Sensible Helldunkelzeichnungen, kritische Moralsatiren, Porträts, oder weite Landschaften – kaum eine Epoche der europäischen Kunstgeschichte sah eine so erstaunliche Vielfalt der Zeichenkunst wie die Niederlande des 16. Jahrhunderts. Mit größter technischer Virtuosität und außerordentlichem Erfindungsreichtum schufen die Künstler der Zeit Bilder einer sich radikal verändernden Lebenswelt. Politische Ereignisse wie die Schlachten des 80-jährigen Kriegs zwischen den Nördlichen und Südlichen Niederlanden, die Reformation, das Aufblühen des Kolonialhandels sowie die zunehmende Urbanisierung sind nicht direkt thematisiert, dennoch veränderten sie - wie auch die Reformation - Wahrnehmung und Kommunikation. Niederländische Künstler zeichneten, um zu reflektieren und vorzubereiten. Sie schufen monumentale und handliche Entwürfe für Scheibenrisse (Glasfenster), für kostbare Luxusobjekte, Gemälde oder Druckgrafiken. Gegen Ende des Jahrhunderts erreichte Hendrick Goltzius einen solch hohen Grad an Meisterschaft in der Zeichnung, dass seine Meisterblätter um ihrer selbst willen geschätzt und gesammelt wurden. Damit lösten niederländische Künstler die Zeichnung aus dem Kontext von Vorbereitung und Studium, um sie zum direkten Ausdruck des Künstlers zu mythisieren.
Österreich | Wien: Albertina
15.2. – 24.5.2023
Pieter Bruegel der Ältere ist zweifellos der berühmteste niederländische Künstler des 16. Jahrhunderts. Obschon er im Alter von etwa 40 Jahren (1569) verstarb, hinterließ er beachtliches Werk an innovativen Zeichnungen und neuartigen Landschaftsdarstellungen. Viele von den Arbeiten auf Papier dienten als Vorlagen für Druckgrafiken, die von Professionalisten umgesetzt wurden. Seine künstlerische Ausbildung hatte Bruegel im Antwerpener Atelier des Pieter Coecke van Aelst erhallten; dessen Frau Mayken Verhulst bildete ihn auch zum Miniaturmaler aus (um 1545–1550). Ab 1551 als Freimeister in Antwerpen eingetragen, datieren die ersten Zeichnungen aus diesen Jahren. Ab 1554 arbeitete Bruegel mit dem Verleger Hieronymus Cock zusammen. Für dessen Verlag „Aux Quatre Vents“ zeichnete er erste Landschaften (sic!), moralisierende Bilder in der Tradition von Hieronymus Bosch und Genrebilder. Als Bruegel 1563 nach Brüssel umzog, heiratete er Mayken Coecke van Aelst, der Tochter seines vermutlichen Lehrmeisters.
Die Ausstellung der Albertina präsentiert eine Auswahl von rund 90 Werken aus eigenem Bestand, die diese unvergleichliche Blüte der Zeichnung veranschaulicht. Neben berühmten Meisterwerken von Jan de Beer, Pieter Bruegel der Ältere oder Hendrick Goltzius werden auch Blätter gezeigt, die nach erstmaliger Bearbeitung nun einer größeren Öffentlichkeit präsentiert werden. Das Projekt entsteht mit großzügiger Unterstützung der Regierung Flanderns.
Kuratiert von Laura Ritter
Quelle: Albertina, Wien
Jan de Beer | Abraham Bloemaert | Hans Bol | Hieronymus Bosch | Crispin van den Broeck | Pieter Bruegel d. Ä. | Jan Brueghel der Ältere | Pieter Coecke van Aelst | Cornelis van Haarlem | Jacob de Gheyn II. | Hendrick Goltzius | Jan Gossaert | Maarten van Heemskerck | Jacob Hoefnagel | Joris Hoefnagel | Aertgen van Leyden | Karel van Mander I. | Jacob Matham | Jacob Savery I. | Roelant Savery | Pieter Stevens II. | Jan van Stinemolen | Jan van der Straet | Lucas van Valckenborch | Dirck Vellert | Tobias Verhaecht | David Vinckboons | Maerten de Vos | Paul Vredeman de Vries | Jan Wierix | Joachim Wtewael u. a.
Laura Ritter, Emily J. Peters (Hg.)
Geleit von Jan Jambon und Beiträge von K. Jonckheere, S. Porras, C. Schaaf-Fundneider
240 Seiten, 155 Abbildungen in Farbe, 24,5 × 28,5 cm, gebunden
978-3-7774-4042-2
HIRMER Verlag