Antico (um 1455–1528) gehört zu den führenden Bronzebildhauern der Renaissance, da er Werke in streng antikischem Stil schuf. Anticos Kunstwerke basieren auf der einzigartigen „archäologischen“ Tradition, die in Mantua von Andrea Mantegna begründet worden war. Damit kam er dem Geschmack der Eliten der Hochrenaissance entgegen, fanden diese doch in der Kunst und Kultur der Antike bedeutende Errungenschaften, die es wiederzubeleben galt. Dazu zählte auch die Technik des Bronzegusses, die er revolutionierte, und die taktile Kleinbronze, deren Qualitäten von Sammlerinnen und Sammlern hochgeschätzt wurden.
Österreich / Wien: The Princely Collections Liechtenstein
Als 1489 Arbeiter den römischen Weingarten von Kardinal Giuliano della Rovere umgruben, förderten sie die antike Statue eines Apollo zutage. Nur der rechte Unterarm und die linke Hand fehlten, sonst war die Götterstatue wunderbarerweise perfekt erhalten. Der Kardinal ließ die Apollo-Statue im Skulpturengarten seines römischen Palastes aufstellen, wo ihn Künstler während der 1490er Jahre studieren konnten. Nach seiner Wahl zum Papst nahm Giuliano den Nahmen Julius II. an und stellte den Apollo im Hof des Belvedere im Vatikan, dem sogenannten Cortile delle Statue del Belvedere, auf. Damit erhielt das antike Werk seinen Namen: „Apoll vom Belvedere“.
Der erste Künstler, der diesen Fund künstlerisch verarbeitete, war der Goldschmied und Bildhauer Pier Jacopo Alari de‘ Bonacolsi, seit den 1480er Jahren Antico genannt. Mit archäologischer Präzision ließ er den Apollo Belvedere in einer kleinformatigen Bronze wiederauferstehen und ergänzte die fehlenden Gliedmaßen. Die Arbeit signierte er gut sichtbar mit seinem Spitznamen „Antico“, was auf Deutsch so viel wie „der Antike“ bedeutet. Er verdiente sich seinen Beinamen, da er unter anderem die Kreation von exquisiten Bronzestatuetten in Anlehnung an die Antike als Reduktionen von monumentalen Marmorstatuen und lebensgroßen Büsten perfektionierte.
Da wenig über die Ausbildung und frühen Jahre Anticos überliefert ist, wird angenommen, dass er als Goldschmied begonnen haben könnte. Antico arbeitete lebenslang am Hof der Gonzaga in Mantua, wo er in Andrea Mantegna einen der führenden Maler des Quattrocento in Oberitalien zum Kollegen hatte. Zur selben Zeit arbeitete Leonardo da Vinci in Mailand an einem repräsentativen Reiterstandbild in Bronze, und Andrea del Verrocchio hatte ein solches von dem Condottiere Bartolomeo Colleoni (1479–1488/1496) in Venedig aufgestellt.
Antike Skulpturen stellten für Antico und seine Förderer die Perfektion und Schönheit in der Kunst dar. Diese zu kopieren und vielleicht zu übertreffen, war ein wichtiges Anliegen der Antikenrenaissance. Antico konnte sich während der 1490er Jahre in Rom als Restaurator von antiken Marmorstatuen ein Bild vom Formenvokabular machen, das er auch in eigenständigen Schöpfungen umzusetzen wusste. Er identifizierte sich mit den klassischen Bildhauern Praxiteles und Polyklet, von denen man in der Hochrenaissance annahm, sie hätten die Gruppe der „Pferdebändiger“ am Quirinal geschaffen.
Auch die bedeutendste Kunstsammlerin und Mäzenin der Renaissance, Isabella d’Este (1474–1539), war Anticos wichtigste Auftraggeberin und Gönnerin. Wie hoch Pier Jacopo Alari-Bonacolsi von seinen Förderern geschätzt wurde und wie sehr sie seine Arbeiten den antiken Werken gleichstellten, beweist der Umstand, dass sie in ihren Sammlungen Anticos Werke gemeinsam mit antiken Originalen präsentierten. Die Gonzaga erhielten von ihm nicht nur wertvolle Kleinbronzen, in denen er antike Funde zu zeitgenössischen Interpretationen mythologischer Geschichten verarbeitete, sondern auch eine Serie von lebensgroßen antiken Herrscherporträts.
Die Bronzeplastik in den Liechtenstien. The Princely Collections, Wien-Vaduz, zeigt den berühmten römischen Herrscher Marc Aurel (121–180, reg. 161–180), bekleidet mit einer Tunika und einem Kürass sowie darüber einem Mantel (Paludamentum), der auf der rechten Schulter mit einer Schließe in Form einer Rosette befestigt ist. Die Figur ist durchgehend feuervergoldet, was eine Ausnahme im Werk Anticos ist. Einige ältere Reparaturen sind sichtbar.
Der Kopf ist sowohl in den Gesichtszügen wie auch den schweren Augenlidern porträthaft gestaltet und ähnelt einer römischen Marmorbüste von Marc Aurel im Kunsthistorischen Museum (Inv.-Nr. Antikensammlung, I 13). Dass es sich bei diesem goldenen Kopf um eine Arbeit von Antico handelt wird mit der präzisen Ausarbeitung der Details, die Haarsträhnen, die gestrichelten Augenbrauen, die präzise modellierten Locken begründet. Das Bildnis zeigt die Haar- und Barttracht, die der Kaiser im letzten Jahrzehnt seines Lebens trug. Lockige Haare und Bart waren seit Kaiser Hadrian in Mode und galten als Charakteristika des erfahrenen Militärs und des graecophilen Philosophen.
Zurückgehend auf Fürst Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein, sind die Sammlungen des Fürstenhauses reich an Bronzestatuetten des 16. Jahrhunderts. Antico ist mit insgesamt fünf Werken vertreten, der hier besprochene „Marc Aurel“ ist die jüngste Erwerbung:
um 1460 Pier Jacopo Alari-Bonacolsi wurde in Mantua geboren. Ausbildung und Herkunft sind nicht bekannt.
1480er/1490er Jahren Seit den 1480ern nannte sich der Goldschmied, Medailleur und Plastiker selbst „Il Antico“. Er war als Restaurator, Kopist und Einkäufer antiker Figuren für das Haus Gonzaga mehrmals in Rom, tätig. Bei seinen Arbeiten als Kopist beschränkte er sich nicht nur auf das kopieren, sondern ergänzte die häufig nur fragmentiert erhaltenen Originale.
um 1500 Etliche Bronzen schuf Antico im Auftrag von Bischof Ludovico Gonzaga von Mantua. Seine Werke zeichnen sich durch außerordentliche Qualität im Guss und Raffinesse aus. Ein besonderes Merkmal sind die oft verwendeten vergoldeten Details, wie zum Beispiel für die Haare und Silber eingelegten Augen, sowie die Verwendung schwarzer Patina, eine Verfeinerung, die in einigen klassischen und hellenistischen griechischen Bronzen gefunden wurden, sind charakteristisch für seine Figuren und ein guter Hinweis darauf, warum die besten Bronzen Antico zu den begehrtesten Statuetten der Hochrenaissance gehören.
1528 in Gazzuolo (in der Nähe von Mantua) gestorben