Carl Molls Gemälde „Winter auf der Hohen Warte“ (1912/1914) im Leopold Museum, Wien, gehört zu einer Serie von Bildern, deren Sujets das Leben in der von Josef Hoffmann entworfenen Villenkolonie auf der Hohen Warte in Döbling entspringen. Diese war von Josef Hoffmann (1870–1956) entworfen worden, um eine lebensreformatorische Idee umzusetzen.
Die Künstlerkolonie wurde von wohlhabenden Bauherrn finanziert, die in einer engen Lebensgemeinschaft den Künstlern und ihren Familien verbunden waren. 1901 bezogen die Familien von Carl Moll (1961–1945) und Koloman "Kolo" Moser als erste ein Doppelhaus auf der Hohen Warte. Als ehemaliger Schüler von Emil Jakob Schindler (1842–1892), dem Hauptvertreter des österreichischen Stimmungsimpressionismus, hatte Moll nach dessen frühem Tod die Witwe seines „Meisters“ geehelicht und war so der Stiefvater von Alma Mahler geworden.
Das stille Bildmotiv ist von der Jahreszeit, den Wetter- und trüben Lichtverhältnissen geprägt. Moll hat sich seit der Jahrhundertwende immer wieder mit der Darstellung von Schnee auseinandergesetzt. „Winter auf der Hohen Warte“ zollt seinem Interesse an der weißen Schneedecke Tribut. Ein dominanter Baum, ferner Geäst versperren den Weg in die Winterlandschaft. Vielerorts lässt Moll die Untermalung durchblitzen. Indem er den frischen Schnee mit leuchtend weißen, pastosen Strichen aufsetzt, lenkt er den Blick in die Tiefe und in Richtung des Hauses hinter dem Wald.
Carl Moll spezialisierte sich auf Landschaften und Interieurs. Seine Landschaftsbilder zeigen zumeist gestaltete Natur, darunter mehr oder weniger stark besuchte Parkanlagen, wie jene von Schönbrunn. Die Stadt Wien hielt er in einer impressionistischen Weise fest, wenn er sich in Skizzen dem Nachmarkt oder der heute nicht mehr existierenden Elisabethkirche mit dem Turm des Stephansdoms im Hintergrund zuwandte. Die ausgeführten Gemälde hingegen weisen wiederum einen kontrolliertere Behandlung von Stoffen und einen stark konturierten Realismus auf. Ab 1903 – das Gründungsmitglied der Wiener Secession Carl Moll trug federführend zum Gelingen der ersten Impressionismus-Ausstellung, die einen Überblick über die Stilrichtung bis in die aktuelle Zeit bot, bei – ist eine offenere Malweise und ein Aufsplittern der Farben in den Werken Molls feststellbar. Weiters schuf Carl Moll betörende Blumenstillleben, in denen er die französische Stilllebenmalerei von Jean Siméon Chardin, Edouard Manet, Henri Fantin-Latour rezipierte. „Bauernfenster“ (1893, Belvedere) und „Rosen in einem Glas“ (1911, Leopold Museum) versammelt hellrosa Blüten, die vom Licht sanft modelliert werden.
Das Jahr 1911 hielt zwei Schicksalsschläge für den Maler bereit: Carl Molls Schwiegersohn Gustav Mahler (1860–1920) erlag einem Herzleiden und seine Stieftochter Margarethe erkrankte an Paranoia, weshalb sie in eine Pflegeanstalt eingewiesen werden musste. Der bekannte, aber immer an sich selbst zweifelnde Maler zog sich daraufhin von der künstlerischen Leitung der bedeutenden Galerie Miethke zurück und widmete sich wieder ganz der Malerei.