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Anni Albers. Textilkünstlerin mit Folgen Leben, Werk und Wirkung der deutsch-amerikanischen Designerin

Veröffentlicht von Alexandra Matzner von 4. Januar 2018

Anni Albers (1899−1994, geb. Anneliese Fleischmann) ist die wohl anerkannteste Textilkünstlerin im 20. Jahrhundert. Bislang „überschattete“ ihre Ehe mit Josef Albers die Wahrnehmung von Anni Alberts und verhinderte gleichsam den Blick auf das höchst eigenständige Werk der Künstlerin. Erstmals seit fast 20 Jahren präsentiert die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen im K20 alle Facetten ihres Werks.

Anni Albers

Deutschland | Düsseldorf: K20 Grabbeplatz
9.6. – 9.9.2018

Arachne des 20. Jahrhunderts

Anni Albers widmete sich seit ihrem Studium am Bauhaus der Technik des Webens, waren Studentinnen doch der Zugang zu den Malereiklassen verwehrt. Als Künstlerin, Lehrerin am Bauhaus und am renommierten Black Mountain College sowie als Autorin setzte sie sich mit den Möglichkeiten und den Grenzen des Mediums Textil auseinander. Die Textilkunst von Albers changiert, den Idealen des Bauhaus verpflichtet, zwischen Kunst und Handwerk, zwischen vollwertigem künstlerischem Ausdruck und nützlichen oder industriellen Aspekten der Stoffproduktion und des Designs. Zeitlebens erforschte die Textilkünstlerin, Weberin und Grafikerin die Möglichkeiten der Abstraktion (→ Abstrakte Kunst).

 

Anni Albers am Bauhaus

Die Tochter aus einer großbürgerlichen Berliner Familie kam bereits als Kind mit Literatur und Kunstgewerbe in Kontakt. Ihre Mutter, Toni Fleischmann-Ullstein, stammte aus der deutsch-jüdischen Verlegerfamilie Ullstein, ihr Vater, Siegfried Fleischmann, war Möbelfabrikant. Bereits während sie die Schule besuchte, erhielt Anneliese Fleischmann privaten Unterricht. Sten Nadolyn erinnerte sich an ihr schwieriges Temperament:

„Anni … war in der Fleischmann-Familie die schwierigste. Sie war auch die Schönste, eine Femme fatale ersten Ranges … Bohémienne wollte sie sein, Revolutionärin, Künstlerin.“

Mit 17 Jahren besuchte sie das von Martin Brandenburg geführte Studienatelier für Malerei und Plastik und Berlin, wo sie eine dreijährige akademische Ausbildung absolvierte. Die Dresdner Akademie für Malerei, genauer Oskar Kokoschka, lehnte sie als Kunststudentin ab, weshalb sie sich 1919 an der Hamburger Kunstgewerbeschule einschrieb – zumindest für zwei Monate. Ab 1922 studierte Anneliese Fleischmann am Staatlichen Bauhaus in Weimar. Hier wurde sie von Johannes Itten und Georg Muche (Vorkurs) unterrichtet, bevor sie in die Webereiklasse wechselte und 1929/30 mit „einem lichtreflektierenden, schalldämpfenden und leicht zu reinigenden Material aus Baumwolle und Cellophan für die Fenster einer Aula“ diplomierte.

Bereits 1925 hatte sie den Künstler und Kunstpädagogen Josef Albers geheiratet. Ihr Mann wurde 1925 Meister des Bauhaus-Grundkurses in Dessau. Anni Albers leitete 1928/29, 1930/31 und ab 1931 kommissarisch die Weberei-Klasse am Bauhaus. Paul Klee hatte in Anni Albers das Interesse an der Abstraktion geweckt. Dafür war aber weniger sein Unterricht verantwortlich, als vielmehr

„durch das Betrachten davon, was er mit einer Linie oder einem Punkt oder einem Pinselstrich machte und ich versuchte in gewisser Weise, meinen Weg durch mein eigenes Material und meine eigenes Handwerksfach zu finden“ (Anni Albers im Interview, 1968, Archives of American Art, Smithsonian Institution).

 

Weben am Black Mountain College

1933 wurde das Bauhaus endgültig geschlossen und das Ehepaar Albers emigrierte in die USA. Während Josef Albers bereits im November 1933 seine Lehrtätigkeit am Black Mountain College in North Carolina aufnehmen konnte, wurde Anni Alberts erst 1939 berufen. Beide unterrichteten bis 1949, Anni Albers als Assistant Professor Weberei. Neben der Lehre arbeitete Anni Albers auch als selbständige Textildesignerin von handgewebten und maschinell gefertigten Stoffen, womit sie lebenslang die Überzeugung des Bauhaus – künstlerische und angewandte Arbeiten miteinander zu verbinden – treublieb.

 

Abstrakte Textilien - abstrakte Grafiken

Ihren Durchbruch als Künstlerin – zumindest in den USA – feierte Anni Albers 1949, als ihre Werke im Museum of Modern Art, New York, ausgestellt wurden. Das Ehepaar übersiedelte 1950 nach Connecticut, wo Albers zwischen 1950 und 1962 als freischaffende Weberin und in der Folge als Grafikerin arbeitete. Gleichzeiti gab sie ihr Wissen in ihrer Freizeit an Studentinnen weiter: Sheila Hicks begann ihr Studium an der Yale University 1954 und schloss es 1959 ab. Zu ihren offiziellen Lehrern gehörte Josef Albers, in ihrer Freizeit fokussierte sie sich auf freies Textilgestalten und traf sich dazu mit Anni Albers (→ Sheila Hicks im Centre Pompidou: Lebenslinien).

Anni Albers wurde als erste und bedeutendste Textilkünstlerin ihrer Generation aber auch als professionelle Designerin geehrt. Zudem förderte sie Walter Gropius von Harvard aus. Dies ließ die kreative Denkerin und Analytikerin, die ihr Wissen in der Publikation „On Weaving“ 1965 zusammenfasste, zu einer der bekanntesten Entwerferinnen ihrer Generation werden. Aus den 50er Jahren stammt die Vielzahl ihrer künstlerischen, „malerischen“ Textilien wie auch massentaugliche Stoffentwürfe.

1963/64 inspirierten sie Experimente mit druckgrafischen Techniken noch im Alter von über 60 Jahren das Medium zu wechseln. Wie zuvor schon in der Textilkunst war auch in Lithografie und Siebdruck die geometrische Abstraktion der einzige denkbare Ausdruck in Anni Albers Kunst. Am 9. Mai 1944 verstarb Anni Albers hochdekoriert in Orange, Connecticut.

 

Anni Albers in ihrem Studio im Black Mountain College, 1937, Fotografie von Helen M. Post (Courtesy Western Regional Archives, State Archives of North Carolina, Foto: © Kunstsammlung NRW)
Anni Albers in ihrem Studio im Black Mountain College, 1937, Fotografie von Helen M. Post (Courtesy Western Regional Archives, State Archives of North Carolina, Foto: © Kunstsammlung NRW)

 

Anni Alberts im K20, Düsseldorf

Diese Ausstellung möchte die wichtigsten Anliegen von Anni Albers sichtbar machen und zugleich ihren Einfluss als Künstlerin, Autorin, Lehrerin und Designerin beleuchten. Um die ganze Bedeutung ihres Beitrags zu Kunst und Design des 20. Jahrhunderts auszuleuchten, werden in der Retrospektive Anni Albers’ wichtigste Werke zusammengeführt. Albers hat Generationen jüngerer Künstlerinnen und Designerinnen nachhaltig beeinflusst. Schon jetzt lässt sich sagen, dass diese wichtige und zeitgerechte Retrospektive wegweisend sein wird für die Erforschung des Schaffens und der nachhaltigen Wirkkraft dieser sicherlich bedeutendsten Bauhaus-Künstlerin.

Die Ausstellung entsteht in Kooperation mit Tate Modern, London. Schlüsselwerke kommen als Leihgaben aus europäischen und amerikanischen Museumssammlungen so wie der Josef and Anni Albers Foundation.

Kuratorin: Maria Müller-Schareck

 

Anni Albers: Bilder

  • Anni Albers in ihrem Studio im Black Mountain College, 1937, Fotografie von Helen M. Post (Courtesy Western Regional Archives, State Archives of North Carolina, Foto: © Kunstsammlung NRW)
  • Anni Albers, Red and Blue Layers, 1954, Baumwolle, 61,6 x 37,8 cm (© 2017 The Josef and Anni Albers Foundation/Artists Rights Society (ARS), New York/DACS, London, Foto: Tim Nighswander/Imaging4Art © Kunstsammlung NRW)

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Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.
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