Superhelden, Comicfiguren und immer wieder nackte Mädchen – dafür ist der 1935 in Sacramento, Kalifornien, geborene Künstler Melvin John Ramos, besser bekannt als Mel Ramos (24.7.1935–14.10.2018), international berühmt. Anlass dieser Ausstellung in der Albertina ist neben dem 75. Geburtstag des Künstlers auch das mehr als 50-jährige Bestehen der Pop Art Bewegung.
Österreich / Wien: Albertina
18.2. - 29.5.2011
Neben New York war San Francisco in den frühen 1960er Jahren das zweite Zentrum der Pop Art in den USA. Während die Ostküsten-Künstler wie Andy Warhol, Roy Lichtenstein, Tom Wesselmann oder Claes Oldenburg sehr rasch zu Weltruhm kamen, wurde der Beitrag der Westküste erst relativ spät in den kunsthistorischen Kanon aufgenommen, obwohl Ramos bereits 1963 an der Ausstellung „Pop! Goes the Easel“ im Contemporary Art Museum in Houston teilnahm. Für das „Wiederentdecken“ der Westküsten-Pop Art spielt das Werk von Mel Ramos eine entscheidende Rolle, war er doch der erste, der Superhelden aus der Welt der Comics zeichnete und damit in den Status von Kunst erhob. Schon in seinen frühen Gemälden zelebrierte er die Idole seiner Kindheit: Superman, Hawkman oder Captain Midnight, Wonder Woman, Phantom Lady, Camilla, Sheena, Königin des Dschungels tauchen als übermenschliche Identifikationsfiguren in Mel Ramos' Bildern auf.
1967 wandte sich Ramos den „Commercial Pin-Ups“ zu und unterzog der Verbindung von weiblicher Nacktheit und Warenwirtschaft einer subversiven Kritik. In allen denkbaren Posen präsentieren sich die nackten Schönheiten, stützen sich auf dem zu bewerbenden Gut ab, schälen sich aus Verpackungen heraus oder werden wie auf Präsentiertellern drapiert. Ein voyeuristischer Blick auf das Modell, das gewollt verführerische Sich-Präsentieren, sexistisch aufgeladene Bildtitel sind die wichtigsten Ingredienzien dieser Pin-Up-Serie. In „The Animal Paintings“ (1964-71) lässt Mel Ramos seine Titelheldinnen auf noch provozierendere Weise mit Tieren interagieren. Oder handelt es sich nicht einfach um aktuelle Darstellungen antiker Mythen wie „Leda mit dem Schwan“?
Wie auch Roy Lichtenstein arbeitete sich Mal Ramos in den 1970er Jahren an den berühmten Vorbildern der Kunstgeschichte ab: „I Still Get A Thrill When I See Bill“ persifliert die berühmte „Woman“-Serie von Willem de Kooning. Dieser hatte 25 Jahre zuvor mit seinen expressiv-gestischen Frauendarstellungen gegen alle Konventionen weiblicher Repräsentation verstoßen und mit figurativer Malerei gegen das Primat des Amerikanischen Abstrakten Expressionismus (→ Abstrakter Expressionismus | Informel). Mel Ramos führte 1977 die klobigen Körperformen de Koonings mit hyperrealistisch gezeichneten Köpfen zusammen und interpretierte über den Titel die krakelig gezeichneten Körper zu einem Ausdruck psychischer Gestimmtheit. Dass dabei die Frauen an einen Mann – Bill – denken, entspricht der Kritik von de Koonings Zeitgenossen, die meinten, dass dieser ordinäre und vulgäre Frauenbilder geschaffen habe.
Mit der Serie „A Salute to Art History“, 1972 begonnen, zollt Mel Ramos all den Künstlern und Kunstwerken der Geschichte Tribut, denen er viel verdankt. Vor allem die französischen Meister des 18. und 19. Jahrhunderts wie Ingres oder Edouard Manet inspirieren ihn zu Aktualisierungen. Da dass das Aktzeichnen zu Mel Ramos liebster Beschäftigung zählt, lag es wohl auch nahe den Schöpfungsprozess in dem Zyklus „The Drawing Lesson“ (1990) zu thematisieren. Nicht nur das Thema und seine Bearbeitung, sondern zudem das Nachdenken über die Tradition(en) der Malerei und ein fast altmeisterlich gearbeitetes „Produkt“ sind wichtige Aspekte des Mel-Ramos-Pop.
Herausgegeben von Thomas Levy und Alexander Sairally mit einem Textbeitrag von Klaus Albrecht Schröder
Hardcover, 17 × 24 cm, 128 Seiten
dt. und engl., 2010, 113 farbige und 30 s/w Abbildungen
ISBN: 978-3-86678-444-4
€ 27,90 [D] / CHF 41,90
Kerber
Das Werk von Mel Ramos über die Zeichnung aufzuschlüsseln, ist ein absolut berechtigtes Vorgehen, kann man dem Künstler doch eine altmeisterliche Faszination an der Linie bescheinigen. Seitdem Ramos in den frühen 60er-Jahren die Verheißungen und Klischees der Werbewelt in seinen Bildern persifliert, spielen Umriss und dreidimensionales Gestalten der Subjekte/Objekte eine entscheidende Rolle. Der technischen Brillanz des Zeichners und Aquarellisten ist dieser handliche Band geschuldet. Der einführende Essay von Klaus Schröder bringt die wichtigsten Aspekte zu Mel Ramos auf drei Seiten auf den Punkt.
Fazit: Der Band bietet einen guten Überblick über das Schaffen von Mel Ramos seit 1958; einzig die Abbildungen könnten ein wenig schärfer gedruckt sein.