Die Frage „Ist das Biedermeier?“ muss in der aktuellen Ausstellung im Unteren Belvedere derzeit individuell beantwortet werden. Kuratorin Sabine Grabner zeigt Malerei von 1830 und 1860 aus den Ländern der ehemaligen Habsburgermonarchie, mit Hilfe derer sie gegen die sprichwörtliche Häuslichkeit des Biedermeier und die Vorstellung eines von Spießbürgern geprägte Epoche ankämpft. Vor allem wenn sie davon ausgeht, dass die berühmtesten Bilder Ferdinand Georg Waldmüllers mit dessen revolutionärer Lichtführung erst nach 1848 entstanden sind, stellt sich die Frage, wie denn die österreichische Kunst und die der Kronländer Ungarn, Böhmen (heute: Tschechische Republik), Slowenien und im Königreich Lombardo-Venezien (heute: Oberitalien) dieser Jahrzehnte am besten beschrieben werden kann. Der im HIRMER Verlag erschienene Begleitband weitet den Blick zusätzlich nach England, Deutschland, Frankreich und Dänemark. Eine Auswahl von Sitzmöbeln, deren Formenvielfalt die Fantasie ihrer Entwerfer und die Repräsentationsbedürfnisse ihrer Auftraggeberinnen und Auftraggeber gleichermaßen dokumentieren, ergänzt die umfangreiche Gemäldeschau.
Österreich | Wien: Unteres Belvedere
21.10.2016 – 12.2.2017
Etwa Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Kunstfigur Weiland Gottlieb Biedermaier zum Innbegriff und Namensgeber für eine ganze Epoche, stand der Spießbürger doch stellvertretend für Weltabgewandtheit, Engstirnigkeit und in ihr Negativ verkehrte bürgerliche Werte wie Fleiß, Ehrlichkeit, Bescheidenheit, Treue und Pflichtgefühl. Zwischen dem Wiener Kongress 1814/15 und der Märzrevolution von 1848 entwickelten sich gesellschaftliches Zusammenleben und kulturelle Blüte im Rahmen einer restriktiven Regierung unter Staatskanzler Wenzel Lothar Fürst Metternich, geprägt von Zensur, Spitzelwesen (Polizeistaat), aber auch von technologischen Neuerungen wie der Eisenbahn, der Fotografie. Das Klischee der „guten alten Zeit“ haftet noch immer an der Zeit, den romantisierten Bildern von jungen, hübschen Kindern, den präzise gemalten Familienporträts gutbürgerlicher oder aristokratischer Auftraggeber und naturtreuen Landschaften.
Wenn auch viele dieser Gemälde durch ihre detaillierten Oberflächenschilderungen „überrealistisch“ wirken oder idealistisch, romantisch, ist Biedermeier jedoch kein Stilbegriff, sondern ein kulturgeschichtlicher. Biedermeier beschreibt ein Lebensgefühl, das mit der Einfachheit kokettierte, Hausmusik und die eigenen vier Wände liebte. Die Freiheiten des privaten Salons, so kann man mit Johann Nestroy (1801–1862) schlussfolgern, war auf der Straße jedoch nicht erwünscht. Das erstarkte Bürgertum war von jeglicher politischen Einflussnahme ausgeschlossen und entwickelte als Kunstförderer vor allem von Musik, Literatur und Malerei wichtige Ausdrucksmöglichkeiten. Stand der Schwabe Biedermaier in den 1850er Jahren noch als lächerliche Figur für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, wandelte sich der Geschmack ab dessen Ende und das „Wiener Biedermeier“ – nun mit e geschrieben – trat seinen Siegeszug beim Publikum an.1 Richtiger wäre es daher überhaupt von der Malerei, der Bildhauerei, der Möbelkunst der Biedermeierzeit zu sprechen (in der Musik wird von Frühromantik gesprochen), wobei die Œuvre der Künstler weitaus vielfältiger sind und natürlich nicht nur ihre Zeit illustrieren.
Im Jahr 1830, so verweist Sabine Grabner, wurde in Wien der Verein zur Beförderung der bildenden Kunst als erste private Initiative gegründet. Die Mitglieder wollten durch Ankäufe Künstler fördern und gleichzeitig die Werke einer breiten Öffentlichkeit durch Reproduktion zugänglich machen. Das Los entschied, wer das jeweilige Werk mit nach Hause nehmen durfte. Die Aktivitäten des Kunstvereins erstreckte sich auch auf Einflussnahme auf die Akademie der bildenden Künste, die ihre Jahresausstellungen ab 1834 jährlich durchführte, allerdings nur heimisches Kunstschaffen präsentierte. Zeitungen erkannten die gesellschaftliche Relevanz des neuerweckten Interesses und brachten lange Besprechungen der Ausstellungen. Die gebildete Mittelklasse erzog sich selbst zum Kunstkenner und -förderer – und tat es damit Adel und Kirche gleich.
Die Internationalisierung des Ausstellungs- und Förderwesens in Wien erfolgte erst 1850 mit der Gründung des Österreichischen Kunstvereins. Ein Drittel der Einnahmen dieses Vereins wurde für internationale Kunstwerke ausgegeben. Der Wiener Industrielle Rudolf von Arthaber war Initiator und Mitbegründer des Österreichischen Kunstvereins, er besaß eine sensationelle Sammlung zeitgenössischer Kunst, darunter Josef Danhausers „Der reiche Prasser“ und „Die Klostersuppe“. Sein eigenes Familienporträt ließ er von Friedrich von Amerling ausführen.
Hat die bürgerliche Fördertätigkeit die Wahl der Sujets beeinflusst? Mit Blick auf die drei Hauptgattungen der Wiener Malerei mag man sofort mit „Ja“ antworten. Das Porträt zeigt nunmehr stärker die Persönlichkeit denn den Stand der bzw. des Dargestellten wobei das biedermeierliche Porträt ein modischer Hingucker ist. Die Landschaften waren für städtische Salons bestimmt (ober bürgerlich oder adelig), jedenfalls nicht für die bäuerliche Bevölkerung, die diese Naturausschnitte bewohnten oder bewirtschafteten (siehe Gauermann). Das Genrebild als Leitgattung gar hatte moralische Werte zu vermitteln, die als bürgerlich eingestuft wurden. Pausbäckige Kinder, lächelnde Eltern bei der Arbeit, mustergültiges Handeln von Helden – oder auch deren Gegenteil – führten rechte Lebensführung und Glaubenspraxis (meist in Form von kindlicher Frömmigkeit oder Volksfrömmigkeit) vor Augen. Ob die Gattung in Johann Peter Kraffts Monumentalgemälde „Abschied eines Landwehrmannes“ (1813, Belvedere) ihren Ursprung hatte oder nicht, beschäftigt die Forschung noch immer. Im intimeren Format und mit emotional aufgeladenen Szenen gelangten viele Gemälde der 1830er bis 1860er in die Zimmer der Hauptstadt. Die Beliebtheit des Genrebildes in der Biedermeierzeit – in so unterschiedlichen Formen zu finden wie bei Josef Danhauser, Peter Fendi oder Friedrich von Amerlings Genreporträts – hatte sicher auch mit den hauptsächlich emotional aufgeladenen Begebenheiten zu tun, von denen sie erzählten. Dass Waldmüller sich über diese „Norm“ in so manchem Bild hinwegsetzte, um Armut, Flucht und die Last von alleinerziehenden Müttern zu schildern, zeigt seine inhaltliche Unabhängigkeit.
Da der Begriff Biedermeier bestenfalls als kulturgeschichtlicher Terminus eingesetzt werden sollte, stellt sich sofort die Frage, wie Malerei und Möbelkunst im frühen 19. Jahrhundert stilistisch beschrieben werden können. Hier zeigt sich ein international heterogenes Bild, das von Klassizismus, Romantik (vor allem in Deutschland mit den Nazarenern, Italien und Frankreich mit Théodore Géricault und Eugène Delacroix und einem österreichischen (Wiener) Naturalismus, der in den Realismus überführt, reicht. Die wichtigsten Lehrer an der Wiener Akademie waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts Johann Peter Kraft (1780–1856), Johann Baptist Lampi (1751–1830) und Joseph Rebell (1787–1828). Ab 1829 lehrten Johann Nepomuk Ender (1793–1854), Leopold Kupelwieser (1796–1862) und Josef Führich (1800–1876) an der Akademie, womit die ehemaligen Rebellen der Nazarener in Historienmalerei und religiösem Bild die Führungsrolle für sich beanspruchen konnten.2 Daher versteht man unter biedermeierlicher Malerei hauptsächlich Porträt, Genre und Landschaftsmalerei. Bereits im Jahr 1817 kam Ferdinand Georg Waldmüller angesichts des Porträtauftrags von „Henriette von Stierle-Holzmeister“ (Alte Nationalgalerie, Berlin) zu seinem teils brutal ehrlichem Naturalismus, während Friedrich von Amerlings Porträts einen weicheren Malstil aufweisen.
„Der einzig rechte Weg, der ewige, unerschöpfliche Born aller Kunst: Anschauung, Auffassung und Verständniß der Natur hatte sich mir aufgethan.“3 (Ferdinand Georg Waldmüller 1847)
Vor allem die Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts erwies sich als Möglichkeit, Stilfragen zu erproben. Während in England William Turner bereits die Auflösung der Konturen in Farbnebeln propagierte und in Frankreich Gustave Courbet sich als „Geologe“ mit Spachtel und Farbmasse betätigte, hatten sich Wiener Landschaftsmaler das homogene Sonnenlicht erobert. Dabei stand so mancher holländischer Landschaftsmaler des 17. Jahrhunderts Pate: Jacob van Ruisdael (1628–1682), Allart van Everdingen (1621–1675) und Meindert Hobbema (1638–1709) waren in der Akademiegalerie und der kaiserlichen Galerie mit beeindruckenden Landschaftsgemälden vertreten und stellten eine (scheinbar) realistische Wiedergabe eines Naturausschnitts wichtige Vorläufer innerhalb der barocken Landschaftsmalerei dar.
Die ausösterreichischer Perspektive interessantesten Maler sind zweifellos Ferdinand Georg Waldmüller, Josef Danhauser, Friedrich von Amerling, Peter Fendi und Friedrich Gauermann. Waldmüllers „Selbstporträt in jungen Jahren“ (1828) zeigt den selbstbewussten Maler in eleganter Kleidung (ohne jeglichen Verweis auf sein Künstlertum), verbindet aber Landschaftmalerei im Hintergrund mit einem präzise gearbeiteten Porträt und einer Pfingstrose (Blumenstillleben). So führte Waldmüller seine Fähigkeiten als Maler in seinem Selbstporträt zusammen.
Josef Dankhauer ist in der Belvedere-Schau großzügig vertreten. Seine Porträts und Genreszenen Das Kniestück von „Anna von Hell“ (1833, Privatbesitz) zeigt die wohlhabende Dame in einem ausladenden modischen Kleid mit Schinkenärmeln.
Peter Fendi zeigt eine „Szene aus der Überschwemmung von 1830“ (1830), die am 27. Februar 1830 Wien betraf. Die überraschend einsetzende Schneeschmelze hatte einen Einsstoß ausgelöst und die Vorstädte Leopoldstadt und Roßau überschwemmt. Fendi schuf ein „zeitgenössisches Historienbild“.
Friedrich Gauermann ist mit „Ein Geier auf verendetem Hirsch“ (1832) sowie alpenländischen Genreszenen vertreten. Da sein Vater Jacob Gauermann (1773-1843) als Kammermaler des Erzherzog Johann tätig war, zeichnete Friedirch Gauermann seit seiner Jugend vor der Natur. Sein Studium an der Akademie in Wien (1824-1827) brachte ihn mit der holländischen Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts in Kontakt. Seine Landschaftsbilder werden von Tieren und Landbevölkerung bereichert, die er in der Tradition der Holländer meist als ruhig lagernde Wesen zeigt.
Vor allem die Gattung Landschaftsmalerei wurde während des 19. Jahrhunderts zu einem wichtigen Experimentierfeld des Realismus. Maler wie Friedrich Loos, Thomas Ender, Franz Steinfeld und auch der Linzer Dichter Adalbert Stifter widmeten sich ihrer nahen Umgebung, endeckten die Alpenregion und hielten Blicke über Hausdächer fest. Das Freilichtstudium und das Einfangen des natürlichen Sonnenlichts wurde von vielen Künstler als essentiell erachtet. Während die Gemälde weiterhin in den Ateliers entstanden, bildeten vor den Motiven entstandene Zeichnugnen und Aquarelle zunehmend deren Basis. Mit "Der Hallstätter See" (1834) folgte Franz Steinfeld einer Ansicht, die er bereits zehn Jahre zuvor in anderer Form entwickelt hatte. Seine "Ansicht von Hallstatt" (1824) gilt heute zurecht als Geburtsurkunde des österreichischen Realismus, hatte der Maler doch die Gegend ohne VOrdergrundkulisse und in ihrer natürlichen Erscheinung eingefangen. Die Innovationskraft dieses Zugangs lässt sich an den von Sonnenlicht durchfluteten Landschaften Waldmüllers ab den 1830er Jahren nachvollziehen. Dass Steinfeld damit aber auch an Grenzen stieß, zeigt seine späte Berufung an die Akademie, wo er von 1845 bis 1859 die Professur für Landschaftsmalerei inne hatte.
Die Prager Akademie war 1799 von der Gesellschaft patriotischer Kunstfreunde gegründet worden, wo sich ab dem frühen 19. Jahrhundert die Hinwendung zum Realismus feststellen lässt (Karel Postl lehrte an der Schule für Landschaftsmalerei ab 1806). Dennoch schlossen böhmische und mährische Künstler ihre Studien an den Akademien in Wien und München ab und erhielt so ihre endgültige Prägung.
Zu den Gründerfiguren der tschechischen Malerei des 19. Jahrhunderts gehört der Landschaftsmaler Antonín Mánes (1784–1843), gefolgt vom Porträtisten Antonín Machek (1775–1844) und dessen Vorliebe für Wiedergabe von Textilien. Beide begannen in den 1820er Jahren zunehmend mit realistischen Elementen in ihren Werken zu arbeiten, die sie ein Jahrzehnt später erneut gegen stärker idealisierte Züge eintauschten. Als Mánes 1836 als Professor für Landschaftsmalerei an die Akademie in Prag berufen wurde, hatte sich die Gattung bereits einen festen Platz beim bürgerlichen Publikum errungen. Entgegen eines „sklavischen“ (vulgo fotografischen) Realismus sollte die „Existenz eines geistigen Prinzips“ vermittelt werden.4 Weitere Landschaftsmaler, die sich damals wie heute größter Beliebtheit erfreuen, sind: Bedřich Havránek (1821–1899), Josef Navrátil (1798–1865), August Piepenhagen (1791–1868, von Adalbert Stifter gemocht). Die Genremalerei konnte sich nur langsam durchsetzen, die älteste Darstellung einer Alltagsszene datiert aus dem Jahr 1840 und zeigt „Altstädter Weihnachtsmarkt“, gemalt von Josef Koruna. Doch die wahren Meister dieses Faches wurden die Söhne von Antonín Mánes, Josef und Quido Mánes. Das führte dazu, dass die Blüte der böhmischen Genremalerei in die 1850er und 1860er Jahre datiert, während wichtige, weil unprätentiöse Landschaften schon früher entstanden sind.
Das Ziel ungarischer Künstler während des 19. Jahrhunderts – und das wird beim Lesen von Eszter Békefs Beitrag5 schnell deutlich – war die Etablierung nationaler Kunstformen. Im Selbstverständnis der Ungarn gelang dies in der Malerei doch erst Mihály Munkácsy (1844–1900), Bertalan Székely (1835–1910), Viktor Madarász (1830–1917) und den Künstlern der Moderne. Der deutsche Begriff Biedermeier setzte sich in der ungarischen Kunstforschung nicht durch, die Epoche wurde bis Mitte des 20. Jahrhunderts als Übergang definiert. Erst in stalinistischer Zeit konnten die Machthaber dem Realismus der Biedermeierzeit etwas abgewinnen, denn der Stil wurde mit ideologischen Vorzeichen als Vorläufer des Sozialistischen Realismus interpretiert. Wie schwer sich die Ungarn mit dem Epochenbegriff taten und wohl immer noch tun, belegt Békefs Text eindrucksvoll und über viele Seiten.
Die Lombardei und Venetien waren vereint als Königreich Lombardo-Venetien seit dem Wiener Kongress und bis zur italienischen Vereinigung („Risorgimento“, 1859–1861) unter Habsburgischer Regentschaft. Als der führende Künstler der italienischen Romantik gilt Francesco Hayez (1791–1882), der sich in den frühen 1820er Jahren auf den Brera-Ausstellungen als wichtigster Maler seiner Generation durchsetzen konnte. Seine Historienmalerei beruhte auf aktuellen Themen (historische Sujets sollten politische Wirkkraft in der Gegenwart entfalten!) und sprach das Publikum durch emotionale Interpretationen an. Stilistisch orientierte er sich an der Malerei der italienischen Renaissance, an Giovanni Bellini, Giorgione, Carpaccio, Tizian, Jacopo Bassano und Lorenzo Lotto, was insgesamt charakteristisch für die oberitalienische Malerei des 19. Jahrhunderts wurde. Zum Maler der Liebe und der Leidenschaften wurde Francesco Hayez, als der gebürtige Venezianer 1823 „L’ultimo bacio di Giulietta e Romeo [Der letzte Kuss von Julia und Romeo]“ umsetzte und nach Mailand umzog. Hier unterrichtete er als Lehrer für Historienmalerei an der Brera-Akademie und malte das Porträt der Tänzerin Carlotta Chabert als lebensgroße „Venus mit zwei Tauben spielend“ (1830, MART), das im ersten Raum der Ausstellung präsentiert wird. Der im Licht hart modellierte Frauenakt erinnert an den Klassizismus von Jean-Auguste-Dominique Ingres (1780–1867). Hayez stellte es gleich nach seiner Vollendung in der Brera aus, wo das dem Publikum so ostentativ zugewandte Hinterteil der in der Gesellschaft wohlbekannten Dame prompt einen Kunstskandal entfachte. Die Göttin entpuppte sich vor aller Augen als die wohlbekannte Carlotta Chabert, die 1830 gerade die Geliebte des Grafen Gerolamo Malfatti aus Trient war. Die bürgerliche Tänzerin als Göttin darzustellen, brach mit den Darstellungskonventionen der Zeit. Das scheint im Sinne des Auftraggebers gewesen zu sein und beförderte auch den Ruhm Hayez'.
Giuseppe Tominz ließ sich 1830, aus Görz kommend, in Triest nieder und galt als ausgezeichneter Porträtist. Seine Figuren sind scharf umrissen und klar modelliert. Damit verband er die klassizistische Tradition der Linie mit dem biedermeierlichen Realismus und dessen Vorliebe für Individualität. Porträts wie jenes des Besitzers eines großen Schifffahrtsunternehmens „Drago Tominz“ (1832-1835) mit dessen eigenem Schiffbruch 1832 vor Marseille im Hintergrund oder des aus München stammenden Kaufmanns „David Buchler mit seiner Frau Euphrosine, geb. Maffei, und den sechs Söhnen“ (1829) mit einer großen Markur-Statue im Hintergrund bezeugen das Talnt ihres Schöpfers.
Eine lange Reihe von italienischen Künstlern prägte das kulturelle Leben vor allem in Mailand, während Venedig als Stadt der Künstler zunehmend an Bedeutung verlor und erst durch die englischen Landschaftsmaler wiederentdeckt werden musste (→ Venedig. Stadt der Künstler). Nicht nur wegen der Brera, die in diesen Jahren der Wiener Akademie formell unterstand und mit ihr gemeinsam auch Ausstellungen organisierte, sondern auch als intellektuelles und politisches Zentrum konnte Mailand diesen Status im Kulturleben auf der italienischen Halbinsel erringen. Da die lombardisch-venezianischen Künstler als Untertanen des Habsburgerreiches galten, waren sie auch auf den Wiener Akademieausstellungen zugelassen. Die offensichtlichsten Spuren hinterließ die Freundschaft zwischen Friedrich von Amerling und Giuseppe Molteni (1800–1867), die sich gegenseitig beeinflussten. Viele Maler – wie Domenico Induno (1815–1878) und sein jüngerer Bruder Gerolamo Induno (1825–1890) – setzten ihre Kunst aber auch gegen die österreichische Hegemonie und für die Befreiung Italiens ein (→ 1861 – die Maler des Risorgimento). Das in der Wiener Schau von einem Neo-Rokoko-Rahmen fast erdrückte Bild einer trauernden jungen Italienerin, stellt die melancholische, weil fremdbestimmte Italia dar. Induno nutzt die Formel des Genrebildes, um einen Kommentar auf die aktuelle politische Lage abzugeben.