Gerard ter Borch: nl. Maler des Barock | ARTinWORDS

Gerard ter Borch

Wer war Gerard ter Borch?

Gerard ter Borch (Zwolle um 1617/18–8.12.1681 Deventer) war ein niederländischer Maler und Zeichner des Barock. Neben Jan Vermeer gilt Gerard ter Borch als einer der Hauptmeister der holländischen Genremalerei.

Kindheit & Ausbildung

Gerard ter Borch (der Jüngere, auch Gerard Terborch und Gerard Terborgh) wurde vermutlich um das Jahr 1617 in Zwolle geboren. Zumindest legt das die von seiner Halbschwester Gesina (1631–1690) verfasste Grabinschrift nahe (jul. Kalender); während Houbraken wurde er 1618 geboren (gregorian. Kalender). Gesina entstammte der dritten Ehe von Ter Borchs Vater.

Seine erste Ausbildung als Zeichner erhielt Gerard ter Borch von seinem Vater Gerard ter Borch d. Ä. (1584–1662), der zwischen 1604 und 1611 in Italien lebte. Erste Werke Ter Borchs, die der Vater sorgfältig aufbewahrte, stammen aus dem Jahr 1625. Sie zeigen Genreszenen und vor allem Landschaften aus der Umgebung von Zwolle.

Gegen 1632 ist Gerard ter Borch erstmals in Amsterdam nachweisbar (durch Inschriften auf zwei Zeichnungen). Dort dürfte er Pieter Codde und Willem Duyster kennengelernt haben. 1633 ging der Maler nach Haarlem, wo ihn sein Vater aufgrund seiner Naturbegeisterung beim Landschaftsmaler Pieter de Molijn (1595–1661) in die Lehre gab. Schon zwei Jahre später erhielt Gerard ter Borch das Meisterrecht und durfte seine Bilder signieren. Das früheste von ihm bekannte Werk stammt aus dem Jahr 1635 (ehemals Gemäldegalerie, Berlin).

Reisen

Noch im Sommer 1635 begab sich Gerard ter Borch nach London, wo sein Onkel Robert van Voerst (1597–1635 oder 1636) erfolgreich als Kupferstecher tätig war. Dort kam er in Kontakt zu Anthonis van Dyck. Gegen 1636 kehrte er für kurze Zeit nach Zwolle zurück, von wo aus er Studienreisen nach Deutschland, Italien, Frankreich und Spanien unternahm. Bis 1643 sind keine Dokumente erhalten, die wichtigste Quelle ist Houbraken. In Madrid malte er ein Porträt des spanischen Königs Philipp IV., das jedoch nicht erhalten ist.

Beginnende Auseinandersetzung mit der Genremalerei

Zwischen 1640 und 1645 befand er sich wieder in den Niederlanden, wo er vor allem in Holland und Amsterdam tätig gewesen ist. Erst jetzt erwachte in ihm das Interesse an der Genremalerei. Trotz seines ausgedehnten Wanderlebens blieb Gerard ter Borch zeitlebens der niederländischen Schule treu. Schon in seinen frühen Werken, die deutlich von den Amsterdamer Genremalern Pieter Codde und Willem Duyster beeinflusst sind, zeigt sich sein Interesse für die Wiedergabe menschlicher Figuren, die vorrangig von einer Seite beleuchtet werden und sich in Räumen mit spärlicher Einrichtung befinden. In diesem Genre – häufig Darstellungen mit Soldaten – waren seine Werke den größten Entwicklungen unterworfen.

Porträtist der Amsterdamer Elite

Zwischen 1644 und 1645 war Gerard ter Borch in Amsterdam als vielbeschäftigter Porträtist tätig und erlangte dadurch eine große Popularität. Es gelang ihm, in den vornehmsten Amsterdamer Regentenkreisen Eingang zu erhalten. Neben Porträts der Familien Six, De Graeff, Pancras, De Vicq schuf er auch Bildnisse von angesehenen Gelehrten wie Caspar van Baerle. Seinen Porträtstil entwickelte Garard ter Borch unter dem Einfluss des Haarlemer Malers Hendrick Pot. Bereits in den 1640er Jahren war dieser voll ausgereift und kaum Wandlungen unterworfen. Seine Modelle sind meist schwarz gekleidet und vor neutralen grauen Hintergründen abgebildet.

Gerard ter Borch am Friedenskongress in Münster

Diesem Bekanntheitsgrad verdankte er es, dass ihn 1646 der holländische Gesandte Adriaan Pauw bat, ihn zu den Friedensverhandlungen zwischen den Niederlanden und Spanien nach Münster zu begleiten. Dort durfte er viele der anwesenden Diplomaten porträtieren, wodurch er die Aufmerksamkeit des spanischen Gesandten, des Grafen von Peñeranda, erregte. Dieser nahm Gerard ter Borch in seine Dienste, so dass er Augenzeuge des am 15. Mai 1648 geschlossenen Separatfriedens zwischen den Niederlanden und Spanien wurde. Das Ereignis hielt er in seinem berühmten Gemälde „Der Friede von Münster“ (1648, Rijksmuseum, Amsterdam; The National Gallery, London) fest.

Meister des Interieurs

Noch im gleichen Jahr kehrte Gerard ter Borch nach Holland zurück, wo er in den nächsten Jahren in verschiedenen Städten tätig war. Malte Gerard ter Borch anfangs vor allem Szenen aus dem Volks- und Soldatenleben, spezialisierte er sich ab 1648 auf Interieurs mit einigen wenigen Figuren, die galante Paare und meist Damen beim Lesen, Schreiben, Musizieren oder der Toilette zeigen. Durch die bevorzugte Wahl des Hochformats erzielte Ter Borch eine weitere Konzentration auf die intimen Szenen.

Ter Borchs Werke scheinen oft Personen und Gegenstände aus seiner unmittelbaren Umgebung wiederzugeben. Dennoch suchte der Künstler sie in eine geheimnisvolle Atmosphäre zu tauchen, da die Beziehungen der Personen zueinander häufig im Dunkeln bleibt. Die Handlungen geben zuweil Rätsel auf. Ob die Szenen, in denen häufig schlafende Soldaten und Wein trinkende oder Briefe lesende Frauen zu sehen sind, moralisch oder feinmalerisch-koloristisch gemeint waren, ist in der Forschung strittig. Zumindest laden die sorgfältige Wiedergabe der Oberflächen, der sanfte Schein des Lichts, die Reflexe, die fein nuancierten, tonalen Abstufungen laden zum Betrachten der Bilder ein, womit sie sich an ein kunstinteressiertes Sammlerpublikum zu wenden scheinen.

Abwechselnd lebte Gerard ter Borch in Amsterdam, Den Haag, Haarlem, Kampen und Zwolle. Seine wichtigste Gattung war nun die Genremalerei, als deren bedeutendster Vertreter er heute gilt. Er war nachweislich mit dem 21-jährigen Jan Vermeer bekannt, mit dem er 1653 als Zeuge ein Dokument in Delft unterzeichnete.

Nach seiner Heirat mit Gertruijdt Mattijsen am 14. Februar 1654 ließ sich Gerard ter Borch endgültig in Deventer nieder. Ein Jahr später erwarb er das Bürgerrecht und unterrichtete Caspar Netscher (1639–1684). Von dort unternahm er im Zusammenhang mit Aufträgen einige kürzere Reisen in die westlichen Niederlande. Dass Gerard ter Borch in Denventer zu den Respektspersonen zählte, lässt sich daran ermessen, dass er 1655 zu einem der 48 „gemeensmannen [Bürgervertretern]“ gewählt wurde. Diese trafen sich vier oder fünf Mal pro Jahr, um über städtische Angelegenheiten zu entscheiden. Erst im Jahr 1667 entstand das große Gruppenporträt des Stadtrats von Deventer (Rathaus, Deventer).

Ab 1660 wandte sich Gerard ter Borch wieder vermehrt der Porträtmalerei zu, so dass nur noch wenige Genrebilder entstanden. So porträtierte Gerard ter Borch 1672 Prinz Willem III. Da Deventer kurz danach vor den Truppen aus Köln und Münster kapitulierte, musste das Bildnis versteckt gehalten werden. Wahrscheinlich verließ Ter Borch damals Deventer, bis 1674 die Besatzer die Stadt räumten und eine neue Verwaltung ernannt wurde. Als Gegenleistung für eine Kutsche porträtierte Gerard ter Borch Elia Trip 1680.

„Väterliche Ermahnung“

Zu seinen bekanntesten Werken zählt die früher sogenannte „Väterliche Ermahnung“, entstanden 1655 (Gemäldegalerie Berlin). Es existiert eine ähnliche Version im Rijksmuseum Amsterdam, die dort unter dem Titel „Galante Konversation“ geführt wird. Die Rückenfigur der Dame im weißen Atlaskleid erscheint darüber hinaus auch separat in einem um 1655 datierten Gemälde vor dem Bett mit roten Vorhängen (Staatliche Kunstsammlungen Dresden) sowie in zwei späteren Varianten („Die Musikstunde“, 1660; „Brieflesende Dame mit Page“, 1660).

Über die Jahrhunderte wurden in der Forschung verschiedene mögliche Deutungen diskutiert. Vorgeschlagen wurden unter anderem eine häusliche Szene, in der der Vater seine Tochter rügt, aber auch eine Brautwerbung. Seit dem 20. Jahrhundert ist sich die Forschung jedoch einig, dass es sich um eine Oberschicht-Bordellszene handeln dürfte. Vorübergehend hielt sich das Gerücht, der Mann hätte einmal eine Münze in der Hand gehalten, die von einem späteren Besitzer wegretuschiert worden wäre. Nach eingängiger Untersuchung stellte sich diese Annahme jedoch als falsch heraus. Für eine Bordellszene sprechen die verschiedenen Objekte im Gemälde, wie die Kerze (leicht entflammbare Liebe) auf dem Tisch oder das Bett im Hintergrund. Auch wenn eine sichere Deutung des Sujets schwierig ist, kann somit eine häusliche Szene als Bildthema ausgeschlossen werden.

Vorbild für Metsu, de Hooch und Vermeer

In der Art der Anordnung und Darstellung der Figuren beschritt Gerard ter Borch völlig neue Wege und wurde damit zum Wegbereiter für jüngere Meister, die sich an ihm orientierten. Beispielhaft seien hier nur Gabriel Metsu, Pieter de Hooch und Jan Vermeer genannt.

Tod

Gerard ter Borch starb am 8. Dezember 1681 in Deventer. Noch im gleichen Jahr hatte er ein ausführliches Testament erstellen lassen. Auf eigenen Wunsch wurde er in Zwolle in der Sankt-Michaels-Kirche beigesetzt.

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