Die New Yorker Malerin und Objektkünstlerin Nicole Eisenman (* 1965) zeigt in der Wiener Secession ihre aktuellsten Bilder, in denen sie sich mit dem Wahlsieg von Donald Trump auseinandersetzte. Die beiden großformatigen, mit US-Symbolen aufgeladenen Historiengemälde werden von Zeichnungen begleitet, die deren komplexen Entstehungsprozess erahnen lassen. Found Footage und eine Installation komplettieren die Schau im hinteren Bereich des Hauptausstellungsraums.
Österreich / Wien: Secession
14.9. – 5.11.2017
„Dark Enlightenment“ – dunkle Aufklärung – und die Wahl von Donald Trump zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten am 20. Januar 2017 sind eng miteinander verbunden. Timothy Snyder veröffentlichte im Juni dieses Jahres seine dystopische Analyse im Guardian und berichtete von Trumps 1930er Nostalgie, die sich auch in dessen Wahlspruch „America first“ niederschlug. Dahinter steht der Wunsch nach Katharsis, nach einem völligen Kollaps, um als gereinigt und gestärkt aus dem Konflikt herauszugehen. Doch was hat das mit Nicole Eisenman zu tun?
Eisenman vollendete im Mai 2017 zwei neue Großformate, die man gut und gerne in das traditionsreiche Genre der Historienmalerei einordnen darf. Wie für die New Yorkerin charakteristisch amalgamiert sie Ideen und Symbole, angereichert durch das Gefühl der Bedrohung, zu geheimnisvollen, schwer zu dechiffrierenden Kompositionen. Die in den beiden Seitenschiffen ausgestellten Zeichnungen bringen Licht in das Dunkel von „Dark Light” und „Going Down River on the USS J-Bone of an Ass“, so der Titel der beiden aktuellsten Werke. Doch bevor man sich diesen beiden komplexen Werken zuwenden kann, zieht die Künstlerin die Aufmerksamkeit der Eintretenden mit einer einfachen wie wirkungsvollen Geste auf sich: Kaum durch die Schwingtür getreten, sieht man sich einem überlebensgroßen Revolver gegenüber. In plakativer Farbigkeit gehalten, die Mündung der Handfeuerwaffe direkt aus dem Bild in den Raum gerichtet – und doch beim Nähertreten auch eine abstrakte Komposition aus Rundformen und Flächen. Hinter der stark stilisierten Motivik von „Shooter 2“ (2016) lauert der Metadiskurs der Malerei.
Doch zurück zu den beiden neuen Arbeiten: „Dark Light“ zeigt als handelnden Protagonisten eine männliche Person mit roter Baseballkappe. Donald Trumps liebstes Accessoire aus dem Wahlkampf 2016 trifft auf eine Taschenlampe, die das titelgebende schwarze Licht verbreitet. Dahinter die schwarze Sonne, die, wie die Nicole Eisenman betont, von Edvard Munchs Sonnenuntergängen inspiriert wurde. Eine schwarz-blaue, pastos gemalte Abgaswolke rechts spielt auf „rolling coals“ an. Dafür werden Dieselautos so umgebaut, dass sie auf Knopfdruck giftigen, schwarzen Dieselrauch produzieren. Davor wohl Trumps Follower, vulgo Jünger, die das Erscheinen des Messias (am Ölberg) im roten Truck verschlafen. Oder ist es doch der Schlaf der Vernunft, der Ungeheuer produziert? In den Zeichnungen noch offensichtlicher ist die Anspielung auf das Swastika-Symbol, das alle Bildelemente gemeinsam ergeben. Trump, der Zweite Weltkrieg und „Make America great again“ lassen grüßen.
Aus den Zeichnungen ist gut nachvollziehbar, wie Nicole Eisenman beide Bilder anfangs noch als eine Komposition dachte und im Laufe des Arbeitsprozesses die Narration auf zwei Leinwände aufteilte. Das zweite Bild spricht eine andere stilistische Sprache als „Dark Light“. Sein Titel – „Going Down River on the USS J-Bone of an Ass“ – ist Beschreibung und Kommentar in einem, zeigt es doch die Fahr auf einem tosenden Fluss in einem Boot aus einem Esel-Unterkiefer. Das Wasser ist schwefelig Gelb, die blattlosen Bäume ragen wie Skelette in den dunklen Himmel, an dem sich das Sternbild des Großen Wagen zeigt. Alles ist verdreckt und zerstört. Das Boot fährt einem Wasserfall entgegen, und dennoch sind die Insassen eigentümlich ruhig dabei. Die drei Figuren, die durchaus an Otto Dix‘ expressionistische Gesellschaftsanalysen der frühen 1920er Jahre erinnern (→ Otto Dix – Der böse Blick), spielen eine Flöte, der Matrose betätigt sich am Segel oder lassen sich kutschieren. Hier wandelt Nicole Eisenman auf den Spuren von Hieronymus Bosch: Das „Narrenschiff“ (Louvre) des holländischen Meisters versammelte bereits unbekümmert Feiernde, deren närrisches Treiben als Moralsatire auf den Verfall der Sitten um 1500 gedacht war.
Dass Nicole Eisenman das Gefährt in Form eines Unterkiefers eines Esels gestaltete, verweist auf die unheilvolle Allianz zwischen so manchem Demokraten mit den Republikanern.1 Einige Demokraten dürften nämlich das Konzept verfolgen, den Untergang (Umweltzerstörung etc.) möglich voranzutreiben, um eine Umkehr im Denken ebenso rasch zu provozieren. Gemäß dem Motto: Zuerst die Zerstörung, dann erst wäre die Gesellschaft lernbereit. Dass das amerikanische „Ass“ sowohl als „Esel“ wie auch umgangssprachlich „Arsch“ bedeutet, lässt die Eisenman als Jongleurin mit Doppelbedeutungen erscheinen. Das Narrativ der Wiederkehr der 1930er Jahre, das schon mit der Wirtschaftskrise und deren Vergleiche mit dem Schwarzen Freitag 1929 begann, das von „Dark Enlightenment“ und dem Wunsch nach einer starken Führerpersönlichkeit weitergetrieben wird, leuchtet aus den gemalten Dystopien Eisenmans.
Von diesem starken Inhalt auf formale, vor allem aber malerische Fragestellungen zu schwenken, ist brutal, zugegeben. Dennoch soll zumindest der Hinweis am Ende des Textes noch gegeben werden, die komplexen Bildererzählungen beiseite zu lassen, um die malerischen Qualitäten (definitiv im Plural!) zu entdecken. Die kunsthistorisch äußerst bewanderte Malerin ist in der Lage (offensichtlich gleichzeitig) an zwei malerisch völlig unterschiedlich gelösten Bildern arbeiten. Unglaublich trockene Ölfarbe, die manchmal wie Ölkreide aussieht, fein abgestufte, modellierte Partien, aber auch raue Malweise treffen mehr oder weniger unvermittelt aufeinander. Der koloristische Reichtum von Nicole Eisenmans Malerei ist erst aus der Nähe zu erkennen und überzeugt in seiner Differenziertheit. In Summe schuf Nicole Eisenman mit „Dark Light“ eine überzeugende Schau mit politischer Aussage, die umso mehr Ebenen aufmacht, je mehr man sich mit US-Symbolen und der jüngeren Geschichte der Vereinigten Staaten auseinandersetzt.
Nicole Eisenman, geboren 1965 in Verdun (Frankreich), lebt und arbeitet in New York City.
Parallel zur Ausstellung Nicole Eisenman: Dark Light stellen Chatwick Rantanen und Toni Schmale in der Wiener Secession aus.