Der „Triumphzug von Kaiser Maximilian I.“ wird seit 1920 in der Albertina verwahrt. Nach jahrelanger Restaurierung (2009 bis 2012) ist er nun erstmals wieder in der Ausstellung „Kaiser Maximilian I. und die Kunst der Dürerzeit“ zu sehen. Druckgrafiken aus den eigenen Beständen, ergänzt durch Leihgaben v.a. des KHM aber auch des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg, beleuchten den Herrscher als Auftraggeber von Kunstwerken, u.a. von Albrecht Dürer, Albrecht Altdorfer, Hans Burgkmair d. Älteren. Der Mensch „hinter“ dem in der Kunstpropaganda so glorreich inszenierten „Staatskörper“ bleibt jedoch weitestgehend im Dunkeln.
Österreich / Wien: Albertina, Basteihalle
14.9.2012 - 6.1.2013
Die Präsentation des heute noch 54 Meter langen „Triumphzugs“ in der unteren Basteihalle machte es nötig, die gliedernde Architektur völlig zu entfernen. Stattdessen werden nun die Porträts der Herrscherfamilie (meist Leihgaben aus dem KHM) im ersten Kapitel wie auch der Triumphzug gleichsam schwebend vor einem dunklen Samtvorhang gezeigt. Nach den einleitenden Kapiteln zur Familie des Kaisers, seinen genealogischen Ansprüchen wie auch seiner Förderung des Humanismus, erstreckt sich der „Triumphzug“ über die gesamte Länge der unteren Halle. Die bemalte Pergamentrolle war ursprünglich über 100 Meter lang, wurde zu einem nicht bekannten Zeitpunkt wohl in zwei Hälften geschnitten. Die zweite Hälfte tauchte 1864 in Stift St. Florian wieder auf und wurde von der Wiener Hofbibliothek erworben. Heute sind daher knapp 54 Meter erhalten (Blätter 49 bis 109), durch zwei spätere Kopien ist jedoch die erste Hälfte rekonstruierbar.
Innerhalb von drei Generationen gelang den Habsburgern der Aufstieg zu einer führenden europäischen Dynastie. Diesen Erfolg dazustellen, war wohl eine der Funktionen des „Triumphzugs des Kaisers“. Weitere Ziele des Herrschers waren seine Verherrlichung zu Lebzeiten und das Prägen eines ewigen Angedenkens. Im Weißkunig tut das Alter Ego des Kaisers dazu kund: „Wer in seinem Leben kain Gedeächtnus macht, der hat nach seinem Tod kain Gedächtnus, und desselben Menschen wird mit dem Glockendon vergessen, und darumb so wird das Gelt, so ich auf die Gedechtnus ausgib, nit verloren.“
Das Programm für den Triumphzug stammte vom Hofhistoriografen Johannes Stabius und wurde 1512 vom ks. Geheimschreiber Marx Treitzsaurwein nach dem Diktat von Maximilian I. schriftlich festgehalten. Ersterer bekam daraufhin bis April 1514 ein Haus in Regensburg zugewiesen, was damit erklärt werden könnte, dass der Gelehrte persönlich die Kontrolle der Arbeiten an dem Triumphzug vor Ort ausüben sollte. 1515 wurde Stabius in den Ritterstand erhoben, der Triumphzug dürfte abgeschlossen gewesen sein. Wie die ursprünglich wohl 109 Meter lange, auf Pergament gemalte Darstellung präsentiert worden ist, liegt im Dunkeln. Diagonale Quetsch- und Zugfalten sprechen aber für ein Aufrollen vor dem Kaiser. Da die Heiratspolitik Maximilians eine deutlich erfolgreichere Bilanz hat als die fast ununterbrochene Kette von 27 Kriegen, beginnt die erhaltene Hälfte des Triumphzugs wohl nicht zufällig mit der „Burgundischen Hochzeit“ zwischen Maximilian und Maria von Burgund und endet mit dem sog. Autorenblatt.
Der Aufenthalt von Stabius in Regensburg wie auch die Darstellungen der Schlachten führten zu einer Zuschreibung des Triumphzugs an den Regensburger Albrecht Altdorfer (→ Albrecht Altdorfer und das Expressive in der Kunst um 1500) durch Franz Winzinger. Altdorfer war als Buchmaler ausgebildet und schuf Randzeichnungen für das „Gebetbuch Maximilians“ (1515) sowie Holzschnitte für die beiden runden Seitentürme der „Ehrenpforte“ (1512-1515/1518 datiert). Albrecht Altdorfer war damals 32 bis 35 Jahre alt (um 1480 geboren), 1506 hatte er erst das Bürgerrecht in Regensburg erhalten und 1513 kaufte er sich ein Haus. Ab 1517 hatte Altdorfer hohe politische Ämter inne, 1528 lehnt er sogar das Amt des Bürgermeisters ab. Dieser rasante soziale Aufstieg des Künstlers, dessen berühmteste Bilder erste in den 1520er Jahren entstehen sollten (z. B. die Alexanderschlacht in der Münchener Alten Pinakothek), ließe sich gut mit dem kaiserlichen Auftrag in Verbindung bringen.
Altdorfers Werkstattpraxis muss arbeitsteilig gewesen, wie Eva Michel in ihrem Katalogbeitrag erstmals herausgearbeitet hat, d.h. die Produktion des Frieses durch das Aufteilen der Malerei durch Konturenzeichner und Koloristen erfolgt sein (verbunden mit Fehlinterpretationen, Wiederholung von Figuren, unterschiedlichen Qualitäten und Stilen der ausführenden Hände). Die Aktualität der imaginären Parade wird über die Kleidung der Ritter und Landsknechte, Turnierreiter, Musiker und Hofnarren (teils im nicht erhaltenen ersten Teil) erzeugt. Im Gegensatz dazu sind die Schlachtendarstellungen plakativ. Sie strotzen zwar vor Detailrealismus, Atmosphäre und illusionistischen Tiefenräumen, zeigen aber keine topografischen Ansichten. Zudem kämpft Maximilian permanent gegen Feinde mit Schweizer Fahnen, während die eigenen Truppen mit dem burgundischen Andreaskreuz ausgezeichnet werden. Die Schlachtenbilder gelten mit ihrem Detailreichtum und den atmosphärischen Lichtstimmungen zu Recht als Meisterleistungen der frühen Landschaftsmalerei. Eine Weiterentwicklung findet sich in Albrecht Altdorfers Werk wie die ausgestellten Landschaftsradierungen belegen oder auch das Gemälde „Der Sieg Karls des Großen über die Awaren bei Regensburg“ (1518 datiert am Rahmen, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum).
Am Beginn des in der Albertina erhaltenen zweiten Teils des „Triumphzugs“ steht die Heirat Maximilians mit Maria von Burgund am 19. August 1477 in Gent. Diesem enorm bedeutenden Ereignis, das die berühmte Heiratspolitik der Habsburger begründete (siehe Teil 3) folgt ein goldener Wagen mit symbolischen Darstellungen von Schlössern und Städten, die sich im Besitz des Kaisers befanden. Maximilians Kriege werden durch Bannerträger mit Schautafeln und Trophäenwägen repräsentiert. Hier arbeitet Albrecht Altdorfer mit dem Konzept des Bildes im Bild. Nur zwei Schlachtenbilder wirken jedoch realistisch: Die Schlacht bei Wenzenbach 1504, in der Inschrift als böhmische Schlacht bezeichnet, könnte, so die Kuratorin Eva Michel (Katalog S. 214), nach einem Flugblatt gestaltet worden sein. Weiter ist nur noch die „Belagerung von Kufstein“ topographisch realistisch verortet. Alle anderen Kriegsdarstellungen, wie beispielsweise der „Große Venezianische Krieg“ sind sehr schematisch wiedergegeben. Als historisch wichtige Ereignisse werden auf Schautafeln die „Römische Krönung“ neben der Allegorie des „Reichs Germaniae“ sowie die Heirat von Philipp dem Schönen mit Johanna von Kastilien
Für den Kaiser schien wichtig zu sein, dass seine Artillerie die modernsten Kanonen und Waffen präsentiert. Der Stolz auf seine militärischen Erfolge zeigt sich hier in einer Mischung aus zeitgenössischen und antiken Waffen bei den eroberten Beuten, in der Kombination von Stereotypen und realistischen Kriegsgeräten. Geschützt von der Artillerie folgen Wagen mit dem „Schatz der Andacht“ und dem sog. „Gebrauchsschatz“, d.h. den liturgischen und weltlichen Kostbarkeiten. In der Ausstellung werden zwei Goldschmiedearbeiten aus dem Besitz von Maximilian ausgestellt: Der „Maximilianspokal“ aus Nürnberg (um 1510, KHM) und der „Widerholt-Pokal“ (1510, Jörg Seld (?), Kirchheim unter Teck, Städtisches Museum im Kornhaus) gehören zu den selten erhaltenen Preziosen des Kaisers.
Die „Standbilder mit Vorfahren Maximilians“ ziehen sich über fünf Blätter und werden vom Vater Kaiser Friedrich III. angeführt. Auf den Wagen mit der Mutter folgt der Kaiser auf dem von zwölf Schimmeln gezogen Triumphwagen. Vor ihm sitzen perspektivisch verkleinert Maria von Burgund und Margarete, dann Philipp der Schöne und Johanna (die Wahnsinnige) mit ihren Kindern. Wenn auch der Kaiser als größte Figur gegeben wird, so streicht die Darstellung dennoch die Bedeutung von Familie und Fortleben der Dynastie hervor. Dem kaiserlichen Wagen folgen die Deutschen Fürsten, Grafen, Herren, Ritter, Landsknechte, die Wagenburg, sog. „Kalikuttischen Leut“, also Indianer. Der von ihm dadurch verschuldete Staatsbankrott am Ende seiner Regierungszeit, konnte den visionären Herrscher nicht davon abbringen, nach der Weltherrschaft zu streben, was im Triumphzug durch das Einfügen von fremdländischen Tieren und Menschen angedeutet wird. Der Tross am Ende war für die Versorgung der Armee zuständig.
Zusammenfassend lässt sich der „Triumphzug“ als ein Verschmelzen des antik-römischen Kaiserkultes mit der Veranschaulichung der weltlichen memoria und der bildkräftigen Darstellung politisch-dynastischer Zielsetzungen beschreiben. Das Selbstbild wird noch zu Lebzeiten vom Kaiser und seinen Beratern festgelegt. Die bildliche Umsetzung sollte dem Fortleben nicht nur durch christlichen Glauben (im Jenseits), sondern auch durch Errungenschaften und Taten sichern. Der kaiserliche Wunsch nach Selbststilisierung, gepaart mit einem hohen Bewusstsein um die Bedeutung der Kaiserwürde des Heiligen Römischen Reiches, ließen Maximilian I. Kunst als Propaganda nutzen. 500 Jahre nach dem Ableben des berühmten Habsburgers verkündet er noch immer mit Hilfe der Kunst seinen Nachruhm als der letzte Ritter und allerchristlichste Herrscher.
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Technik & Material: Pergament mit Federzeichnungen, Aquarell- und Deckfarbenmalerei
Maße: je ca. 45 x 95 cm, Gesamtlänge der erhaltenen Blätter 49-109 ist 53,8 Meter
Albertina, Inv 25205-25263
Provenienz: Stift St. Florian (ab 1864 dokumentiert) überlässt die Miniaturen, die zu einem Prunkband gebunden waren, dem neu gegründeten Österreichischen Museum für Kunst und Industrie (heute MAK) – 1874 von der Wr. Hofbibliothek erworben – 1920 Bestand der Albertina
Zuschreibung an den Regensburger Albrecht Altdorfer durch Franz Winzinger; dieser war als Buchmaler ausgebildet und schuf Randzeichnungen für das Gebetbuch 1515 sowie Holzschnitte für die beiden runden Seitentürme der „Ehrenpforte“
Präsentation: diagonale Quetsch- und Zugfalten sprechen für ein Aufrollen