Caspar David Friedrich, Zwei Männer in Betrachtung des Mondes, Detail, um 1825–1830, Öl auf Leinwand, 34,9 x 43,8 cm (The Metropolitan Museum, New York, Wrightsman Fund, 2000, Inv.-Nr.: 2000.51)
Caspar David Friedrich (1774–1840) zum ersten Mal in New York! Im Frühjahr 2025 kann das amerikanische Publikum den deutschen Romantiker und sein Werk im Metropolitan Museum kennen lernen. Das berühmte Museum besitzt ein kleinformatiges Ölgemälde Friedrichs, die dritte Fassung von „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“ (um 1825–1830), und holt aus Deutschland so bedeutende Gemälde wie „Der Wanderer über dem Nebelmeer“, „Mönch am Meer“ und „Die Stufen des Lebens“. Alison Hokanson und Joanna Sheers Seidenstein stellen die lebenslange Beschäftigung des Malers mit der Natur, seine Naturbeobachtung und Naturempfindung, in den Mittelpunkt ihrer Ausstellung.
USA | New York: Metropolitan Museum
8.2. - 11.5.2025
„Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“ (um 1825–1830) ist die dritte Version einer der bekanntesten Kompositionen Caspar David Friedrichs, die erste befindet sich in Dresden (1819/20 → Caspar David Friedrich: Zwei Männer in Betrachtung des Mondes) und die zweite in Berlin (um 1824). Das Bild zeigt zwei Männer, die bei ihrem Abendspaziergang durch einen spätherbstlichen Wald innehalten und den untergehenden Mond betrachten. Die Protagonisten wurden als Friedrich selbst (rechts) und sein begabter, junger Kollege August Heinrich (1794–1822) identifiziert. Die Atmosphäre der andächtigen Meditation steht für die Faszination des Mondes, wie sie sich in Dichtung, Literatur, Philosophie und Musik der Zeit widerspiegelt. Für Friedrich war die Natur ein Ort emotionaler und geistiger Entdeckungen. Mit Hilfe von Farbe, Licht, Atmosphäre und Perspektive schuf er Bilder einer tiefen Verbindung. Er porträtierte nicht nur Landschaften, sondern wollte in ihnen sein Selbst, seine Gefühle und sein Sein zum Ausdruck bringen. Damit steht Caspar David Friedrich für die norddeutsche (protestantische) Romantik.
Rund 75 Ölgemälde, autnome Zeichnungen und Arbeitsskizzen aus allen Schaffensphasen des Künstlers sowie ausgewählte Werke seiner Zeitgenossen veranschaulichen, wie Friedrich ein symbolisches Vokabular aus Landschaftsmotiven entwickelte, um die persönlichen und existenziellen Bedeutungen zu vermitteln, die er in der Natur entdeckte. Sein geografischer Raum erstreckte sich im heutigen Deutschland, das zu seinen Lebzeiten noch ein Fleckenteppich von Adelsherrschaften war: von der Ostseeküste, wo er geboren war und wohin er 40 Jahre lang Malexpeditionen unternahm, zu den Wiesen und Bergen rund um Dresden, wo er seine Karriere vorantrieb. Die auf seinen ausgedehnten Wanderungen angefertigte Zeichnungen - zu sehen ist das sog. Karlsruher Skizzenbuch - verknüpfte der Maler im Atelier zu stimmungsvollen Kompositionen. Die Natur zeigt sich in den Bildern Friedrichs als ehrfurchtgebietend (Berge, tiefe Nadelwälder) oder idyllisch (Sonnenaufgänge), als Symbol für den Lebensweg oder als betrachtete Schöpfung Gottes (Rückenfiguren). In Friedrichs Landschaften spiegeln sich Sehnsüchte, Sorgen, Erinnerungen und Überzeugungen, die bis heute nicht ihre Gültigkeit verloren haben.
Caspar David Friedrich begann seine Karriere 1798 im Alter von 24 Jahren, nachdem er in seiner Heimatstadt Greifswald und in Dänemark zum Kupferstecher ausgebildet worden war. Mit Dresden wählte Friedrich ein pulsierendes Kunst- und Kulturzentrum mit herausragenden Kunstsammlungen. Darüber hinaus fand der aufstrebende Maler in Sachsen eine Schar engagierter Landschaftsmaler vor. In den ersten Jahren in Dresden arbeitete Friedrich ausschließlich als Zeichner und Graphiker; erst zehn Jahre nach seiner Ankunft (1808) debütierte er als Ölmaler. Die frühen Werke Friedrichs sind durch das Zeichnen im Freien und die Auseinandersetzung mit romantischem Gedankengut geprägt. Friedrichs Ankunft fiel mit der Verbreitung frühromantischer Ideen über Kunst, Natur und das Individuum zusammen. Zunehmend öffnete sich der junge Künstler der Welt als Ort persönlicher Reflexion und intensiver Gefühle.
Frühe Naturstudien nach Pflanzen und Bäumen belegen die intensive Auseinandersetzung des jungen Friedrich mit den Formen der Natur. Mit „Landhaus in einem Laubwald“ (1797, Privatsammlung, Deutschland) zeigt er bereits als Student seine Begeisterung für die Umwelt, indem er der Naturanalyse den Vorzug vor dem Aktstudium gibt. Diese Bemühungen gipfelten in einer ersten Meisterzeichnung Friedrichs: „Felstor im Uttewalder Grund“ (um 1803, Museum Folkwang, Essen). Südlich von Dresden gelegen, war diese Felsformation eine beliebte Sehenswürdigkeit der Zeitgenoss:innen Friedrichs. Johann Moritz Gottfried Jentzsch stellte die Szenerie völlig anders dar. Während Friedrich die Fernsicht auf das Naturschauspiel wählte, zeigt sein Kollege die Reisenden und die Felsformation aus der Nähe. Was bei dem Romantiker im Nebel verschwimmt, ist bei Jentzsch im Vergleich dazu überdeutlich dargestellt. Sowohl im Anspruch als auch in den Darstellungsmitteln ging Caspar David Friedrich weit über die Landschaftsmalerei seiner Zeit hinaus. Dieses frühe Blatt ist ein eindrucksvolles Zeugnis seiner neuen Sicht- und Darstellungsweise.
Die Verbindung von Natur, Landschaft und Glaube findet sich erstmals in Caspar David Friedrichs „Madonnenstatue in den Bergen“ (14.11.1804, The Art Institute of Chicago). Die sakrale Mutter-Kind-Darstellung steht hoch auf einem Bergmassiv. An seinem Sockel, auf der linken Seite des Schreins, kniet eine Gestalt im Gebet, die sowohl im Vergleich zur Skulptur als auch zum hoch aufragenden Baum, der daneben steht, winzig wirkt.1 Das in Europa selten ausgestellte Blatt ist zwar unvollendet, es markiert aber die nachweislich erste direkte Bezugnahme. Zudem ist es der früheste bekannte Versuch, eine Landschaft mit Bergen im Vordergrund zu komponieren. Drei bis vier Jahre später sollte der Künstler Natur und Glaube malerisch umsetzen und mit dieser Natur-Religion-Verbindung Furore machen. In New York steht „Das Kreuz im Gebirge“ (um 1806, Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin) stellvertretend für Gemälde wie den „Tetschener Altar“.
Zwischen 1803 und 1808 machte sich Caspar David Friedrich als Künstler mit anspruchsvollen Tuschezeichnungen einen Namen. The Metropolitan Museum of Art besitzt davon „Ostküste Rügens mit Hirten“ (1805/06), hier ergänzt mit „Blick auf Arkona mit aufgehendem Mond“ (1805/06, Albertina, Wien), „Das Kreuz im Gebirge“ und „Küstenlandschaft mit Kreuz und Statue“ (um 1806 und 1806/07, beide Berliner Kupferstichkabinett) und dem Karlsruher Skizzenbuch (25.4.–1.6.1804).
Auf öffentlichen Ausstellungen in Dresden und Weimar erregten diese Werke großes Aufsehen bei den Kritikern. Bemerkenswert waren sowohl ihre technische Virtuosität, die nahezu minimalistische Komposition als auch ihr romantischer Sinn für Atmosphäre und Geheimnis. So schwärmte 1806 ein Kritiker der Dresdner Kunstakademie davon:
„Wo der Mond sanft die Kämme der stillen Wogen vergoldet, die Felsen kalt und schroff im ewigen Meer stehen, herrscht eine grenzenlose Einsamkeit, eine freudlose Trostlosigkeit, die jedoch weder an Bitterkeit noch an Bitterkeit, noch an Feingefühl oder Weichherzigkeit grenzt.“2
Caspar David Friedrich ließ sich häufig von der Ostseeinsel Rügen inspirieren. In den Jahren 1801/02 verbrachte der junge Künstler dort viel Zeit und hielt die charakteristische Landschaft in zahlreichen Skizzen fest. Diese bildeten die Grundlage für die großen, vollendeten Zeichnungen, die in den folgenden Jahren entstanden. Die karge, felsige Küste der Insel und die scheinbar endlosen Ausblicke auf das schimmernde Wasser und den offenen Himmel wurden in Friedrichs Blättern zu Sinnbildern der Einsamkeit, der Melancholie und der Sehnsucht.
Vor allem „Das Kreuz im Gebirge“ weist auf das malerische Werk des Künstlers voraus, mit dem er ein neuartiges religiöses Bild erfand: Friedrichs Kunst unterscheidet sich deutlich von den traditionellen Veduten, den detaillierten, panoramaartigen Landschaftsansichten. Es ist der kalkulierte Einsatz der linearen Zweidimensionalität - das unmittelbare Aufeinandertreffen von Vorder- und Hintergrund, die präzise Silhouette vor einem diffusen, unendlich weiten Tiefenraum -, der Das Kreuz im Gebirge seine berühmte Eindringlichkeit verleiht.
„Morgennebel im Gebirge“ (um 1807/08, Thüringer Landesmuseum Heidecksburg, Rudolstadt) eröffnet das Kapitel zur hochkomplexen Verbindung von Natur und Religiosität im Werk Caspar David Friedrichs. Darauf folgen geheimnisvolle Ruinen wie jene der gotischen Klosterkirche von Orbyn. Mit Kirchendarstellungen von den Friedrich Schülern Ernst Ferdinand Oehme und Carl Gustav Carus unterstreicht das Metropolitan Museum den Blick in die längst untergegangene Vergangenheit.
Zwischen 1803 und 1805 verwüsteten die Napoleonischen Kriege ganz Europa und hinterließen geschlagene deutsche Länder und trotzige, patriotische Bürger:innen. In diesen Jahren orientierte sich Caspar David Friedrich an Symbolen des Leidens und des Trostes: christliche Kreuze, Kruzifixe und seit langem verlassene katholische Klöster wie die Ruinen Eldena oder Orbyn. Der Maler belebte seine Motive durch dramatische Manipulationen der Perspektive und der Atmosphäre, die das Wunder und die Sehnsucht einer persönlichen Glaubensreise betonen. Friedrichs Bilder spiegeln sowohl seine protestantisch-lutherische Erziehung als auch die breitere romantische Suche nach Spiritualität in der Natur wider, die von radikalen Denkern wie den Philosophen Schelling und Hegel angeführt wurde. Ist die Natur „das Buch Gottes“, das neben biblischen Texten als Quelle der Offenbarung erfahren und interpretiert werden soll? Oder wohnt die Göttlichkeit in der harmonischen Gesamtheit der Natur? Friedrichs Darstellung der Landschaft als Ort heiliger Begegnung machte seine Kunst zu einem Brennpunkt in kulturweiten Auseinandersetzungen um religiöse Doktrinen und neue Vorstellungen vom spirituellen Leben.
Den Höhepunkt in dieser Abteilung bildet „Mönch am Meer“ (1808-1810, Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin). Für den Romantiker verkörpert der Mönch eine mystische Einsicht:
„Und wenn du von morgens bis abends, von abends bis in die tiefe Mitternacht meditieren würdest, würdest du das Unerkennbare im Jenseits nie begreifen, nie ergründen! Mit kühner Anmaßung glaubst du, du könntest ein Licht für künftige Generationen werden, die Dunkelheit der Zukunft entschlüsseln! Die immer nur heilige Intuition ist, die nur im Glauben gesehen und erkannt werden kann; um klar zu wissen und schließlich zu verstehen!“3
Obwohl die Einsamkeit ein wichtiges Thema in Friedrichs Kunst ist, entfaltete sich sein Schaffen in einer Gemeinschaft von Freunden und Familie. Die Dresdner Kunstakademie, an der er Mitglied und später Professor wurde, zog gleichgesinnte Kollegen und Schüler an, mit denen er die Landschaft erkundete und Ideen und Methoden austauschte. So findet sich die Silhouette von Georg Friedrich Kersting auf einem Aquarellblatt mit „Zwei Studien mit Felsen und Bäumen“ (12.7.1810, Hamburger Kunsthalle), während Kersting 1811 Friedrich in dessen Atelier verewigt, wie dieser in dem kargen Raum gerade an einer Landschaft mit Wasserfall arbeitet.
Eine besonders enge Freundschaft verband ihn mit Johan Christian Dahl, einem in Norwegen geborenen Maler, der sich in Dresden niedergelassen hatte. Die Kameradschaft, die Friedrichs Kunst prägte, zeigt sich in seinen Darstellungen von Menschen, die gemeinsam die Natur betrachten. In diesem Zusammenhang erscheint das eingangs bereits erwähnte Bild „Zwei Männer betrachten den Mond“ (um 1825–1830) sowohl als Freundschaftsbild wie auch gemeinschaftliche, existentielle Naturbetrachtung. Einer der Männer ist August Heinrich, der andere wird als ein Selbstporträt Caspar David Friedrichs oder ein Porträt seines Schwagers identifiziert. Die erste Fassung des Themas im Albertinum, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, entstand kurz bevor Heinrich auf eine ausgedehnte Studienreise aufbrach und kurz darauf 1822 verstarb. Das New Yorker Bild ist die späteste Version der kontemplativen Komposition mit zwei Freunden vor dem rosa-organge schimmernden Mond und seiner Begleiterin, dem Morgenstern (Venus).4
In den späten 1810er und 1820er Jahren wichen die offensichtlichen religiösen Symbole, die Friedrichs Frühwerk beherrscht hatten, einer Bildsprache, die von umfassenderen spirituellen Assoziationen durchdrungen ist. In dieser Zeit malte Friedrich zahlreiche Szenen, die von der Geografie und dem Alltagsleben seiner Umgebung und Lieblingsorte inspiriert waren: der Seehandel um seine Geburtsstadt Greifswald, die Wahrzeichen des nahen Neubrandenburg, wo seine große Familie lebte, und die Skyline und Felder seiner Wahlheimat Dresden. Die Hamburger Kunsthalle leiht „Wiesen bei Greifswald“ (1821/22), das Pommersches Landesmuseum, Greifswald, trennt sich kurzfristig von „Neubrandenburg“ (um 1816/17), die Berliner Nationalgalerie von „Mondaufgang über dem Meer“ (1822) und die Prager Nationalgalerie „Die Nordsee im Mondlicht“ (1823/24).
Angesichts dieser stimmungsvollen Landschaften darf man aber nie davon ausgehen, dass die Landstriche wirklich so aussehen, wie sie Friedrich vorstellt. Besonders deutlich wird dies angesichts von „Greifswald im Mondlicht“ (um 1815–1817) aus dem Nasjonalmuseet für Kunst, Architektur und Design in Oslo. Greifswald liegt an der Ostsee, aber diesen Blick auf die Silhouette der Stadt kann man nur vom Land aus genießen; Friedrich ergänzte das Wasser im Vordergrund einfach. Er schmückte es mit realistischen Details von Booten und Fischereigeräten, die er entlang der Nordküste skizziert hatte. Im Hintergrund taucht die Heimatstadt des Künstlers magisch zwischen Wolken und Wellen auf. Der Vollmond steigt hinter dem Turm der St. Nikolai-Kathedrale auf; dort wurde Friedrich getauft.
Die Meeres- und Stadtlandschaften des Künstlers erforschen den Dialog zwischen der vertrauten, alltäglichen Existenz und fernen, unbekannten Reichen. Während die Betrachter:innen über weite Land- oder Wasserflächen auf den Horizont blicken, werden sie eingeladen, sich auf eine Selbstfindungsreise in die Natur zu begeben. Friedrichs weite Himmel sind geprägt von prismatischen Sonnenauf- und -untergängen, kühlem Mondlicht und spektakulären Wolkenformationen. Sie lassen bereits die Hinwendung zum Realismus erkennen.
Immer wieder fühlte sich Friedrich von der Darstellung der Jahreszeiten angezogen, die lange Zeit als Metapher für den Kreislauf des menschlichen Lebens gedient hatten. Sein Interesse wuchs in den 1820er Jahren, als er zahlreiche Werke zu diesem Thema schuf, wobei er sich besonders auf den Winter konzentrierte. Diese Werke fangen die subtilen Farben und atmosphärischen Effekte dieser Jahreszeit ein und beschwören Assoziationen von Tod und Wiedergeburt herauf. Friedrichs Darstellungen fielen mit einer breiteren romantischen Faszination für die emotionale Resonanz dieser Jahreszeit zusammen, wie sie in Franz Schuberts Liederzyklus „Winterreise“ von 1827 zum Ausdruck kommt.
Friedrich meditierte auch über die Schnittstelle zwischen den Zyklen der Natur und den Rhythmen der Menschheitsgeschichte. Seine Bilder von jahrhundertealten Burgen und alten Gräbern (Dolmen), verwittert und überwuchert, erinnern an die Anstrengungen der Menschen und beklagen zugleich ihre Vergänglichkeit. Nach den napoleonischen Kriegen und der Befreiung der deutschen Länder wurden diese Relikte einer fernen Vergangenheit zu Symbolen moderner politischer Sehnsüchte und Enttäuschungen. Friedrich und seine liberal gesinnten Landsleute hofften nach Jahren des Krieges, der die Landschaft mit immer neuen Ruinen übersäte, auf eine Einheit in Form einer deutschen Nation, die auf demokratischen Idealen beruhte. Dieser Traum wurde jedoch von den der alten Ordnung treu gebliebenen Aristokraten zerstört.
Die Romantik brachte eine neue Wertschätzung der Berge als Orte des Schönen und Erhabenen. Als begeisterter Bergsteiger erlebte Caspar David Friedrich dramatische Höhen aus erster Hand und kanalisierte seine Wahrnehmungen in Bilder, die der Sehnsucht nach den Sehenswürdigkeiten und Eindrücken der Höhe entsprachen. Seine reifen Werke zeigen einen geübten Blick für die Darstellung von Felsen, deren Texturen und Strukturen er aus verschiedenen Blickwinkeln festhält, als dokumentiere er sie in unterschiedlichen Stadien des Aufstiegs. Die massiven Gesteinsmassen, die oft mit vorbeiziehenden Wolken und Nebel kontrastiert werden, stellen eine starke Gegenüberstellung von Beständigkeit und Vergänglichkeit in einer Zeit neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse über das immense Alter der Erde dar. Den „Watzmann“ (1824/25, Nationalgalerie Berlin) stellte Friedrich in klarstem Sonnenlicht dar, ohne ihn je selbst gesehen zu haben. Gerade die bedrohliche Kraft der Berge zog die Romantiker an, für die hohe Gipfel eine Begegnung mit dem Erhabenen bedeuteten - eine Mischung aus Schönheit, Gefahr, Ehrfurcht und Jubel, die in Friedrichs „Wanderer über dem Nebelmeer“ (um 1817, Hamburger Kunsthalle) ikonisch Gestalt annimmt. Die berühmteste Rückenfigur der deutschen Kunstgeschichte scheint über die Natur zu triumphieren, zumindest offenbart sie ihm ihre Schönheit - etwa in Form eines Fernblicks - nicht. So verwundert vermutlich nicht, dass der Künstler einmal mehr diesen Blick im Atelier gestellt hat und sich auf Basis von Felsstudien aus der Umgebung von Dresden erträumte.
In den späten 1820er und frühen 1830er Jahren wandte sich der öffentliche Geschmack von Friedrichs introspektiven, rätselhaften Landschaften ab und zog eine direktere Darstellungsweise, wie sie die Düsseldorfer Malerschule bot, vor. Dennoch blieb der Künstler seinen Prinzipien treu. Er kritisierte die „übertrieben großartigen Ausführungen“ einiger seiner Zeitgenossen und strebte in seiner eigenen Arbeit nach einer immer stärkeren Konzentration. Indem er seine Kompositionen um breite Landstriche, Wasser und Himmel herum strukturierte – scharf wiedergegeben, aber im Detail reduziert –, füllte er seine späten Gemälde mit schillernden, visuellen Rhythmen.
Hier treffen zwei Darstellungen des Riesengebirges aufeinander. Oslo besitzt eine unvollendete Komposition von 1835, das vermutlich kurz vor der Schlaganfallserkrankung des Malers entstanden sein dürfte. Der Erhaltungszustand offenbart umfangreiche Unterzeichnung: die zarten, aber festen Striche von Feder und Bleistift, mit denen der Künstler die Felsen, das Gras, die Bäume und die Berge umriss, und die lockereren Striche, mit denen er die Wolken skizzierte. Auch die Linienführung ähnelt stark der in den Aquarellen des Künstlers.
In dieser Phase seiner Karriere hielt Caspar David Friedrich seine künstlerische Philosophie schriftlich fest und erklärte seine Herangehensweise an die Landschaft:
„Die Aufgabe des Künstlers ist nicht die getreue Darstellung von Luft, Wasser, Felsen und Bäumen, sondern vielmehr seine Seele, seine Empfindungen sollten sich in ihnen widerspiegeln. Die Aufgabe eines Kunstwerkes besteht darin, den Geist der Natur zu erkennen, sich mit ganzem Herzen und voller Absicht mit ihm zu befassen, ihn aufzunehmen und ihn in Form eines Bildes wieder zurückzugeben.“5
In seinen letzten Lebensjahren nahm Friedrichs Ansehen weiter ab, und die Folgen eines Schlaganfalls erschwerten ihm das Malen. Sein Schaffensdrang blieb jedoch ungebrochen, und er behielt einen Kreis treuer Förderer und Kollegen innerhalb und außerhalb der deutschen Staaten. Er kehrte zur Tuschemalerei als seinem primären künstlerischen Medium zurück und widmete sich der Darstellung von verlassenen Friedhöfen, alten Gräbern und leeren Meeresküsten. Friedrichs Themen spiegeln ein philosophisches Interesse am Tod und allem, was danach kommen mag, wider. Diese letzten Werke schuf Friedrich vor seinem Tod im Jahr 1840. Sie bilden einen ergreifenden Schlussstein in seinem landschaftlichen Gesamtwerk, das er in den vorangegangenen vier Jahrzehnten geschaffen hatte - eine visionäre Darstellung der komplexen Beziehung des Menschen zur lebendigen Erde.
„Caspar David Friedrich: The Soul of Nature“ wird in Zusammenarbeit mit der Alten Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin, den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und der Hamburger Kunsthalle mit beispiellosen Leihgaben von mehr als 30 Leihgebern in Europa und Nordamerika organisiert und präsentiert rund 75 Werke Friedrichs.
Neben Friedrichs Werken sind noch in der Ausstellung zu sehen: Carl Gustav Carus, Gotische Fenster in den Ruinen des Klosters von Oybin und Blick auf die Westfassade der Kathedrale von Dunkeld (2015.28); Johan Christian Dahl, Zwei Männer vor einem Wasserfall bei Sonnenuntergang, Mutter und Kind am Meer und Wolkenstudien (2009.400.33 und 2009.400.35); August Heinrich, Der Watzmann (Vorderseite) und Skizze von Sankt Bartholomä am Königssee (Rückseite); Johann Moritz Gottfried Jentzsch, Reisende am Felsbogen im Uttewalder Grund, 1804 (2004.82); Julius von Leypold, Wanderer im Sturm, 1835 (2008.7); und Ernst Ferdinand Oehme, Ein Kirchenportal (2006.336).6