrakte Bilder malte, hatte er sich in den Jahren zuvor bereits intensiv mit den widerstrebenden Möglichkeiten der Abstraktion auseinandergesetzt. Auf „Krieg“ (1981) folgte der nächste Hackenschlag: die enigmatischen „Kerzen“-Bilder der frühen 1980er Jahre, dazu abstrakt-gestisch, spontan mit Rakeltechnik übermalte Fotomalerei und konzeptuelle (vulgo unemotionale, durchachte) Farbfeldmalerei. Die Glasarbeit „11 Scheiben“ (2003) erweitert das malerische Werk Gerhard Richters (wie auch die Arbeiten mit Kugeln, Spiegeln) um „performative Bilder“, die den Raum spiegeln. Im Museum Ludwig verlieren die fotografisch umgesetzten „48 Porträts deutscher Geistesgrößen“ ihre Schärfe. Damit löst Richter einmal mehr das Abbild nahezu auf und hinterfragt die scheinbare Faktizität von Abbildungen.
Kuratorin: Rita Kersting