„I was reflecting that most people thought the Factory was a place where everybody had the same attitudes about everything; the truth was, we were all odds-and-ends misfits, somehow misfitting together”1Andy Warhol und Pat Hackett, POPism: The Warhol Sixties, London 2007 (Erstauflage: 1980), S.276.[/note,]
Andy Warhol stellte zuletzt 1981 – also noch zu Lebzeiten – im mumok aus. Knapp 40 Jahre später scheint es mehr als überfällig, sein Schaffen in einem umfassenderen kunsthistorischen Kontext zu präsentieren. Die Sammlungspräsentationmit dem Titel „MISFITTING TOGETHER. Serielle Formationen der Pop Art, Minimal Art und Conceptual Art“ stellt sich daher der Aufgabe, Warhol nicht nur im Rahmen der Pop Art zu verorten, sondern ein differenzierteres Bild der Zeit zu zeichnen, indem Arbeiten der Minimal und Conceptual Art –allesamt Sammlungsschwerpunkte von Peter und Irene Ludwig –hinzugezogen werden. Ziel ist es, zu zeigen, wie sehr diese Bewegungen einander beeinflusst haben und wie ungern sich diese Strömungen in kunsthistorische Schubladen zwängen lassen. Warhols Werk wird so in seinem zeitgeschichtlichen Kontext erfahrbar.
Österreich | Wien: mumok, Ebenen -4 und 4
1.7.2020 – 6.1.2021
verlängert bis 25.4.2021
Bezugnehmend auf Mel Bochners Artikel „The Serial Attitude“, der 1967 im Artforum erschien, setzt sich die Ausstellungmit der seriellen Ordnung als Bindeglied der drei Kunstströmungen Pop Art, Minimal Art und Conceptual Art auseinander. Wie Bochner damals bereits konstatierte, handelt es sich bei der seriellen Ordnung um eine Methode und keinen Stil. Serialität soll nicht als formalisierte Spielerei, sondern als künstlerische Strategie verstanden werden, der klar definierte Prozesse zugrunde liegen, die häufig aus dem Umfeld der Mathematik und der Sprache stammen. Objektivierte Prozesse führen so zur Überwindung individueller Entscheidungen. Dabei unterscheidet Bochner zwischen modularen und seriellen Ideen: Modulare Werke basieren auf der Wiederholung einer standardisierten Einheit, die ihre Grundform nicht verändert und somit einen zeitlichen Moment abbildet (z.B. Robert Indianas „Love Rising / Black and White Love (For Martin Luther King)“, 1968), während serielle Werke einer logischen Abfolge gehorchen und damit einen zeitlichen Verlauf darstellen (z.B. Sol LeWitts „Form Derived from a Cube“, 1986). Beide Ansätze lassen sich in allen drei Richtungen wiederfinden und werden in der Ausstellung einander gegenübergestellt.
Dass der Begriff der Serie bereits in den 1960er Jahren Gegenstand hitziger Diskussionen war, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass 1967 gleich zwei Ausstellungen zum Thema an universitären Einrichtungen stattfanden, einmal in Europa und einmal in den USA. Serielle Formationen – hierauf verweist auch der Untertitel der Ausstellung – wurde in der Studiogalerie der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main von dem Galeristen Paul Maenz und dem Künstler Peter Roehr organisiert. Es handelte sich um die erste Themenausstellung internationaler minimalistischer Tendenzen in Deutschland. Ihr Interesse galt den vielfältigen Erscheinungsweisen seriellen Arbeitens, auch wenn sich diese konzeptuell radikal unterschieden. Stilgeschichtliche Einordnungen und Gattungsgrenzen wurden so infrage gestellt.
Ein halbes Jahr später organisierten Mel Bochner und Elayne Varian die Ausstellung „Art in Series“ am Finch College in New York (21.11.1967–6.1.1968). Auch hier wurden unterschiedlichste Arbeiten mit einem Fokus auf seriellen Methoden gezeigt, die heute verschiedenen Kunstrichtungen zugeordnet werden. Es ist interessant zu beobachten, dass sowohl in Mitteleuropa als auch in den USA ein ähnliches Interesse aufzukeimen schien.
Dies soll auch die Werkauswahl innerhalb der Ausstellung „MISFITTING TOGETHER“ verdeutlichen: So werden neben Arbeiten bekannter US-amerikanischer Positionen Werke von Vertreterinnen und Vertretern der mittel- und osteuropäischen Szene gezeigt.
Dass der Begriff der Serie auch in Warhols Werk eine zentrale Rolle spielt, ist kein Geheimnis. Im Rahmen der Ausstellung soll dieser Begriff im prozessualen Sinne verstanden werden –und damit eben nicht als stumpfe Wiederholung des immer gleichen Sujets, sondern im Sinne einer Faszination für die Vielfalt und Differenz innerhalb einer Serie. Statt eines endgültigen Ergebnisses stand der sich stetig verändernde Prozess im Mittelpunkt von Warhols Serienbegriff. Ein ähnliches Verfahren lässt sich bei Zeitgenossinnen und Zeitgenossen wie Hanne Darboven, On Kawara oder Charlotte Posenenske beobachten.
Eine zeitgenössische Ergänzung bietet die Arbeit „FIREARMS“ der erst kürzlich verstorbenen Künstlerin Lutz Bacher. In ihrem seriellen Werk zeichnet Bacher das Porträt der Waffe als Ware des internationalen Handels sowie als historisches, heiß begehrtes Sammlerobjekt. Das „Mouse Museum“ (1965/77) und der „Ray Gun Wing“ (1961/77) von Claes Oldenburg zählen zu den Hauptwerken der Pop Art und stellen als begehbare Installationen Museen im Miniaturformat dar (→ 10 Dinge, die man über Claes Oldenburg wissen sollte). Ein ähnliches Interesse an der Schnittstelle zwischen Werk und Ausstellung wird sich in den zwei anderen Warhol-Ausstellungen zeigen, die im Herbst eröffnen und sich weiteren Facetten des Phänomens Andy Warhol widmen werden: Warhol als Ausstellungskünstler, Installationskünstler und Kurator.
Lutz Bacher, Alighiero Boetti, Daniel Buren, Hanne Darboven, Jan Dibbets, Heinz Gappmayr, Robert Indiana, Jasper Johns, Donald Judd, On Kawara, Joseph Kosuth, Sol LeWitt, Roy Lichtenstein, Dóra Maurer, Claes Oldenburg, Friederike Pezold, Larry Poons, Charlotte Posenenske, Peter Roehr, Robert Smithson, Daniel Spoerri, Andy Warhol
Andy Warhols titelgebende Worte bilden den Ausgangspunkt für die erste Ausstellung des als Trilogie konzipierten Warhol-Schwerpunktes im mumok. Die beiden anderen Teile – „ANDY WARHOL EXHIBITS a glittering alternative“ (→ Wien | mumok: Andy Warhol) und „DEFROSTINGTHE ICEBOX. Die verborgenen Sammlungen der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museum Wien und des Weltmuseum Wien zu Gast im mumok“ – eröffnen am 25. September2020.
Kuratiert von Marianne Dobner und Naoko Kaltschmidt.
Quelle: mumok, Wien