Raoul Hausmann
Wer war Raoul Hausmann?
Raoul Hausmann (Wien 12.7.1886–1.2.1971 Limoges) war ein österreichisch-deutscher Künstler des Dadaismus. Raoul Hausmann schuf ein medial breit gefächertes Œuvre zwischen Gemälden, Collagen, Plastiken und Textarbeiten (u. a. dadaistische Manifeste). Zusammen mit Hannah Höch gilt er als ein Pionier der Fotocollage. Dieser neuen Technik hatte er sich während des Ersten Weltkrieges zugewandt, nachdem er die frühere expressionistische Orientierung seiner Arbeit verworfen hatte.
Kindheit & Jugend
Raoul Hausmann wurde am 12. Juli 1886 in Wien, ehemals Österreich-Ungarn, als Sohn des Malers Victor Hausmann und dessen Ehefrau Irene geboren.
Im Alter von 14 Jahren übersiedelte Hausmann mit seinen Eltern nach Berlin. Von seinem Vater erhielt Raoul Hausmann Anleitungen für seine ersten künstlerischen Versuche. 1905 lernte er den Grabmal- und Gartenarchitekten Johannes Baader sowie die Geigerin Elfriede Schaeffer (1876–1952) kennen, die er 1908 heiratete. 1907 wurde die gemeinsame Tochter Vera geboren.
Ausbildung
Von 1908 bis 1911 absolvierte Hausmann in den von Arthur Lewin-Funcke geleiteten Studien-Ateliers für Malerei und Plastik in (Berlin-)Charlottenburg eine künstlerische Ausbildung. Zwischen 1909 und 1914 gestaltete er jugendstilhafte Bucheinbände (u. a. für den Diederichs Verlag, Jena), Glasfenster- und Schriftentwürfe.
Werke
Ab 1912 wendete sich Raoul Hausmanns vom Akademismus ab. Er schuf erste expressionistische Lithografien und Holzschnitte, angeregt durch die Bekanntschaft mit den Malern von „Die Brücke“ sowie die Rezeption des Futurismus in Ausstellungen der Berliner Galerie „Der Sturm“. Erste Textveröffentlichungen in der Zeitschrift „Der Sturm“ folgten.
Ende April 1915 begann der bereits verheiratete Hausmann eine Liebesbeziehung mit der Künstlerin Hannah Höch, die bis 1922 Bestand hatte. Ab 1917 erarbeitete er zusammen mit Höch die künstlerische Fotomontage. Die Liebesbeziehung zwischen Höch und dem bereits verheirateten Hausmann eskalierte immer wieder in gewalttätigen Auseinandersetzungen. Hausmann lernte die Künstler Hans Richter, Conrad Felixmüller und Arthur Segal kennen und schloss Bekanntschaft mit dem Philosophen Salomo Friedlaender, genannt Mynona.
Dadaismus
1918 gründete Hausmann zusammen mit Richard Huelsenbeck, Johannes Baader und anderen den Berliner Club Dada. Er wurde ein wichtiges Mitglied der Dada-Bewegung in Berlin, der er von 1918 bis 1922 angehörte. Hausmann war Mitherausgeber der Zeitschrift „Der Dada“ und des Prospekts Club Dada. Bei Dada-Veranstaltungen trug er erstmals öffentlich seine Manifeste und Lautgedichte vor. Seine optophonetischen Plakatgedichte wurden gedruckt. In Kurt Schwitters, Hans Arp und Otto Freundlich fand Hausmann gute Freunde. So inspirierte er mit seinem Gedicht „fmsbw“ Kurt Schwitters zu dessen Ursonate, während ihn die Freundschaft anregte mit Lautgedichten und Typographie zu experimentieren.
„Gemeinsam – George Grosz, John Heartfield, Johannes Baader, Hannah Höch und ich [Raoul Hausmann] – beschlossen wir, die Erzeugnisse Fotomontage zu nennen. Dieser Name entstand durch unsere Abneigung, Künstler zu spielen; wir betrachteten uns als Ingenieure […], wir behaupteten, unsere Arbeiten zu konstruieren, zu montieren.“1 (Raoul Hausmann über die Fotomontage der 1910er Jahre)
Im Jahr 1919 beteiligte sich Raoul Hausmann an der ersten Dada-Ausstellung im Graphischen Kabinett I. B. Neumann. Hausmann organisierte 1920 dadaistische Veranstaltungen zusammen mit Johannes Baader und Richard Huelsenbeck in Dresden, Hamburg, Leipzig, Teplitz-Schönau, Prag und Karlsbad. Im Juli/August 1919 fand die „Erste Internationale Dada-Messe“ (30.6.–25.8.1920) in der Berliner Kunsthandlung von Dr. Otto Burchard statt, veranstaltete von Hausmann zusammen mit George Grosz und John Heartfield. Sie war zugleich Höhepunkt und letzter großer öffentlicher Auftritt der Berliner Dada-Gruppe.
Novembergruppe
Hausmann trat 1921 zusammen mit Kurt Schwitters auf der Antidada-Merz-Presentismus-Tournee in Prag mit der Rezitation seiner Lautgedichte auf. Er engagierte sich in der Novembergruppe, stellte mit ihr aus und gab mit einer inhaltlichen Neuausrichtung die Veröffentlichungen der Gruppe unter dem Titel „NG“ heraus.
1922 trennten sich Hausmann und Hannah Höch; er lernte die Malerin Hedwig Mankiewitz (1893–1974) kennen, die er 1923, nach Scheidung von seiner ersten Frau Elfriede Hausmann-Schaeffer, heiratete.
Fotografie und Poesie
Nach seiner Trennung von Hannah Höch im Jahr 1922 hörte er mit der Malerei auf und konzentrierte sich in der Arbeit auf Fotografie und das Schreiben von Gedichten. 1926 begann er während eines Ibiza-Aufenthaltes die Konzeption und Niederschrift des autobiografischen Experimentalromans „Hyle“.
Ab 1927 widmete Hausmann sich vorrangig der Fotografie. Er lernte Vera Broïdo (1907–2004) kennen, mit der er und seine Ehefrau in einer Dreierbeziehung bis 1934 zusammenlebten. Ab 1931 lieferte er auch regelmäßig Beiträge für die von Franz Jung und Harro Schulze-Boysen herausgegebene Zeitschrift „Der Gegner“.
Emigration
1933 musste Hausmann emigrieren, da seine künstlerische Arbeit unter den Nationalsozialisten zur „entarteten Kunst“ gezählt wurde. Seine Stationen im Exil waren Ibiza, Zürich, Prag und schließlich Paris, von wo aus er während des Krieges nach Südfrankreich floh.
Raoul Hausmann lebte seit 1944 in Limoges. Nach dem Krieg arbeitete er weiter in den drei Bereichen Malerei, Fotografie und Schriftstellerei. Der Künstler suchte wieder den Kontakt zu László Moholy-Nagy und Kurt Schwitters, mit dem er die Herausgabe der Zeitschrift „PIN“ plante. Zwischen 1946 und 1959 erweiterte Hausmann sein fotografisches Schaffen um kameralose Experimente (Fotopiktogramme) und kam auf die Fotomontage zurück.
In einer großen Zahl von Ausstellungen und Veröffentlichungen beteiligte sich Raoul Hausmann selbst an der historischen Interpretation des Dadaismus. In der retrospektiven Beschäftigung mit Dada war er bestrebt, seine eigene Rolle und Bedeutung für die dadaistische Bewegung als Chronist zu hervorzuheben.
Tod
Raoul Hausmann verstarb 1. Februar 1971 an den Folgen einer Gelbsucht.