Carl Buchheister
Wer war Carl Buchheister?
Carl Buchheister (Hannover 17.10.1890–2.2.1964 Hannover) war ein deutscher Maler und Grafiker der Abstrakten Kunst (→ Abstrakte Kunst). Der weitgehende Autodidakt lebte ab 1919 als freier Maler in Hannover, wo er ab 1925 konstruktivistische Kompositionen schuf. Buchheister war Gründungsmitglied von „die abstrakten hannover“ und Mitglied von „Abstraction-Création“ in Paris. Ab 1954 lehrte er an der Meisterschule in Hannover. Das Werk von Carl Buchheister gilt als Vorwegnahme der freien Abstraktion (Informel) und geht eine Symbiose mit dem Konstruktivismus ein.
Kindheit, Lehre und künstlerische Ausbildung
Carl Buchheister (auch: Karl Buchheister) wurde am 17. Oktober 1890 in Hannover als Sohn von Wilhelm und Luise Buchheister geboren. Seine Eltern besaßen ein Handarbeitsgeschäft. Buchheister hatte drei jüngere Geschwister, zwei Schwestern und einen Bruder.
Schon in der Schule machte Carl durch seine Begabung zum Malen und Gestalten auf sich aufmerksam. Nachdem er 1910 sein Abitur an der Leibnizschule in Hannover abgelegt hatte, begann er auf Wunsch des Vaters eine kaufmännische Lehre in einem Bremer Einzelhandelsgeschäft (1910/11). Daran anschließend machte er ein Volontariat in einem Hannoverschen Bankhaus. Als ältester Sohn sollte er das Geschäft der Eltern übernehmen. Abends besuchte Carl Buchheister die Kunstgewerbeschule. Um seiner Militärpflicht zu genügen, meldet sich Buchheister 1912 als Einjährig-Freiwilliger in einem Feldartillerie-Regiment in Lothringen.
Der Wunsch, Maler zu werden, führte zu einer Auseinandersetzung mit dem Vater. Schließlich gab dieser jedoch die Einwilligung zum Studium. Im Studienjahr 1913/14 besuchte Carl Buchheister die Unterrichtsanstalt des Königlichen Kunstgewerbemuseums in Berlin (1913/14).
Buchheister im Ersten Weltkrieg
Beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde Carl Buchheister in den Kriegsdienst einberufen. Auch während dieser vier Jahre zeichnete und malte er, sobald das Kriegsgeschehen ihm Zeit ließ. In dieser Zeit entstanden weit über 100 Bleistift-Skizzen.
Pionier der Konkreten Kunst
Nach Kriegsende zog Carl Buchheister als Freier Kunstmaler nach Hannover, wo er sich 1921 mit Kurt Schwitters anfreundete. Nach bescheidenen Anfängen unter dem Einfluss von Wassily Kandinsky, Kurt Schwitters, László Moholy-Nagy, Hans Arp, Oskar Schlemmer und Josef Albers formulierte Carl Buchheister erste neue Konzepte. Zudem hielt Buchheister Kontakt zu den russischen Konstruktivisten wie El Lissitzky und der holländischen De Stijl-Gruppe rund um Theo van Doesburg.
Ab 1923 schuf Carl Buchheister erste abstrakte, lyrische Bilder, die als Vorwegnahme des Informel diskutiert werden. Seit 1925 erarbeitete Buchheister konstruktivistische Bilder und plastische Objekte. Dabei setzte er auch „unkünstlerische“ Materialien für die bildnerische Gestaltung ein, was vielleicht auf die Freundschaft mit Kurt Schwitters zurückzuführen ist. Neben Ölfarbe (als Material und Kolorit) benutzte Buchheister kunstfremde Materialien wie Glasstücke, Schnüre, Metallfolie, Papier, Stoffreste und Drahtstücke, die er in seine Bilder einbaute. Dabei ging es ihm nie darum, einen Gedanken oder eine Botschaft zu vermitteln, sondern um ein spielerisches Tun, das in einer poetischen Form mündet.
1926 hatte Buchheister seine erste Einzelausstellung in Herwarth Waldens Galerie „DER STURM“ in Berlin. In den Jahren 1927 und 1929 gelang ihm der künstlerische Durchbruch. Mit Kurt Schwitters, Rudolf Jahns, Hans Nitzschke und Friedrich Vordermberge-Gildewald gründete er 1927 die Künstlergruppe „die abstrakten hannover“, der er zwischen 1928 und 1933 als Vorsitzender vorstand. Ähnlich der Bauhäusler verfolgte die Gruppe mit ihrer Kunst gesellschaftspolitische Ziele. Buchheister malte seine Bilder in einer Auflage – maximal sechs vom gleichen Bild wurden jemals erstellt –, um den Preis für seine Arbeiten zu senken. Dadurch sollte auch weniger bemittelte Menschen ein konstruktives Gemälde kaufen können.
„Die Lebensberechtigung und das Ziel der Kunst ist Schaffung der neuen Menschen, die die neue Gesellschaft bilden werden. Dadurch hat die Kunst eine große Aufgabe.“ (Manifest in der Zeitschrift „Der Sturm“ ,1927)
Durch seine Teilnahme an der Ausstellung der Gruppe „Cercle et Carré“ im Jahr 1930 und seine Kontakte zur Pariser Kunstszene fand Buchheister Anschluss an die europäische Avantgarde. Von 1933 bis 1936 war er daher Mitglied der Pariser Künstlergruppe „Abstraction-Création“.
Buchheisters innere Emigration
Ab 1933 galt Buchheisters Kunst aufgrund ihrer abstrakten Bildsprache als „entartet“. Er musste seine Ehrenämter niederlegen, Museen vernichteten seine Bilder. Von 1934 an malte Carl Buchheister wieder gegenständlich: Landschaften in und um Hildesheim sowie Porträts. 1939 wurde er als Hauptmann der Reserve zum Wehrdienst in den Zweiten Weltkrieg einberufen. Während seiner Zeit als Soldat in Frankreich malte er weiterhin gegenständlich.
Zweite Phase der Abstraktion
Nach seiner Rückkehr aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft im Jahre 1945 arbeitete Carl Buchheister zunächst zurückgezogen in seinem Atelier. In dieser Zeit bildete er eine neue Form abstrakter Kompositionen heraus. Es entstanden Arbeiten auf zwei Ebenen, Bilder, die auf den Rahmen übergreifen und darüber hinausgehen. In seinen abstrakten Arbeiten bezog er sich auf reale Beobachtungen und Erlebnisse. Informelle Bildelemente stehen konstruktiven gegenüber oder überlagern sie. Damit wurde Carl Buchheister zum Anreger und Mitgestalter der informellen Malerei.
Im Juni 1949 besuchte Carl Buchheister im Kestner-Museum Hannover die Ausstellung „Französische abstrakte Malerei“, die von dem Stuttgarter Nervenarzt und Sammler Ottomar Domnick organisiert worden war. Die École de Paris war mit Werken von Hans Hartung, Pierre Soulages, Herbin, Del Marle und anderen vertreten. Der Hannoveraner Maler schrieb daraufhin an Domnick, dass die Schau ihm einen „umfassenden Einblick über das Schaffen der jungen Malergeneration in Frankreich“ eröffnet hätte – und weiter:
„Vor allen Dingen ist es zu begrüßen, dass gerade die erste geistige Brücke nach den furchtbaren Kriegsjahren von Nation durch Nation durch die abstrakte Malerei hergestellt worden ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass diese übernational Mission der abstrakten Kunst sich in Zukunft immer wieder beweisen wird.“1 (Carl Buchheister an Ottomar Domnick, 16.6.1949)
Im Jahr 1949 lernte Carl Buchheister den Maler Karl Otto Götz kennen, mit dem er freundschaftlich verbunden blieb. Anlässlich einer Einzelausstellung in der Zimmergalerie Franck in Frankfurt traf er 1951 den Kunstkritiker Édouard Jaguer, der ihn in Frankreich bekannt machte und seine Werke in dem von Robert Lebel herausgegeben Sammelband über die moderne Malerei von 1937 bis 1953 besprach. Jaguer führte Buchheister nicht nur in die Pariser Kunstszene ein, sondern ließ ihn auch bei sich wohnen und vermittelte ihm Ausstellungsbeteiligungen. Carl Buchheister beschloss 1958, sich dort niederzulassen und verbrachte bis 1963 jeden Sommer in Eméville und Paris.
Im Jahr 1954 zeigte er seine neuen Bilder in einer Ausstellung in Paris, wo ihm zum zweiten Mal internationale Anerkennung zuteilwurde. Ab 1954 war Carl Buchheister Professor an der Meisterschule Hannover. 1959 beteiligte Buchheister sich an der documenta II in Kassel. Im folgenden Jahr erhielt er das Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland. Die Freundschaft mit Jaguer brachte die Bekanntschaft mit anderen Pariser Malern wie Pierre Alechinsky, Arnalt Bryen, Francis Bott, Herold und Jenkins. Dazu kamen Ausstellungen in Japan, Südamerika, Jugoslawien, Polen, Belgien, Dänemark, der Schweiz, England, Frankreich, Italien und Israel.
Carl Buchheister wurde 1963 für den Villa Romana-Preis vorgeschlagen. In seinen letzten Lebensjahren beschäftigte sich der Künstler mit der Technik der Lithografie.
Tod
Carl Buchheisters starb am 2. Februar 1964 in Hannover. Sein Grabstein mit einer zusätzlichen Inschrift für Elisabeth Buchheister, geborene Meyer (1906–1989), befindet sich auf dem Lindener Bergfriedhof.
Seine Arbeiten sind in zahlreichen öffentlichen Sammlungen vertreten, u.a. in der Nationalgalerie Berlin, in der Tate Gallery in London, im Solomon R. Guggenheim Museum in New York oder im Nationalmuseum of Modern Art in Tokio.