Maria Theresia (1717–1780), ihre Kinder, Regierung, Kunst und ihr Mythos in Kinofilmen: Die Ausstellung "300 Jahre Maria Theresia" im Hofmobiliendepot erzählt die Geschichte der Regentin von ihrer Thronbesteigung bis weit über ihren Tod hinaus. Die Mutter von sechzehn Kindern, von denen zehn das Erwachsenenalter erlebten, führte nicht nur 20 Jahre Kriege und reformierte das Land, sondern nutzte Kinder wie Künste, um Politik zu betreiben und ihren Ruhm schon zu Lebzeiten über die Landesgrenzen hinaus zu verkünden. Sie ließ nicht nur Porträts von sich und ihrer Familie malen und Medaillen auf wichtige Ereignisse anfertigen, sondern präsentierte ihre Schätze auch in der neu geordneten Schatzkammer.
Österreich | Wien: Hofmobiliendepot
15.3. – 29.11.2017
Maria Theresia (Maria Theresia: Herrschaft, Kinder, Reformen) selbst genoss eine unbeschwerte Kindheit, da ihre Eltern bis zum Ableben von Kaiser Karl VI. noch auf einen Thronfolger hofften. Die junge Erzherzogin wurde beschrieben als blondes, hübsches Mädchen, das Ehrlichkeit schätzte und großzügig war. Als Zwölfjährige verliebte sie sich bereits in ihren späteren Ehemann Franz Stephan von Lothringen, der im Alter von fünfzehn Jahren an den Wiener Hof kam und für vier Jahre bleiben durfte (Juni 1723–1729). Nachdem er bis 1732 durch Europa gereist war, kehrte er nach Wien zurück, wo sich die Erzherzogin erneut für ihn entschied. Am 12. Februar 1736 heirateten Maria Theresia und Franz Stephan in der Wiener Augustinerkirche. Während in den folgenden Jahren Maria Theresia zur bestimmenden politischen Kraft aufstieg, erarbeitete sich Franz Stephan einen internationalen Ruf als Wirtschafts- und Finanzfachmann.
Auch Maria Theresias Schwester Maria Anna fand Gefallen an einem Lothringer, Karl Alexander, der Bruder von Franz Stephan. Da Karl VI. die Verbindung jedoch für nicht angemessen empfand, konnte die Ehe erst nach dessen Tod 1744 geschlossen werden. Das Paar wurde als Statthalter in den Niederlanden entsandt, doch schon im gleichen Jahr verstarb Maria Anna im Kindbett und Karl Alexander kehrte nach Wien zurück. Als Heerführer war er nur wenig erfolgreich, stattdessen ist er heute als Sammler bekannt. Da Karl Alexander kinderlos verstarb, fielen seine Sammlungen an die Habsburger zurück und bereichern seither u.a. die Silberkammer.
Die kaiserliche Familie erhielt durch die vielen Kinder eine wichtige Stütze für die Herrschaftssicherung. Einerseits garantierten die zehn Kinder, vier Söhne und sechs Töchter, die das Erwachsenenalter erreichten (von insgesamt sechzehn Kindern), die Fortführung der neu gegründeten Dynastie Habsburg-Lothringen, zum anderen ermöglichten sie eine ausgeklügelte Heiratspolitik. Zahlreiche Porträts von Martin van Meytens d. J. dokumentieren die reiche Kinderschar. Das aus Holz geschnitzte und in Bronze gegossene, sowie vergoldete Relief der „Familia Augusta“ zeigt die Porträts der kaiserlichen Familie für ein silbernes Altarantependium in Mariazell. Das nicht mehr im Original erhaltene Stück von Balthasar Moll (1769 und 1776) wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von Anton Sever rekonstruiert (Gesamtmaße 136,5 x 154 x 22 cm, Wien, Bundesmobilienverwaltung). Im Zentrum stehen die Medaillons von Maria Theresia und Franz I., umgeben von ihren sechzehn Kindern sowie der Tochter von Joseph II., Maria Theresia (1762–1770).
Die Darstellung der reichen Kinderschar Maria Theresias in der Kunst folgte einem propagandistischen Konzept: In Gruppenbildnissen, Stammtafeln und Porträtserien wird kaum auf die Darstellung emotionaler Verhältnisse zwischen den Dargestellten Wert gelegt, sondern auf die große Anzahl der Kinder in unterschiedlichen Lebensaltern. Wie Werner Telesko, Co-Kurator der Ausstellung erklärt, pflegten die Habsburger bis Karl VI. in aufwändigen Stammbäumen auf ihre Ahnenreihe zu verweisen, während Maria Theresia und Franz I. ihre neu gegründete Dynastie der Habsburg-Lothringer mit ihrem Nachwuchs inszenierten.
Maria Theresia gilt gleichermaßen als liebevolle wie strenge, teils unversöhnliche und ungerechte Mutter, die sich auch nach den arrangierten Eheschließungen ihrer Kinder noch in deren Belange einmischte. Sie und Franz Stephan boten ihren Kindern eine angemessene Erziehung, die vor allem auf den Spracherwerb Wert legte: Maria Theresias Kinder lernten Französisch, Italienisch, Spanisch, Wienerisch. Zudem wurden die kaiserlichen Kinder künstlerisch ausgebildet. In der Regel erlernten sogar die Erzherzoge ein Instrument, und in Schloss Schönbrunn wurden von den Kindern Opern und Theaterstücke aufgeführt. Zwei großformatige Gemälde von Johann Georg Weikert, beide nach 1765, hängen normalerweise in der Hofburg und durften für die Ausstellung in das Hofmobiliendepot entliehen werden. Die „Szene aus der Oper Parnasso Confuso von Willibald Gluck, aufgeführt anlässlich der Vermählung Josephs II. mit Maria Josepha von Bayern am 24. Jänner 1765 im sogenannten Battagliensaal des Schlosses Schönbrunn mit den Akteurinnen Maria Josepha, Marie Elisabeth, Maria Amalia und Maria Caroline (von links nach rechts)“ und „Szene aus dem Balletino Le Triomphe de l’Amour von Willibald Gluck, aufgeführt anlässlich der Vermählung Josephs II. mit Maria Josepha von Bayern am 24. Jänner 1765 im sogenannten Battagliensaal des Schlosses Schönbrunn mit den Akteurinnen Maria Antonia, Maximilian Franz und Ferdinand“ sind nach Aufführungen der Geschwister des Kaisers angefertigt worden.
Das kaiserliche Paar engagierte die Pastellmalerin Gabrielle Beyer-Bertrand (1737–1802) als Mallehrerin der Kleinen. Sie war Mitglied der Akademie und kurzzeitig Ehefrau des Bidhauers Beyer, der die Skulpturen für den Schlosspark von Schönbrunn schuf. Zu den wichtigsten künstlerischen Erzeugnissen der kaiserlichen Familie zählen die Blaugouachen des Porzellanzimmers und die Bilder des Miniaturenkabinetts in Schloss Schönbrunn. Auch der Kaiser selbst sowie Isabella von Bourbon-Parma, die erste Ehefrau von Kaiser Joseph I., sind in der Ausstellung als begabte Künstler vertreten: „Nikolobescherung“ und „Joseph am Wochenbett“ (1763) zeigen höchst intime, seltene Einblicke in das Leben der Habsburger und wurden von der Ehefrau von Kaiser Joseph II. nach holländischen Vorbildern gestaltet.
Nicht im Krieg wähnte sich Maria Theresia erfolgreich, sondern in der familiären Verbindung mit wichtigen europäischen Herrscherhäusern. Vor allem nach dem 1756 geschlossenen Bündnis mit Frankreich („Renversement des Alliances“) setzte ein Reigen von Eheschließungen mit dem Haus Bourbon und seinen in Spanien, Neapel-Sizilien, Parma und Frankreich regierenden Zweigen ein. Die Hochzeit von Joseph I. mit der bourbonischen Prinzessin Isabella von Parma, einer Enkeltochter Ludwigs XV., markiert 1760 den Beginn der Heiratspolitik Maria Theresias. Höhepunkt wurde die Vermählung von Marie-Antoinette mit dem Dauphin Ludwig, dem späteren König Ludwig XVI. Den Abschluss fand diese Strategie mit der Hochzeit des jüngsten Sohnes Ferdinand mit Maria Beatrice d’Este in Mailand 1771.
Einzig Maria Theresias Lieblingstochter Maria Christina durfte ihren Ehemann selbst wählen, weshalb die Hochzeit erst nach dem plötzlichen Tod von Kaiser Franz I. im Jahr 1766 stattfinden konnte. Gemeinsam mit Herzog Albert von Sachsen-Teschen begründete Maria Christina die Grafiksammlung der Albertina (→ Die Gründung der Albertina).
Alle anderen Kinder wurden der Staatsräson gemäß verheiratet, wobei es Maria Karolina 1768 am härtesten traf. Ihr Ehemann, König Ferdinand I. von Bourbon-Sizilien, war wenig gebildet, erfreute sich an der Jagd und maßlosem Essen. So war es auch Maria Karolina, die es ihrer Mutter Maria Theresia gleichtat und ab 1777 die Regierungsgeschäfte übernahm. Kaiserin Maria Theresia ermutigte ihre Kinder sich gegenseitig zu besuchen und mittels Briefen Kontakt zu halten, während sie selbst in Wien blieb und daher kaum eines ihrer Enkelkinder persönlich kennenlernte. Einzig Porträts der Mitglieder der Großfamilie – etwa in Form eines Diamantarmbandes – brachten ihr den reichen Nachwuchs nahe.
Maria Theresia beauftragte mit Anton Matthias Domanek (1713–1779) den talentiertesten Bildhauer für Kleinbronzen für einige wahrhaftig spektakuläre Stücke1: Er fertigte das „Mundzeug der Kaiserin Maria Theresia“ (zweite Hälfte 18. Jahrhundert, Wien, Bundesmobilienverwaltung, Hoftafel- und Silberkammer) und das berühmte „Frühstücksservice der Kaiserin Maria Theresia“ (um 1750, Gold, Ebenholz, japanisches Imari-Porzellan, Meißener Porzellan Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer). Diese Gefäße aus Edelmetall wurden durch Meißener Porzellan und Pietra Dura-Platten aus Florenz ergänzt. Das bekannteste Kunstkammerstück ist jedoch der Edelstein-Blumenstrauß, der um 1760 vermutlich von Juwelier Georg Gottfried Lautensack aus Frankfurt- Hanau entworfen und von Juwelier Johann Michael Edler von Grosse gefertigt wurde. Das repräsentative und teure Stück war ein Geschenk der Erzherzogin an ihren Gemahl, des sich wissenschaftlich für Natur interessierte und Steine sammelte. In dem außergewöhnlichen Stück verbanden sich beide Interessensgebiete auf kongeniale Weise.
Zu den wichtigsten Kommunikationsmedien des Rokoko zählten Porträts in unterschiedlichen Medien. Da Maria Theresia nie reiste und ihre verheirateten Kinder sowie ihre Enkel nicht besuchte, mussten Briefe und Bildnisse von der Entwicklung der Lieben berichten. Zu den gefragtesten Porträtisten Europas zählte der aus der Schweiz stammende Jean-Étienne Liotard (1702–1789 → Jean-Etienne Liotard (1702–1789)), dessen abenteuerliches Leben ihn auch an den Hof in Konstantinopel (heute: Istanbul) führte. Der in osmanischer Tracht und mit langem Bart auftretende Pastellmaler schuf Porträts der gesamten kaiserlichen Familie, darunter „Maria Theresia im pelzbesetzten Kleid“ (1743, Pastell auf Pergament, 62 x 49,4 cm, Wien, Österreichische Nationalbank) sowie „Maria Theresia im Alter von zirka 45 Jahren im blauen pelzverbrämten Kleid“ (1762, Pastell auf Pergament, 84 x 66 cm, Wien, Bundesmobilienverwaltung).
So oft Maria Theresia in Kunst und Druckgrafiken als mächtige, selbstbewusste Frau auf dem Thron inszeniert wurde, so selten finden sich zeitgenössische Karikaturen auf die Herrscherin. Vor allem englische und niederländische Stecher hatten sich auf die Produktion von entwürdigenden Bildern spezialisiert, die durchaus brutal mit der Entkleidung der Kaiserin arbeiteten. Einmal übergibt sie sich, weil sich ein französischer Politiker nähert, ein anderes Mal nimmt sie dem Bayerischen Herzog Karl VII. seine Hosen weg und annektiert sein Land. In Österreich und den Kronländern wäre eine solche Bildproduktion undenkbar gewesen und ihre Schöpfer von der Zensur verfolgt worden. Die politischen Widersacher bedienten sich jedoch erfolgreich der Verbreitung dieser untergriffigen Pamphlete.
Unter der Regierungszeit von Maria Theresia wurde Schloss Schönbrunn zur Sommerresidenz der Habsburger ausgebaut. Sowohl der Innenausbau durch Nicolaus Parcassi, der dem Hofstaat Platz bieten musste und sogar einen Personenlift für die betagte „Landesmutter“ umfasste, wie auch die Neugestaltung des Schlossparks waren große Anliegen der kaiserlichen Familie.
Die Räume der Kaiserin im Südosten der Schlossanlage wurden ihrer Vorliebe für ostasiatische Kunstwerke nach neu vertäfelt: indische Miniaturen der Mogulzeit, chinesische und japanische Lackarbeiten fanden ihre Plätze an den Wänden. Hier erfüllten sie rein dekorative Zwecke, denn ihre ursprüngliche Bedeutung war in Europa noch lange nicht bekannt. Die Naturverehrung chinesischer und japanischer Künstler fand in der Ausmalung des Berglzimmers im Erdgeschoss (1769–1778) ein europäisches Pendant, brachte die Ausmalung durch den böhmischen Maler Johann Wenzel Bergl (1718–1789) die Umgebung der Schlossparks der hitzegeplagten Kaiserin in ihr Schloss hinein.
Kaiser Franz zeichnet im Südwesten des Parks für die Anlage der Menagerie nach Pariser Vorbild verantwortlich, Beete ermöglichten ihm eine niederländisch-wissenschaftlichen Garten zu pflegen. Maria Theresia ließ die barocke Gestaltung der Parterres (wie sie in den Gemälden von Bernardo Bellotto im KHM zu sehen ist) im Geschmack des Rokoko erweitern: Der Berg hinter dem Schloss bekam die Gloriette von Hetzendorf von Hohenberg aufgesetzt, der Neptunbrunnen, der Obelisk, die römische Ruine wie auch der Skulpturenschmuck von Johann Christian Wilhelm Beyer wurden ergänzt.
Der berühmte Edelsteinstrauß aus dem Naturhistorischen Museum, Familienporträts, von ihren Kindern selbst gestaltete Aquarelle, ihr Engagement in Schloss Schönbrunn (Bau der Gloriette, Gestaltung des Parks) bis zur Ausbildung einer Gedenkkultur – die Schau verbindet Politik, Kunst und Popkultur. Theaterstücke, literarische Werke und Kinofilme prägen seit dem 19. Jahrhundert das Bild der einsam regierenden „Landesmutter“ und Reformerin.
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