Simon Vouet

Wer war Simon Vouet?

Simon Vouet (Paris 9.1.1590–30.6.1649 Paris) war ein französischer Maler und Dekorationsmaler des Barock. Vouet war „erster Maler des Königs“ und zählte neben Nicolas Poussin zu den wichtigsten französischen Künstlern der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Unter dem Pontifikat von Papst Urban VIII. Barberini avancierte Vouet zu einem der führenden Maler Roms und zum Oberhaupt der großen französischen Künstlergemeinschaft (Vignon, Valentin, Mellin). Er erhielt zahlreiche Aufträge für Porträts und Kirchenausstattungen. Eine höchste Ehre wurde ihm 1624 zuteil, als er zum Principe der Accademia di San Luca gewählt wurde und damit der einflussreichen Zunft der Maler und Bildhauer in Rom vorstand.

Kindheit

Simon Vouet wurde am 9. Januar 1590 vermutlich in Paris als Sohn von Laurent Vouet, einem unbedeutenden Pariser Maler, geboren. Er hatte einen Bruder namens Aubin Vouet, der ebenfalls Maler wurde.

Ausbildung

Seinen ersten Unterricht erhielt er bei seinem Vater Laurent Vouet.

Der junge Simon Vouet verließ ein Frankreich, das sich noch von den Religionskriegen erholte. Reisen führten Simon schon in jungen Jahren nach London, wo er das Porträt einer „vornehmen Dame“ malte. Zurück in Paris führte sein wachsender Erfolg dazu, dass ihn der französische Botschafter, Achille de Harlay de Sancy, auswählte, ihn nach Konstantinopel (1611–1612) zu begleiten, um ein Porträt des Paschas anzufertigen. Nach nur einer einzigen Begegnung mit Sultan Ahmed I. soll Vouet dessen Porträt aus dem Gedächtnis gemalt haben.

Werke

Simon Vouets Aufenthalt in Italien (1613–1627) begann in Venedig, wo er sich zunächst von der lebendigen und farbenprächtigen Malerei der Venezianer, wie etwa von Paolo Veronese, inspirieren ließ.

Gegen Ende des Jahres 1613 kam Simon Vouet in Rom an. Die Ewige Stadt war im frühen 17. Jahrhundert die unbestrittene Hauptstadt der Künste und zog Künstler aus ganz Europa an, die die großen Vertreter der Renaissance, wie Raffael und Michelangelo Buonarroti, bewunderten und gleichzeitig von den Stilen der beiden kurz zuvor verstorbenen Meister, Annibale Carracci (1560–1609) und Caravaggio (1571–1610), lernten. Simon Vouet schloss sich stilistisch zunächst den Caravaggisten an, nahm dabei aber auch Anregungen aus der Bologneser Schule der Carraccis auf.1 Seine Interpretation von Caravaggios Naturalismus zeichnet sich durch eine feinfühlige Farbgebung und sentimentale Eleganz aus. Meist nutzte Vouet eine Halbfigur vor dunklem Hintergrund, wobei er den Hell-Dunkel-Kontrast betonte, wenn auch sanft moduliert. Der Realismus in Anatomie und Gesicht wird in seiner Gelassenheit erhöht. Durch den außergewöhnlichen Einsatz von Licht hebt der Maler das Dargestellte vom Realen zum „Übernatürlichen“.

Ludwig XIII. unterstützte Vouet spätestens ab 1618 durch eine Pension von 450 Livres. Zu Vouets wichtigsten römischen Mäzenen gehörte Kardinal Maffeo Barberini, der 1623 als Urban VIII. zum Papst gewählt wurde. Bereits in Rom hatte Simon Vouet Schüler und erlangte bald eine führende Rolle unter den französischen und französischsprachigen Malern, zu denen außer seinem Bruder Aubin Vouet, Claude Vignon, Charles Mellin, Valentin de Boulogne, Nicolas Poussin und Nicolas Tournier gehörten. Einen guten Kontakt hatte Vouet auch zu dem Kupferstecher Claude Mellan (1598–1688), den er unterrichtete und der viele von Vouets Bildern durch seine meisterhaften Stiche verbreitete. Eine weitere Anhängerin des Caravaggismus war Artemisia Gentileschi, die 1620 aus Florenz wieder nach Rom zurückgekehrt ist und sich dem Kreis um Vouet anschloss.

Nach einigen Jahren genoss Vouet einen so guten Ruf, dass er auch Aufträge außerhalb Roms annahm. So malte er 1620 für die Certosa di San Martino in Neapel eine Darstellung des „Hl. Bruno, der die Regeln vom Jesuskind erhält“. Ob Vouet persönlich nach Neapel reiste, ist nicht bekannt. Seine Affinität zur neapolitanischen Malerei, die sich an einigen seiner Gemälde nachweisen lässt, könnte auch auf einen Kontakt mit Massimo Stanzione (1585–1656) zurückgehen, der wahrscheinlich gleichzeitig mit Vouet in der römischen Kirche San Lorenzo in Lucina arbeitete.

Zwischen März und September 1621 wohnte Simon Vouet in Genua als Gast von Giovan Carlo Doria und seinem Bruder Marcantonio in der Villa Doria von Sampierdarena.2 Der französische Maler gehörte zu den Lieblingskünstlern von Giovan Carlo Doria, dessen Sammlung eine zentrale Rolle in der Erneuerung der figurativen Kultur im Genua des 17. Jahrhunderts spielte.3 Doria besaß den „David mit dem Haupt des Goliath“ (Musei di Strada Nuova – Palazzo Bianco, Genua, Inv.-Nr. 2201), ein deutlich von Caravaggio beeinflusstes Sujet. Auch Orazio Gentileschi, der sich zur selben Zeit in Genua aufhielt, griff das Thema in verschiedenen Versionen und Formaten auf. In diesem Sommer entstand auch ein Porträt von Don Paolo Orsini, den Herzog von Bracciano. Das Altarbild der „Kreuzigung“ für die Kirche Sant’Ambrogio sandte er von Rom aus nach Genua. Im November 1621 besuchte er Giulio Cesare Procaccini (1574–1625) in dessen Werkstatt in Mailand. Vouets Malstil entwickelte sich hin zu einem breiteren und klareren Stil und kündigte damit die bedeutenden Pariser Aufträge der zweiten Hälfte seiner Karriere an.

1624 wurde Vouet die Ehre zuteil, als erster Franzose zum Leiter („principe“) der Accademia di San Luca ernannt zu werden, als Nachfolger von Antiveduto Grammatica. Er war der erste französische Künstler, der einen prestigeträchtigen Auftrag für den Petersdom in Rom (1626) erhielt: ein großes Wandgemälde, das die Kreuzverehrung und Symbole der Passion darstellt und sowohl als Hintergrund als auch als Rahmen für Michelangelos „Pietà“ diente (→ ). Die Malerei wurde noch im 17. Jahrhundert zerstört, sie kann aber durch weltweit verstreute Fragmente eines von Vouet angefertigten großen Vormodells nachempfunden werden.

Am 21. April 1626 heiratete Simon Vouet in Rom die Miniatur- und Pastellmalerin Virginia Vezzi (oder da Vezzi), die er im Jahr zuvor kennengelernt hatte, und die ihm am 9. März 1627 seine erste Tochter Francesca schenkt. Vezzi wurde früher als wunderschöne Muse des französischen Künstlers beschrieben,4 gilt heute als Muse aber auch selbstständige Künstlerin.

Paris

Da Simon Vouet inzwischen der international berühmteste französische Maler war, ließ ihn Ludwig XIII. nach Paris zurückberufen. Nach einem Aufenthalt in Venedig traf Vouet am 25. November 1627 zusammen mit seiner Familie und zwei Schülern in Paris ein. Seine Erfolge veranlassten Ludwig XI., ihn 1627 zu seinem Ersten Maler zu berufen. Nach fünfzehn erfolgreichen Jahren in Italien begann Vouet in Paris an der Seite von Rubens ein weiteres Kapitel seiner eindrucksvollen Karriere.

Ludwig XIII. ernannte Simon Vouet zu seinem „premier peintre du Roy [Ersten Maler des Königs]“ und ließ sich persönlich von Vouet im Malen unterrichten, weil er selber Pastellporträts von seinen Höflingen anfertigen wollte. Vouet erhielt eine Wohnung im Louvre und war von für die Dekoration der königlichen Schlösser verantwortlich: den Louvre, das Neue Schloss von Saint-Germain-en-Laye und das Palais du Luxembourg. Um dieses Pensum und die zahlreichen Aufträge aus dem Adel bewältigen zu können, gründete er eine große Werkstatt, aus der in der Folge zahlreiche Schüler und bedeutende Künstler hervorgingen, u. a. Eustache Le Sueur, Pierre Mignard, Charles Le Brun, Michel Corneille d. Ä., der Gartenarchitekt André Le Nôtre, sowie Vouets Schwiegersöhne Michel Dorigny und François Tortebat.

Simon Vouet malte zahlreiche Gemälde für Kirchen und Palais’ in Paris. Er schuf Hochaltäre in einem italienisierenden Stil für die Kirchen Saint-Nicolas-des-Champs, Saint-Eustache (um 1635), und Saint-Paul-Saint-Louis (um 1640). Diese Altäre gehörten damals zu den am meisten bewunderten Werken von Paris. Nur der erstgenannte ist heute noch im Originalzustand und vor Ort erhalten, die Gemälde der beiden anderen befinden sich in verschiedenen Museen (u. a. im Louvre, Paris).

1632 dekorierte er für Kardinal Richelieu die Galerie und die Kapelle des (heutigen) Palais Royal und die Kapelle in dessen Schloss in Rueil-Malmaison. Weitere große Dekorationen schuf Vouet im Hôtel de Séguier, für den Marschall d’Effiat in Schloss Chilly, und in den Schlössern des Präsidenten Fourcy und des Finanzministers Claude de Bullion. Tragischerweise sind die meisten dieser Dekorationen Vouets in ihrer Originalgestalt nicht mehr erhalten, Bruchstücke befinden sich heute in verschiedenen Museen, wie seine berühmte Allegorie des Reichtums, und die Allegorien der Tugend und der Caritas im Louvre (Paris), deren oft vermuteter Ursprung aus dem Schloss von Saint-Germain-en-Laye nicht bewiesen ist. Neben Gemälden schuf er auch Entwürfe für Gobelins, darunter die Auffindung Moses im Louvre.

Vouet und Poussin

Vouets dominierende Position als führender Künstler der französischen Hauptstadt wurde erst in Frage gestellt, als der Klassizist Nicolas Poussin Ende 1640 auf Wunsch des Königs von Rom nach Paris kam und anstelle von Vouet zum „premier peintre“ ernannt wurde. Verständlicherweise fühlte sich Vouet durch diese Zurücksetzung gekränkt und schlug sich auf die Seite von Poussins Gegnern, einer Partei von Künstlern und Anhängern von Peter Paul Rubens. Nicolas Poussin hatte aber vermutlich nie beabsichtigt, sich dauerhaft in Paris niederzulassen und weder Interesse noch Talent für große Dekorationsaufträge oder für Streitereien. Deshalb kehrte der Maler Ende September 1642 nach Rom zurück.

Werke (Auswahl)

  • Simon Vouet, Sängerin mit Gitarre, um 1618 (Metropolitan Museum, New York)
  • Simon Vouet, Porträt eines betrunkenen Mannes (Blanton Museum of Art, University of Texas, Austin)
  • Simon Vouet, Die Wahrsagerin, um 1620 (National Gallery of Canada, Ottawa)Simon Vouet, Die Kreuzigung (Musée des Beaux-Arts, Lyon)
  • Simon Vouet, Martha tadelt ihre eitle Schwester Maria Magdalena, um 1621 (Kunsthistorisches Museum, Wien)
  • Simon Vouet, Gian Carlo Doria, 1621 (Louvre, Paris)
  • Simon Vouet, Judith mit dem Haupt des Holofernes, 1620/22 (Kunsthistorisches Museum, Wien)
  • Simon Vouet, Madonna mit der Rose (Musée des Beaux-Arts, Marseille)
  • Simon Vouet, Verkündigung, um 1625 (Uffizien, Florenz)
  • Simon Vouet, Hl. Caecilia, 1625–1627 (Blanton Museum of Art, University of Texas, Austin)
  • Simon Vouet, Selbstporträt, um 1626/27 (Musée des Beaux-Arts, Lyon)
  • Simon Vouet, Die Zeit (Saturn) besiegt von Hoffnung, Liebe und Schönheit, um 1627 (Prado, Madrid)
  • Simon Vouet, Toilette der Venus, 1629 (Cincinnati Art Museum)
  • Simon Vouet, Heilige Familie mit den Hl. Elisabeth, Johannes d. Täufer und Katharina, um 1627–1630 (Prado, Madrid)
  • Simon Vouet, Grablegung Christi, um 1636 (Musée d'art moderne André Malraux, Le Havre)
  • Simon Vouet, Ludwig XIII. zwischen Frankreich und Navarra, 1636–1638, Öl auf Leinwand, 163 x  189,2 cm (Louvre, Paris)
  • Simon Vouet, Allegorie des Glaubens und der Verachtung des Reichtums, um 1635–1640 (Louvre, Paris)
  • Simon Vouet, Raub der Europa, um 1640 (Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid)
  • Simon Vouet, Die Darbringung im Tempel, 1641 (Louvre, Paris)
  • Simon Vouet, Die Zeit (Saturn) besiegt von Liebe, Schönheit und Hoffnung, um 1645 (Musée du Berry, Bourges)

Tod

Simon Vouet starb am 30. Juni 1649 und wurde in der Kirche Saint-Jean-en-Grève in Paris begraben. Weder Kirche noch Grab sind erhalten.

Literatur zu Simon Vouet

  • Simon Vouet les années italiennes 1613/1627, hg. v. D. Jacquot und A. Collange-Perugi (Ausst.-Kat. Musée des Beaux-Arts, Nantes, 21.11.2008–23.2.2009; Musée des Beaux-Art et d’Archéologie, Besançon, 27.3.–29.6.2009) Paris 2008.
  • L. Pericolo, Simon Vouet a Genova, in: P. Boccardo, C. Di Fabio (Hg.), Genova e la Francia. Opere, artisti, committenti, collezionisti, Mailand 2003, S. 91–107.
  • V. Farina, Un’ipotesi per il soggiorno genovese di Simon Vouet, in: Napoli Nobilissima, V, Bd. II, fasc. I-IV (Januar-August 2001) S. 47–70.
  • Vouet, hg. v. J. Thuillier, B. Brejon de Lavergnée und D. Lavalle (Ausst.-Kat. Galeries nationales du Grand Palais, Paris, 6.11.1990–11.2.1991) Paris 1990.
    • J. Thuillier, Qui fu Simon Vouet?, S. 13–149.
  • G. Dargent, J. Thuillier, Simon Vouet en Italie. Essai de catalogue critique, in: Saggi e memoria di storia dell’arte, 4 (1965) S. 25–63.
  • W.R. Crelly, The Painting of Simon Vouet, New Haven 1962.
  • Y. Picart, La vie et l’œuvre de Simon Vouet. I. Les jeunes années et le séjour en Italie, Paris 1958.