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10 Dinge, die man über Auguste Rodin wissen sollte Berühmteste Skulpturen, Radikalität, Beziehungen

Veröffentlicht von Alexandra Matzner von 22. April 2018
Auguste Rodin, Der Kuss, Detail, 1886, Marmor, dritte Kopie der Skulptur (Ny Carlsberg Glyptotek, Kopenhagen), Foto: Philipp Weissenbacher

Auguste Rodin, Der Kuss, Detail, 1886, Marmor, dritte Kopie der Skulptur (Ny Carlsberg Glyptotek, Kopenhagen), Foto: Philipp Weissenbacher

Auguste Rodin (1840–1917) ist vielleicht der berühmteste Bildhauer der Klassischen Moderne (→ Klassische Moderne). Die Popularität von Werken wie „Der Kuss” und die Universalität von „Der Denker“ haben ihm weltweit großen Ruhm beschert. Hier finden Sie zehn Punkte über den radikalen Bildhauer, die der Kunst unter seiner Ägide eine neue Richtung verliehen.

 

Rodins berühmteste Skulpturen waren anfangs nicht als autonome Werke gedacht

„Der Kuss“ und „Der Denker“ sind zweifellos Rodins berühmteste Werke, aber sie waren ursprünglich nur als kleine Figuren eines monumentalen Tores gedacht (→ Auguste Rodin: Werke). Das nie vollendete Werk sollte den Eingang des neuen Museum für Kunstgewerbe in Paris schmücken. Das Museum wurde jedoch nie gebaut. Dessen ungeachtet setzte Rodin seine Arbeit am so genannten „Höllentor“ bis zu seinem Lebensende fort. Die Figuren, die sich der Bildhauer als erzählerische und schmückende Elemente des Portals ausgedacht hatte, bekamen ein Eigenleben. Rodin entwickelte sie zu monumentalen Formaten weiter und stellte sie ohne ihren ursprünglichen Kontext aus. Neben „Der Kuss“ und „Der Denker“ gehörten auch „Adam“ und „Eva“ ursprünglich zum Personal des „Höllentores“.

 

Auguste Rodin, Das Höllentor, um 1890, erster Bronzeguss des Portals postum 1926 (Musée Rodin, Paris)
Auguste Rodin, Das Höllentor, um 1890, erster Bronzeguss des Portals postum 1926 (Musée Rodin, Paris)

 

„Der Kuss“ - verdammte Liebende aus Dantes „Inferno“

Wenn auch die Skulptur heute als Ikone der romantischen Liebe gilt, so war sie vom Künstler so nicht konzipiert worden. Stattdessen stellen sie das in der Kunst des 19. Jahrhunderts häufig anzutreffende Liebespaar Paolo und Francesca aus Dantes „Göttlicher Komödie“ dar. Francesca und Paolo waren verschwägert und von Ehemann bzw. Bruder ermordet worden, nachdem ihr Betrug aufgeflogen war. „Der Kuss“ stellt das leidenschaftliche Liebespaar kurz vor seinem Tod in inniger Umarmung dar.

 

Auguste Rodin, Der Kuss, um 1882–1887, (Modell), Bronze © The National Museum of Western Art, Tokyo. Matsukata Collection.
Auguste Rodin, Der Kuss, um 1882–1887, (Modell), Bronze © The National Museum of Western Art, Tokyo. Matsukata Collection.
Auguste Rodin, Der Kuss, 1886, Marmor, dritte Kopie der Skulptur (Ny Carlsberg Glyptotek, Kopenhagen), Foto: Philipp Weissenbacher
Auguste Rodin, Der Kuss, 1886, Marmor, dritte Kopie der Skulptur (Ny Carlsberg Glyptotek, Kopenhagen), Foto: Philipp Weissenbacher

 

„Der Denker“ hatte schon viele verschiedene Namen

Auch „Der Denker“ war ursprünglich als bekrönende Figur des „Höllentores“ angelegt worden. Ursprünglich sollte er Minos, den Richter der Verdammten aus der „Göttlichen Komödie“ Dantes darstellen. Der Name „Der Denker“ stammt nicht von Auguste Rodin selbst, sondern mit Mitarbeitern der Gießerei. Diese hatten die Ähnlichkeit der sitzenden, sich auf seinen Arm abstützenden Figur mit der Statue des Lorenzo de‘ Medici von Michelangelo Buonarroti bemerkt. Die Skulptur von dem Medici-Grabmal wurde „Il Penseroso [Der Denker]“ gerufen.

 

Auguste Rodin, Der Denker (mittleres Modell), um 1880, bronzierter Gips, 72 x 37 x 57,5 cm (Musée Rodin, Paris Foto: Christian Baraja)
Auguste Rodin, Der Denker (mittleres Modell), um 1880, bronzierter Gips, 72 x 37 x 57,5 cm (Musée Rodin, Paris Foto: Christian Baraja)
Auguste Rodin, Der Denker, um 1880, Bronze, 34,5 x 63 cm (Kunstmuseum Ateneum, Staatliches Kunstmuseum Finnland, Helsinki © Staatliches Kunstmuseum Finnland, Zentrales Kunstarchiv, Hannu Aaltonen)
Auguste Rodin, Der Denker, um 1880, Bronze, 34,5 x 63 cm (Kunstmuseum Ateneum, Staatliches Kunstmuseum Finnland, Helsinki © Staatliches Kunstmuseum Finnland, Zentrales Kunstarchiv, Hannu Aaltonen)

 

Rodin war kein Marmorbildhauer

Wenn auch Auguste Rodin manchmal mit Hammer und Meissel für die Kamera posierte, so modellierte er doch in Ton – und überließ das Hauen in Marmor oder den Bronzeguss anderen. Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter auch Camille Claudel, führten Rodins Entwürfe unter strenger Aufsicht des Meisters aus.

 

Dornac (Pseudonyme Paul Cardon oder Pol Marsan), Rodin in seinem Atelier vor dem Denkmal für Sarmiento, um 1898, Abzug auf Albuminpapier, 26,5 x 21 cm (Musée Rodin, Paris)
Dornac (Pseudonyme Paul Cardon oder Pol Marsan), Rodin in seinem Atelier vor dem Denkmal für Sarmiento, um 1898, Abzug auf Albuminpapier, 26,5 x 21 cm (Musée Rodin, Paris)

 

Rodin hatte viele romantische Beziehungen

Auguste Rodin galt unter seinen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen als attraktiver, charmanter und natürlich auch berühmter Mann, der viel weibliche Bewunderung auf sich zog. Unter seinen Verehrerinnen waren talentierte Künstlerinnen, Tänzerinnen und Schauspielerinnen (→ Auguste Rodin: Biografie).

Die bekannteste Geliebte Rodins war Camille Claudel (1864–1943), die Rodin 1883 kennenlernte. Die begabte Bildhauerin war gerade 18 Jahre alt, als sie eine leidenschaftliche und stürmische Beziehung mit dem fast doppelt so alten Rodin einging. Beide beeinflussten einander auch in künstlerischer Hinsicht, darf doch nicht vergessen werden, dass Camille Claudel eine ernstzunehmende Künstlerin war. Sie arbeitete viele Jahre hindurch in Rodins Atelier und assistierte dem zunehmend berühmten Künstler bei dessen Aufträgen. Später beschuldigte sie Rodin, ihre Ideen gestohlen und sogar geplant zu haben, sie zu ermorden. Camille Claudel zerstörte viele ihrer Arbeiten. Da ihre Familie – und auch die zeitgenössischen Psychiater – davon ausgingen, dass Claudel geistig erkrankt wäre, wurde sie lebenslang in eine Nervenheilanstalt gesperrt.

Die amerikanische Tänzerin Isadora Duncan schrieb in ihren Memoiren, dass August Rodin versucht hätte, sie zu verführen.

Die Waliser Künstlerin Gwen John begann 1904 für Auguste Rodin Modell zu stehen. Sie war 28 Jahre alt und wurde bald die Geliebte des Bildhauers. Die Beziehung dauerte zehn Jahre. Johns Liebe war so groß, dass sie ihm über 1.000 Briefe schrieb – und er sich von ihr distanzierte.

Wenn sich auch Auguste Rodin für viele Frauen interessierte, so führte er dennoch eine lange Beziehung mit der Näherin Rose Beuret (1844–1917). Diese begann bereits 1864 und führte zu einem gemeinsamen Kind. Auguste Rodin heiratete Rose zwei Wochen vor ihrem Tod im Februar 1917. Wenige Monate später verstarb Rodin im Alter von 77 Jahren in Meudon, wo er auch bestattet wurde.

 

William Elborne, Camile Claudel und ihre Freundin Jessie Lipscombe modellieren im Atelier in der Notre-Dame-des-Champs 117, Paris, 1887 (Musée Rodin, Foto: Jean de Calan)
William Elborne, Camile Claudel und ihre Freundin Jessie Lipscombe modellieren im Atelier in der Notre-Dame-des-Champs 117, Paris, 1887 (Musée Rodin, Foto: Jean de Calan)

 

Bildhauer der Moderne ließ sich von antiker griechischer Kunst inspirieren

Auguste Rodin besaß eine Sammlung von über 6.000 antiken Artefakten und baute in Meudon ein Museum, um die ständig wachsende Kollektion unterzubringen. Er präsentierte die Werke den Besuchern in der Nacht, um die subtile Modellierung der behauenen Marmorsteine zu vermitteln.

Der berühmte Bildhauer kehrte zu den antiken Werken immer wieder zurück, weiter besichtigte er die Parthenon Skulpturen im British Museum in London, um sich an den Werken des Phidias zu schulen. In letzter Konsequenz entfernte er die Köpfe und Extremitäten seiner eigenen Skulpturen, um sie mehr wie archäologische Funde aus der Vergangenheit aussehen zu lassen. Auf diese Weise eröffnete Auguste Rodin den Bildhauern der Moderne den Torso.

 

Auguste Rodin, Fliegende Figur, um 1890/91 (Museum der Moderne Salzburg – Dauerleihgabe der Kasser Foundation), Ausstellungsansicht Leopold Museum 2016, Foto: Alexandra Matzner
Auguste Rodin, Fliegende Figur, um 1890/91 (Museum der Moderne Salzburg – Dauerleihgabe der Kasser Foundation), Ausstellungsansicht Leopold Museum 2016, Foto: Alexandra Matzner

 

Rodins Talent wurde nicht sofort erkannt

Rodins Werdegang zeigt deutlich, wie sehr er sich von Anfang an nicht in die Tradition der französischen Bildhauerei einfügen wollte oder konnte. Er machte drei Mal die Aufnahmeprüfung für die École des Beaux-Arts in Paris, die er jedes Mal nicht bestand. Daraufhin arbeitete er mehrere Jahre für den bekannten Bildhauer Albert Ernest Carrier-Belleuse, wo er vor allem jene Fähigkeiten erwarb, die das Führen eines großen Ateliers erforderte. Er im Alter von 40 Jahren erhielt Auguste Rodin mit dem „Höllentor“ seinen ersten großen Auftrag.

 

Kontroversen und Skandale

Bereits mit seinen frühesten Werken erregte Auguste Rodin Aufmerksamkeit und provozierte Kontroversen innerhalb des Kunstzirkels. Seine Skulptur „Das Zeitalter der Bronze“ (1877) war so lebensecht, dass man Rodin beschuldigte, er hätte sie nicht modelliert, sondern einen Naturabguss hergestellt. Um diesem Urteil zu entgehen, vergrößerte oder verkleinerte Rodin in der Folge seine Figurendarstellungen.

Die freizügige Darstellung nackter Körper erregte die Öffentlichkeit mehrmals. Als 1913 eine Marmorversion von „Der Kuss“, die im Auftrag des Sammlers Edward Percy Warren entstanden war, in der Lewes Town Hall präsentiert wurde, provozierte sie so viel Widerstand, dass sie abgekordelt und mit einem Tuch verhüllt werden musste. Heute befindet sich das Werk in der Sammlung der Tate.

 

Auguste Rodin, Das Eherne Zeitalter, 1877, Bronze, Sandguss, 180,5 x 68,5 x 54,5 cm (Musée Rodin, Paris)
Auguste Rodin, Das Eherne Zeitalter, 1877, Bronze, Sandguss, 180,5 x 68,5 x 54,5 cm (Musée Rodin, Paris)

 

Radikalität von Anfang an

„Der Mann mit der gebrochenen Nase“ (1863/64) zählt zu Rodins ersten eigenständigen Büsten. Da sich der aufstrebende Künstler keine Heizung in seinem Atelier leisten konnte, gefror die Tonbüste eines Nachts. Da zu wenig Zeit blieb, um das so entstandene Loch am Hinterkopf des Porträts noch herzurichten, reichte Rodin sie unter dem Titel „Maske“ am Salon von 1865 ein. Die Jury wies das Werk mit dem Hinweis auf seinen fragmentarischen Zustand zurück.

Zu den wichtigsten Konzepten, die Rodin der modernen Kunst hinterlassen hat, zählt zweifellos seine Auffassung von Kunst als Prozess, vom unabschließbaren Kunstwerk, vom Wert der Idee unabhängig von der Ausführung.

 

Auguste Rodin, Der Mann mit der gebrochenen Nase, modelliert 1863/64, gegossen 1925, Bronze (© Philadelphia Museum of Art)
Auguste Rodin, Der Mann mit der gebrochenen Nase, modelliert 1863/64, gegossen 1925, Bronze (© Philadelphia Museum of Art)

 

Bilder

  • William Elborne, Camile Claudel und ihre Freundin Jessie Lipscombe modellieren im Atelier in der Notre-Dame-des-Champs 117, Paris, 1887 (Musée Rodin, Foto: Jean de Calan)
  • Auguste Rodin, Der Mann mit der gebrochenen Nase, modelliert 1863/64, gegossen 1925, Bronze (© Philadelphia Museum of Art)
  • Auguste Rodin, Das Eherne Zeitalter, 1877, Bronze, Sandguss, 180,5 x 68,5 x 54,5 cm (Musée Rodin, Paris)
  • Auguste Rodin, Der Denker, um 1880, Bronze, 34,5 x 63 cm (Kunstmuseum Ateneum, Staatliches Kunstmuseum Finnland, Helsinki © Staatliches Kunstmuseum Finnland, Zentrales Kunstarchiv, Hannu Aaltonen)
  • Auguste Rodin, Das Höllentor, um 1890, erster Bronzeguss des Portals postum 1926 (Musée Rodin, Paris)
  • Auguste Rodin, Fliegende Figur, um 1890/91 (Museum der Moderne Salzburg – Dauerleihgabe der Kasser Foundation), Ausstellungsansicht Leopold Museum 2016, Foto: Alexandra Matzner, ARTinWORDS
  • Dornac (Pseudonyme Paul Cardon oder Pol Marsan), Rodin in seinem Atelier vor dem Denkmal für Sarmiento, um 1898, Abzug auf Albuminpapier, 26,5 x 21 cm (Musée Rodin, Paris)

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Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.
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