Der Kunstmarkt ist ein Phänomen, das für das Kunstschaffen des 20. und 21. Jahrhunderts alltäglich ist, dessen Wurzeln bis ins Goldene Zeitalter der niederländischen Malerei zurückreicht. Kunstmarkt meint heute das Entstehen von Werken unabhängig von Aufträgen, deren Verkauf in Galerien und auf Kunstmessen, in Ausstellungen oder im Rahmen von Auktionen sowie den weltweiten Handel mit Kunst. Der Terminus klingt selbsterklärend und hat doch eine wechselvolle Geschichte. Seit wann gibt es einen Markt für Kunst, und wie definiert man den Kunstmarkt? Wie konnte sich dieser gerade in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts entwickeln? Welche Auswirkungen hatte er auf den Umgang mit Kunstwerken, auf deren Schöpfer, auf die Käufer und die Darstellungen?
Deutschland | Hamburg: Bucerius Kunst Forum
23.9.2017 – 7.1.2018
Im Hamburger Bucerius Kunstforum wird deutlich, dass bereits im 17. Jahrhundert, im so genannten Goldenen Zeitalter und damit während der Blütezeit der niederländischen Kunst, sich ein Markt für Kunst zu etablieren begann. Die Kunstwerke entstanden unter neuen Bedingungen: Die Auftraggeberinnen und Auftraggeber waren nicht mehr unbedingt und unmittelbar für die Schöpfungen (mit)verantwortlich. Ausgewählte Motive, die Gefallen gefunden hatten, und Themen, die Interesse hervorriefen, wurden, leicht abgeändert, wiederholt. Die Werkstatt des Künstlers entwickelte sich zu einem Ort des Interesses, konnte der potentielle Käufer hier Vorbilder und Anregungen für Sujets betrachten oder ein Gemälde augenblicklich erwerben. Zudem trat ein weiterer „Darsteller“ im soziologischen Gefüge der Kunst auf: der Kunsthändler. Dieser Mittelsmann übernahm die Ausstellung der Werke, kontaktierte Interessenten oder wurde für Akquisitionen engagiert. Selbst Städte und Gilden ermöglichten und förderten die zur Schau Stellung von Kunst. Gemälde oder Zeichnungen wurden auf Veranstaltungen wie dem Kirtag feilgeboten, wie der Druckgraphiker Johannes van Somer (um 1645–1699) festhielt. Diese Entwicklung basierte auf den merkantilen Erfahrungen und Erfolgen der Handelsmacht der Niederlande ebenso wie auf den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen. Franz Wilhelm Kaiser, neuer Direktor des Bucerius Kunst Forums, beleuchtete „Die Geburt des Kunstmarktes“ und deren Ausstrahlung auf Europa.
Bereits im 16. Jahrhundert wurde in den geographisch günstig gelegenen Städten Brügge und Antwerpen mit Gemälden und Kunstgegenständen, wie Tapisserien und Goldschmiedearbeiten, gehandelt. Antwerpen zeichnete sich durch eine große Zahl an Künstlern aus, die in der Stadt ihre Werkstätten und Ateliers führten. Als sich 1585 die politische Situation als Folge der Einnahme durch die spanischen Truppen unter König Philipp II. (1527–1598) veränderte, hatte dies auch Konsequenzen für die Kunstproduktion: Die steuerlichen Abgaben wurden erhöht, die finanziellen Möglichkeiten geringer, und die Freiheiten der Antwerpener Gesellschaft eingeschränkt. Die Provinzen im Norden profitierten von der Abwanderung der Künstler aus dem Süden und dem Wissen der Einwanderer über Handel, Landwirtschaft und Fischfang. Der Wohlstand im Norden nahm zu, Patriziat, reiche Kaufleute, Fabrikanten und Bankiers lenkten ihre Aufmerksamkeit auf luxuriöse Einrichtungen ihrer Häuser und die Dekoration dieser durch Kunst. Antwerpen entwickelte sich zu einem der ersten Märkte für Gemälde, die vorab und ohne Auftrag, geschaffen wurden.
Diese veränderte Situation in der Republik wirkte auch in anderen Ländern. Neben Amsterdam als bedeutende Stadt und Kunstmarkt, entwickelte sich in der Folge Paris zu einem wichtigen Handelsort für niederländische Kunst. Dabei spielte der Kunsthändler Edme-François Gersaint (1694–1750 → Antoine Watteau) eine besondere Rolle, gelang es ihm, im 18. Jahrhundert der Genremalerei den Weg zu bereiten, obwohl die Motive der Historien mehr geschätzt wurden als die „sujets bas“ der Niederlande. In den Städten Wien, Dresden, Berlin, Düsseldorf und Bonn wurden niederländische Werke mit großem Interesse gesammelt und bildeten Schwerpunkte in den fürstlichen Sammlungen neben den Gemälden mit mythologischen und religiösen Bildthemen (für die Albertina → Bosch Bruegel Rubens Rembrandt). Auch in Hamburg waren die Werke des Goldenen Zeitalters präsent, die Stadt war als Ort für Auktionen von großer Bedeutung, der Schwerpunkt des Interesses lag auf Landschaften. Zusätzlich zu den Kaufleuten wurden Kunsthändler in der Handelsstadt aktiv.
„Eine Landschaft von Ruisdael oder Van Goyen, ein Genrebild Jan Steens, ein Schützenstück von Frans Hals oder Van der Helst, und alles was an Rembrandt am wesentlichsten ist: all dies atmet einen ganz andern Geist, es klingt in einem andern Ton. Dieses Holland jener Tage zeigt in seinen sprechendsten Zügen nur eine beschränkte Ähnlichkeit mit dem gleichzeitigen Frankreich, mit Italien oder Deutschland. Weder der strenge Stil noch die große Geste und die majestätische Würde sind für dieses Land charakteristisch.“1 (Johann Huizinga)
„Die Geburt des Kunstmarktes. Rembrandt, Ruisdael, van Goyen und die Künstler des Goldenen Zeitalters“ stellt im Überblick jene Bildmotive vor, die während des Goldenen Zeitalters von den Malern vermehrt benutzt und verfeinert wurden. Die im Bucerius Kunst Forum präsentierten Gemälde geben einen Einblick in die Vielfalt und Varianten der Bilderfindungen. Die Landschaftsmalerei und das Genre – die Darstellung des scheinbar Alltäglichen – prägten in besonderem Maße die niederländische Kunst. Das Genre zeigte sich sowohl in derben, bäuerlichen als auch in bürgerlich-verfeinerten Darstellungen. Die Motive aus dem Leben der ländlichen Bevölkerung waren seit den Schöpfungen von Pieter Bruegel der Ältere (1527/1530–1569) beliebte Sujets in den Niederlanden.
Landschaften erhielten durch Abschattierungen eines Farbtones eine charakteristische, farbig homogene Wirkung, gleichzeitig wurde die Dauer der Herstellung von Gemälden deutlich verkürzt. Dies lässt sich an Bildern von Jan Josephsz. van Goyen (1596–1656) und Jan Porcellis (1582–1632), der wie sein Sohn Julius Seestücke schuf, beobachten. Die Bedeutung des Meeres und seiner Nutzung durch Handelsschiffe wurde durch Seestücke verdeutlicht, die auch dem Kriegsschiff Raum gaben, das der Macht der niederländischen Flotte suggerierte.
Als Varianten des Landschaftsmotives lassen sich die Darstellung einfacher Hütten, Ausblicke auf das Rhein- und Moseltal und der Besonderheit von Ansichten nordischer Motive, die Allart van Everdingen (1621–1675) im Rahmen von Reisen nach Skandinavien kennengelernt hatte, nennen. Philipps Wouwerman (1619–1654) galt als Spezialist für Reiter- und Kampfesszenen, Paulus Potter (1625–1654) wählte Kühe für seine Sujets.
Das Stillleben war besonders variantenreich, offerierten Prunkstillleben und Mahlzeitstillleben einen Blick auf die Kulinaria und die kostbaren Tafelgeräte der Epoche. Dazu kam das Jagdstillleben, das zunächst von der Aristokratie in Auftrag gegeben worden war und nun auch die Interieurs der Patrizier schmückte. Jan Weenix (1640–1719) war ein Künstler, der es verstand, die Arrangements von Wild, Geflügel und Blumen besonders dekorativ zu inszenieren.
Eine Sonderform der neuen Bildmotive stellten die Darstellung von Kircheninnenräumen dar. Die weiten Räume, die folgend den Inhalten der Lehre des Calvinismus kaum geschmückt waren, wurden streng perspektivisch, unter dem Einsatz von Lichtregie und durch Staffagefiguren belebt, abgebildet. Dieses Sujet war nahezu ausschließlich während des Goldenen Zeitalters anzutreffen.
Ateliereinblicke: Vergleichbar vielfältig, wie die Varianten der Stillleben, waren die Darstellungen des Malers in seinem Atelier, einer Facette der Genremalerei, in der sich ab 1630 der Künstler selbst und sein Atelier zum Sujte machte. Als Form des Künstlerbildes diente es der Repräsentation des eigenen Berufsstandes. Mitnichten handelt es sich um realistische Einblicke in die Ateliers des 17. Jahrhunderts, sondern um idealisierte Gesamtbilder. Künstler wie Adriaan van Ostade oder sein Schüler Michiel van Musscher komponierten sie aus realistisch dargestellten Versatzstücken der Wirklichkeit. Eigentlich ist van Ostade, der vermutlich bei Frans Hals in Haarlem ausgebildet worden war, ein herausragender Vertreter des Bauerngenres. Das in die Spätzeit des hochangesehenen Haarlemer Malers entstandene Atelierbild transferiert Ostades Kompositionsprinzip in die Sphäre der Kunstproduktion: Der Maler sitzt in einem großen Raum, schummeriges Licht fällt von links ein, die Szene ist scheinbar chaotisch, aber in Wirklichkeit sorgfältig komponiert.
Gerard Dou (1613–1675), ein Schüler Rembrandts, hinterließ mit seinen Werken der Feinmalerei außergewöhnliche Beispiele einer präzisen und aufwendigen Technik, die detailreich die Einblicke in bürgerliche Lebensräume wiedergeben. Der aufwendige Herstellungsprozess war sehr angesehen und zog lernwillige Schüler an – die Leidener Schule der Feinmalerei galt als etablierte Institution, um die Brillanz der verfeinerten Pinselführung zu erlernen.
Konnten die genannten Kategorien der Malkunst bis zu einem gewissen Grad auf Vorrat und ohne Auftraggeber gearbeitet werden, so verhielt es sich mit dem Porträt anders. Die Abbilder der Menschen – auch in Form von Tronies oder Tronjes (Gesicht, Miene) – war individuell und bedurfte eines Auftrages. Durch die Konzentration auf Charakterzüge und Individualität erfuhr das Porträt im 17. Jahrhundert eine besondere Prägung.
Neben den im Goldenen Zeitalter entstandenen neuen Bildmotiven, waren jene der Historienmalerei besonders in Amsterdam vorzufinden. Pieter Pietersz. Lastmann (1583–1633), der Lehrer Rembrandts (1606–1669), war einer ihrer bedeutendsten Vertreter.
Dem Werk von Otto Marseus van Schrieck (1619–1678) nähert man sich im Hamburger Ausstellungskatalog ebenfalls über dem Aspekt des Kunstmarktes des Goldenen Zeitalters.2 Der Maler spezialisierte sich auf die nahsichtige Darstellung von Schlangen und zahlreichen kleinen Tieren sowie Pflanzen auf Waldböden. Dieses spezielle Motiv war mehr als geeignet, den Markt zu bedienen, entsprach es dabei dem Geschmack der Zeit. Zusätzlich kamen die botanischen Schilderungen von Flora und Fauna dem naturwissenschaftlichen Interesse entgegen. Van Schrieck gelang es, ausgezeichnete Kontakte zu Käufern und Auftraggebern aufzubauen und pflegte enge Verbindungen zu den Höfen Europas. Es ist möglich, dass sich unter den Forschern, mit denen er verkehrte, auch der Mediziner und Botaniker Frederick Ruysch (1638–1731) befand, dessen Tochter Rachel Ruysch (1664–1750) sich als Malerin von Stillleben ausgezeichnet hatte.
Der Ausstellungskatalog von Hamburg widmet sich zwei Kunsthändlern, deren Rolle auf dem Kunstmarkt des 17. Jahrhunderts durch Dokumente nachgezeichnet werden kann. Johannes de Renialmes Nachlassinventar von 1657 und Gerrit Uylenburghs Auflistung des Lagervorrates von 1675 geben Aufschluss über die Bestände von Kunsthändlern. Die genauen Untersuchungen von Friso Lammertse und Jaap van der Veen widmeten sich dem vorhandenen Archivmaterial und beleuchteten das Agieren der Händler.3
Die Aufzeichnungen führten vor Augen, dass italienische und niederländische Werke in dem 1625 von Hendrick Uylenburgh gegründeten Unternehmen zum Verkauf gelangten. Uylenburghs Nichte Saskia, war Rembrandts erste Frau und dieser ebenfalls seit 1631 an dem Geschäft Uylenburghs beteiligt. Die Zusammenarbeit konzentrierte sich auf die Herstellung von Porträts durch Rembrandt van Rijn (1606–1669), der als Künstler in Amsterdam bereits bekannt war: Innerhalb von wenigen Jahren, bis 1635, erfüllte er eine beachtliche Zahl an Aufträgen für Porträts, gleichzeitig widmete er sich auch der Historienmalerei und fertigte Radierungen.
Als die Zusammenarbeit mit Rembrandt endete und in der Folge hochqualitative Werke italienischer Maler greifbar waren, erwarb Uylenburg auch diese. Sein Sohn Hendrick nahm später wieder die Kooperation mit einem Künstler, Gerard de Lairesse (1640–1711), auf. Dieser erfüllte ab den späten 1630er Jahren die Vorstellungen des herrschenden Geschmackes.
Gerrit Uylenburgh erweiterte den Wirkungsbereich des Kunsthandels, indem er Kontakte zu den europäischen Höfen etablierte. Dem zunächst erfolgreichen Agieren wurde durch die sich verschlechternde wirtschaftliche Situation und kriegerische Auseinandersetzungen ein Ende bereitet. 1672 bedeutete auch das Ende des Goldenen Zeitalters, die Zahl der Maler und der Gemälde ging erkennbar zurück, von der Spezialisierung auf Bildthemen wurde Abstand genommen, erneut traten Auftraggeber auf. Die Technik der Feinmalerei konnte als Ausnahme ihre herausragende Rolle bewahren, die Dekorationsmalerei gewann an Zuspruch und ein in Europa gültiger barocker Geschmack hielt Einzug.