- Nam June Paik, Fish Flies on Sky, 1983-1985, Multi-Monitor-Installation, 3 Kanäle, 1050 x 400 cm Raumgröße, Metall, Glas, Elektronik, Software © Nam June Paik Estate, New York, 2010/ Stiftung museum kunst palast, Düsseldorf.
Nam June Paik
Wer war Nam June Paik?
Nam June Paik (Seoul 20.7.1932–29.1.2006 Miami Beach) war ein aus Korea stammender US-amerikanischer Komponist und bildender Künstler der Fluxus Bewegung. Er arbeitete als Musiker und Organisator bei diesem die Grenzen der Kunst überschreitenden Kollektiv mit. Zu seinen Arbeiten gehören Videoskulpturen, Videoinstallationen, Videoperformances, Videos und Live-Übertragungen über Satellit. Zwischen 1964 und 1967 schuf er gemeinsam mit der Cellistin Charlotte Moorman ikonische Stücke, in denen sie Kunst, Sexualität, Klang, Komödie und Spektakel miteinander verschmolzen. Ausgehende vom Dadaismus waren die Ziele Paiks und seiner Kollegen das Auflösen des klassischen Werkbegriffs, das Vorrücken konzeptueller, aktionistischer und intermedialer Tendenzen. Paik gilt mit seinen Werken als auch seiner ersten Einzelausstellung, „Exposition of Music – Electronic Television“ von 1963, als Begründer der Video- und Medienkunst.
„Ist originäres Denken noch möglich? Wenn ja, WIE? Wenn nein, WARUM?“1 (Nam June Paik)
Kindheit
Nam June Paik wurde am 20. Juli 1932 in Seoul, Chōsen (heute: Korea) als jüngstes von fünf Kindern einer wohlhabenden koreanischen Textil- und Stahlunternehmers geboren.
1949 floh die Familie vor dem Koreakrieg zuerst nach Hongkong und 1950 weiter nach Tokio.
Ausbildung
Nam June Paik studierte von 1953 bis 1956 Musikgeschichte, Kunstgeschichte und Philosophie an der Universität von Tokio. Er schloss sein Studium mit einer Arbeit über Arnold Schönberg ab.
Paik kam über Kalkutta und Kairo nach Europa und setzte mit einem Studium der Musikwissenschaft, Philosophie und Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München 1956/57 fort. Im Jahr 1957 traf er zum ersten Mal Karlheinz Stockhausen
Im Studienjahr 1957/58 inskribierte sich Nam June Paik für ein Kompositionsstudium bei Wolfgang Fortner an der Hochschule für Musik in Freiburg im Breisgau.
Danach übersiedelte er nach Köln (1958), wo Paik John Cage bei den „Internationalen Ferienkursen für Neue Musik“ in Darmstadt traf (3.-9. September 1958). Die Ausstellung „Dada – Dokumente einer Bewegung“ (5.9.–19.10.1958) im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen in Düsseldorf war wohl der Auslöser für den Musiker Paik, sich verstärkt in Richtung bildende Kunst zu orientieren. Sie war der Startschuss für seine intermedialen Experimente.
Im Jahr 1960 schrieb sich Nam June Paik noch an der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln ein.
Werke
Aktionsmusik
Inspiriert von der Musik von John Cage und dessen performativen Stil, insbesondere von dem Stück „Music Walk“ (14.10.1958), entwickelte Paik im Oktober 1958 das Konzept der „Aktionsmusik“, bei der er – wie in seiner ersten spektakulären Performance „Hommage à John Cage“ in der Galerie 22, Düsseldorf – auch Instrumente zertrümmerte und zufällige Geräusche mit klassischen Klängen mischte, die u. a. auch aus Tonbandgeräten kamen. Dieses Stück sollte ihm einen „Ausweg aus der Erstickung des musikalischen Theaters von heute“ weisen. Von 1959 bis 1962 trat Paik mit Stücken seiner Aktionsmusik auf; ab 1960 fanden diese wichtigen Auftritte auch im Atelier Mary Bauermeister, Köln, statt, darunter das „Contre-Festival“ (Juni 1960)
Zwischen 1958 und 1963 experimentierte Nam June Paik gemeinsam mit Stockhausen im Studio für Elektronische Musik des WDR.
Bei der Aufführung seiner Komposition „Etude for Piano Forte“ im Oktober 1960 schnitt Paik seinem Vorbild John Cage, der im Publikum saß, die Krawatte ab und wusch seinen Mitperformern mit Shampoo das Haar.
Hinwendung zu FLUXUS
Im Juli 1961 trafen Nam June Paik und Joseph Beuys einander zum ersten Mal auf einer Vernissage der Gruppe ZERO in der Galerie Schmela. Der 18-jährige Tomas Schmit sprach Paik in der Düsseldorfer „Jackson Pollock“-Ausstellung an (5.9.– 8.10.1961). Schmit war selbst Performer in Fluxus-Konzerten und assistierte später Paik, den er als seinen „Lehrer“ bezeichnete. In Aufführungen von Stockhausens Musiktheaterstück „Originale“ im Oktober und November 1961 im Kölner Theater am Dom wirkte Paik als Musiker mit.
Im Jahr 1962 lernte Paik den Fluxus-Gründer George Maciunas kennen. In dieser Phase wurden im Rheinland zwei wichtige Abende der Fluxus-Bewegung organisiert: „Kleines Sommerfest – Après John Cage“ (9.6.1962) in der Galerie Parnass und „NEO-DADA in der Musik“ (16.6.1962) in den Düsseldorfer Kammerspielen. Das Programm für „NEO-DADA“ stellten Paik und Maciunas bereits gemeinsam zusammen. Seit „NEO-DADA“ standen Paik und Joseph Beuys im Austausch miteinander; Beuys war 1961 zum Professor für Bildhauerei berufen worden und schlug einen Konzertabend vor. Fluxus erweiterte fortan Paiks Aktionsfeld und beeinflusste seine Rolle als Kommunikator und Stratege. Dabei hielt sich der Künstler stets an die kollegiale Gleichwertigkeit aller Mitglieder.
Seither nahm Paik an Fluxus-Konzerten und Fluxus-Manifestationen, zunächst in Europa, später in den USA teil. Er schrieb eine Reihe frecher, minimalistischer, formale von La Monte Young beeinflusster Stücke, die aufgrund ihrer sexuellen Konnotationen für die spätere Performancearbeit mit Charlotte Moorman wichtig sind („Young Penis Symphony“, 1962; „Danger Music für Dick Higgins“, 1962). Nam June Paik übernahm auch die Short-form-Notation, wie sie für Fluxus charakteristisch ist. Damit beschrieb er in knappen, lapidaren Sätzen, die er an die Betrachter:innen richtete, Instruktionen in Alltagssprache. Das Werk vollendet sich erste durch die Betrachter:innen, die zu Akteur:innen werden – und so für die Realisation oder Nichtumsetzung selbst verantwortlich sind.
Festum Fluxorum Fluxus
Festum Fluxorum Fluxus (2.–3. Februar 1963 ) in der Kunstakademie Düsseldorf Beuys ermöglichte Nam June Paik, George Maciunas und den Fluxus-Kollegen zwei Abende mit Konzerten an der Kunstakademie Düsseldorf zu gestalten. Sie hoben die Trennung zwischen den künstlerischen Disziplinen auf und organisierten betont beiläufige, eher spielerische und vergängliche Aktionen. Joseph Beuys führte seine erste öffentliche Aktion vor: „Sibirische Symphonie 1. Satz“ und am zweiten Abend „Komposition für 2 Musikanten“. Paik führte am Ende seinen „Paiks Fluxus Champion Contest“ auf, den er Amerikaner Frank Trowbridge gewann.
Exposition of Music – Electronic Television
Die erste Einzelausstellung Nam June Paiks fand in der Galerie Parnass in Wuppertal mit dem Titel „Exposition of Music – Electronic Television“ (11.–20. März 1963) statt. Paik hatte sich monatelang in einem geheim gehaltenen Atelier in die Elektrotechnik eingearbeitet, 13 gebrauchte TV-Geräte gekauft und überraschte das Publikum mit unterschiedlich modifizierten Geräten. Als eines der TV-Geräte kaputtgeht und nur mehr eine dünne Linie wiedergibt, integrierte der Künstler das Objekt als „Zen for TV“ in die Performance. Joseph Beuys bezeichnete die Ausstellung als „historische Tat“. Bis heute gilt sie als die „Geburtsstunde der Medienkunst“.
Robot K-456
Während einer kurzen Rückkehr nach Japan (1963/64) entwickelte Paik gemeinsam mit dem Elektonikexperten Shuya Abe den „Robot K-456“, eine kinetische Skulptur, die laufen, sprechen und Bohnen ausscheiden konnte. Paik verstand dieses Objekt noch als Musikstück, denn „K“ steht für „Köchelverzeichnis“.
New York & Charlotte Moorman
Im Juni 1964 übersiedelte Nam June Paik nach New York. Er erfuhr, dass die US-amerikanischen Cellistin Charlotte Moorman ihn kennenlernen wollte. Sie arrangierte ein Treffen am 12. Juni in einem Imbiss im Zentrum von Manhattan. Sie plante eine Aufführung von Stockhausens „Originale“ und benötigte Paik für die Besetzung. Paiks sagte zu und machte ihr den Vorschlag, einen Striptease zu machen, während sie ein für sie geschriebenes Werk aufführte. Moorman sagte nach kurzer Bedenkzeit zu. Beginn der Zusammenarbeit mit, die Paik als „Kunstfigur“ zur Interpretation ungezählter Stücke und Videotapes nutzte. Im ersten gemeinsamen Jahr ging es ihnen um die Verschmelzung von Sex und Klassischer Musik: In „Pop Sonata“, später umbenannt in „“ Sonata For Adults Only“ (Uraufführung 16.10.1964 im Philadelphia College of Art), legte Moorman ihren Schmuck, ihre Kleidung und mehrere Schlüpfer einzeln ab, während sie Passagen von Johann Sebastian Bachs C-Dur-Suite für Violoncello spielte. Am Ende legte sich die leicht bekleidete Musikerin auf den Boden und spielte das Cello, wie ein Liebhaber auf ihr liegend.
In der New School for Social Research hatte Paik mit „Electronic TV, Color TV Experiments, 3 Robots, 2 Zen Boxes & 1 Zen Can“ (8.1.1965) sein erstes Einzelkonzert in den USA. Er konzipierte für Moorman die Abwandlung von John Cages „26‘1.1499“ for a String Player“, bei der sie Musikerin theatralisch eine Schusswaffe abfeuerte, Ballons platzen ließ, ein Mikrofon über Schotter schleifte und auf einen Mülleimerdeckel schlug.
Gemeinsam mit Moorman führte Paik die Variation „Human Cello für John Cages 26‘1.1499“ for a String Player“ – eine Abwandlung der ersten Arbeit – im Philadelphia College of Art auf (Erstaufführung 26.2.1965). Dabei legte Moorman ihr Instrument zur Seite, Paik zog sie das Hemd aus, kniete sich zwischen ihre Schenkel und spannte eine Cellosaite über seinen nackten Rücken. Während er sein Gesicht auf ihr Dekolleté drückte, zupfte, schlug und strich sie die Saite. Uraufführung von „Variations on a Theme by Saint-Saëns“, bei dem Moorman den „Schwan“ nicht nur spielte, sondern auch in eine mit Wasser gefüllte Wassertonne stieg.
Im März 1965 sah Charlotte Moorman in New York die Aufführung von „Cut Piece“ von und mit Yoko Ono. Sie war beeindruckt von der „Eleganz, der Dramatik, dem Ernst des Ganzen“. Moorman kannte Ono seit 1961 und schätzte ihre Arbeit sehr.
Auf ihrer Europa-Tournee führten Paik und Moorman „Variations on a Theme by Saint-Saëns“ auf allen acht Stationen auf: Reykjavik (20.5.1965), American Center in Paris (21.5.), Studentenhaus der Universität Frankfurt (2.6.), Venedig, Florenz. In Paris vergaß Moorman ihr Kleid und ließ sich von Paik in durchsichtiges Zellophan hüllen, das er in der Kulisse gefunden hat. Damit stand die Cellistin erstmals nahezu nackt auf der Bühne. In Frankfurt nutzte sie zwei männlich Assistenten als Hocker (in Hündchenstellung) und als Halter für den Stachel des Cellos (Bazon Brock).
Bei dem 24-Stunden-Happening am 5. Juni 1965 in der Galerie Parnass führte Paik seine „Robot Opera“ auf. Dabei verkündete er: „Das Fernsehen hat uns ein Leben lang attackiert, jetzt schlagen wir zurück“. Weitere Teilnehmer waren Joseph Beuys, Bazon Brock, Charlotte Moorman, Eckart Rahn, Tomas Schmit und Wolf Vostell. Im Anschluss an das Happening erklärten sie die Fotografin der Aktion, Ute Klophaus, zur Mitautorin und Aktionsteilnehmerin.
Erster tragbarer Videorekorder
Am 4. Oktober 1965 kaufte sich Paik den ersten tragbaren Videorekorder mit einer Portapak-Kamera (mit einem JDR 3rd Fund-Stipendium der Rockefeller Foundation); Sony hatte das Gerät Anfang des Jahres vorgestellt, und Paiks Videorekorder war eines der ersten Geräte in den USA. Nam June Paik präsentierte gleich am Abend zum ersten Mal Videobilder im New Yorker Jazzclub Cafe Au Go Go, 152 Bleecker Street, öffentlich: Es handelt sich um Aufnahmen aus einem fahrenden Taxi auf die Madison und Park Avenue auf der Höhe von Saint Patrick’s Cathedral.
Paiks erste Einzelausstellung in den USA titelte „Electronic Art“ und wurde von der Galeria Bonino, New York (Dezember 1965) organisiert. Nam June Paik zeigte Videobilder. Entstehung des Magnet TV.
Erste Multi-Monitor-Installation & erste Videoinstallation
Mit „TV Cross“ (1966) schuf Paik eine erste Multi-Monitor-Installation.
Im September 1966 nahm Paik bei „Fylkingen ny musik & intermediakonst“ am „Stockholm Festival for Art and Technology“ teil (18.–25.9.1966); er lieferte als Beitrag das im Stockholmer Museum of Technology aufgebaute Werke „TV Cross“ (zwölf Fernseher in Form eines Kreuzes). Das ist Nam June Paiks erste Videoinstallation.
Charlotte Moorman als „Topless Cellist“
Einen Teil des Jahres 1966 verbrachte Nam June Paik mit Reisen durch Europa (gemeinsam mit Moorman). Das Künstlerpaar ergänzte sein Repertoire durch zwei sexuell aufgeladene Ergänzungen: Yoko Onos „Cut Piece“ (25.7. in Aachen) und Paiks „Cello Sonata Opus 69“, der Vorläufer zur „Opera Sextronique“.
Als die Galerie René Block die Europa-Premiere von Eric Saties Klavierstück „Vexations“ organisierte (17.7.1966), meldeten sich Paik und Moorman für die 18-stündige Aufführung, bei der ein Motiv 840-mal wiederholt wird. Nach etwa zwei Stunden übernahm Moorman ihre zweite Schicht und trat ohne Oberbekleidung auf. Paik reklamierte die Idee dafür in einem Essay. Moorman hingegen hielt fest, dass eine Wette mit John Cage der Ursprung für dieses Vorgehen war.
Inspiriert von Moormans Waghalsigkeit einige Tage zuvor, konzipierte Paik eine Vorskizze zur „Opera Sextronique“, die „Cello Sonata Opus 69“ (Uraufführung am 19.7.1966). Moorman spielte die Melodie von „Stille Nacht, heilige Nacht“ mit entblößter Brust und trug dabei billige Masken.
Am 9. Februar 1967 wurden Paik und Moorman, die in „Opera Sextronique“ barbusig aufgetreten war, in New York von der Polizei festgenommen (in Europa hatte es keine Probleme gegeben). Paik bat seine Künstlerfreunde, sich für Moorman einzusetzen, da ihr eine Gefängnisstrafe drohte. Schlussendlich wurde die Cellistin am 9. Mai zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Eine weitere Aufführung der „Opera Sextronique“ am 7. Oktober 1967 im Düsseldorfer Aktionsraum „Lidlraum“ lief reibungslos. Als Konsequenz komponierte Paik nie wieder ein erotisch aufgeladenes Stück für Moorman.
Magnetisch verzerrte Fernsehbilder
Im Jahr 1967 arbeitete Nam June Paik mit magnetisch verzerrten Fernsehbildern. Er präsentierte sie 1968 bei „Electronic Art II“ in der Galeria Bonino. Diese Verzerrungen werden mit einem auf der Bildröhre bewegten Magneten oder mit einem „Degausser“ zur Entmagnetisierung erzeugt.
Im Jahr 1969 organisierte Paik „Participation TV Il“ und „TV Bra for Living Sculpture: Electronic Opera No 1“ in der Live-Sendung „The Medium is the Medium“ des WGBH-TV in Boston.
Paik-Abe-Videosynthesizers
Der Bau des „Paik-Abe-Videosynthesizers“ mit Shuya Abe in den Jahren 1969/70 ermöglichte, so der Künstler, 1001 Arten des spontanen Fernsehmachens. Auf dem Synthesizer kann man wie auf einem Klavier mit mehreren Videobändern spielen. Paik konnte mit „visueller Musik“ an die Partituren der Aktionsmusik anknüpfen.
Paiks Video „Global Groove“ (1973) nahm die Ästhetik des Musikvideos vorweg. Nach dreijähriger Vorarbeit äußerte sich Paik damit hoffnungsvoll zur weltweiten Kommunikation zwischen Künstler:innen und ihrem Publikum. Der 60-minütige Beitrag „A Tribute to John Cage“ entstand zum 60. Geburtstag des Komponisten.
In „T.V. Sea. Electronic Art IV“ (15.1.–2.2.1974) in der Galería Bonino zeigte Nam June Paik erstmals seinen berühmten „TV-Buddha“. Damit ironisierte der bekennende Buddhist Paik seinen Glauben in der Closed Circuit Video-Installation mit einem bronzenen Buddha, der gegenüber einem Bildschirm sitzt und scheinbar über seine Live-Aufnahme meditiert, die allerdings ein seitenrichtiges Abbild zeigt.
Salomonen
Paik, Moorman und der Produzent Frank Pileggi reisten vor der Australien-Tournee auf die Hauptinsel der Salomonen (13.–22.4.1976), wo im Zweiten Weltkrieg harte Kämpfe zwischen Japan und den USA stattfanden. Paik inspirierten die Relikte zu einer pointierten politischen Arbeit: In der Videocollage „Guadalcanal Requiem“ mischte er alte Dokumentaraufnahmen, Interviews mit Veteranen, sowie Aktionen von Charlotte Mooreman und sich selbst. Die Musikerin und der Performer ziehen mit Cello und Violine bewaffnet über die Strände. Im Wrack eines abgestürzten Bombers spielt Moorman auf dem Filz-Cello die „Sonata – Joseph Beuys“.
Internationale Anerkennung
Ab Mitte der 1970er Jahren wurde Nam June Paiks Werk in zahlreichen internationalen Ausstellungen vorgestellt, kontextualisiert und besprochen. Eine frühe Würdigung erfuhr der Künstler in „Nam June Paik: Werke 1946–1976. Musik-Fluxus-Video“ im Kölnischer Kunstverein (19.11.1976–9.1.1977).
Kurze Zeit nach Ausstellungsende heiratete Paik die japanisch-amerikanische Videokünstlerin Shigeko Kubota (1937–2015) und nahm an der „documenta 6“ in Kassel mit neuesten kommunikationstechnischen Möglichkeiten teil: „TV garden / Video-Jungle“. Am 24. Juni 1977 strahlte der Hessische Rundfunk und der WDR zur Ausstellungseröffnung eine Satelliten-Live-Übertragung aus. Paik und Moorman führten eine „Nine Minutes Live“-Performance auf.
„Nam June Paik“ war der Titel seiner ersten Einzelausstellung im Centre Pompidou (8.3.–10.4.1978); die zweite trug den Titel „Tricolor Video“ (15.12.1982–11.4.1983).
Nam June Paik vertrat - neben Hans Haacke - Deutschland auf der Biennale von Venedig 1993 und zeigte dort unter anderem „Electronic Superhighway“ (1993), „Sixtinische Kapelle“ (1993), „The Rehabilitation of Genghis Khan“ (1993) und „Moon Is the Oldest TV“. Paik und Haacke erhielten dafür den Goldenen Löwen für den besten Länderpavillon.
Die wichtigsten Paik-Ausstellungen während seines Lebens sind:
- „Nam June Paik“ im Whitney Museum of American Art, New York (30.4.–27.6.1982).
- „Nam June Paik. Video Time / Video Space“ in der Kunsthalle Basel, im Kunsthaus Zürich, in der Städtischen Kunsthalle Düsseldorf und im Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien.
- „Nam June Paik Fluxus/ Video“ in der Kunsthalle Bremen (14.11.1999–23.1.2000).
- „The Worlds of Nam June Paik“ im Solomon R. Guggenheim Museum, New York (11.2.–26.4.2000).
- „Nam June Paik Global Groove 2004“ im Deutsche Guggenheim Berlin (17.4.–9.7.2004).
Nam June Paik und Joseph Beuys
Am 7. Juli 1978 fand das „Klavierduett Joseph Beuys & Nam June Paik. In memoriam George Maciunas“ in der Aula der Düsseldorfer Kunstakademie statt. Maciunas war am 9. Mai im Alter von nur 47 Jahren verstorben. Damit brachte Paik Beuys seit dessen fristloser Kündigung 1972 erstmals wieder zurück an die Akademie. Außerdem spielten die beiden Künstler auf einem Klavier, das bereits 1963 beim „Festum Fluxorum Fluxus“ eingesetzt worden war.
Im Rahmen der Ausstellung „Nam June Paik - Mostly Video“ im Tokyo Metropolitan Art Museum gaben Paik und Beuys ein gemeinsames Konzert, bei dem sie „Coyote III“ in der Sogetsu Hall in Tokio aufführten (2.6.1984). Beuys sang seine gutturalen Kojotenlaute, während Paik Klavier spielte. Der Saal war ausverkauft. Paik ließ das Duett in voller Länge von vier Hi-Fi-Color TV-Kameras aufnehmen, um spätere TV-Sendungen sowie Museums- und Galerieinstallationen zu ermöglichen. Es wurde zur Grundlage für seine Arbeit „Beuys Voice“ (1987).
Professur
Norbert Kricke, Akademiedirektor von 1972 bis 1981, holte Nam June Paik als Professor für Bildhauerei an die Düsseldorfer Kunstakademie (1979–Sommer 1995). Die Video-Werkstatt, die erst zwei Jahre zuvor eingerichtet worden war, steckte noch in ihren Anfängen.
Werke ab 1980
Seit 1980 erstellte Nam June Paik hauptsächlich Multi-Monitor-Videoinstallationen, in denen er Fernsehmonitore zu Skulpturen anordnete und zum simultanen Abspielen mehrerer Videosequenzen nutzte. So erregte Paik mit einer spektakulären Installation aus 384 Monitoren in seiner Schau „Tricolor Video“ im Centre Georges Pompidou, Paris (15.12.1982–11.4.1983) Aufsehen.
Im Kunstpalast Düsseldorf (ehem. Kunstmuseum) wurde 1985 die ortsspezifische Arbeit „Fish Flies on Sky“ montiert. Sie besteht aus 88 Monitoren.
Good Morning Mr. Orwell
Nam June Paik organisierte eine Satellitenübertragung der Live-Sendung „Good Morning Mr. Orwell“ am 1. Januar 1984, gemeinsam ausgerichtet von dem WNET 13 TV in New York und dem Centre Pompidou in Paris. Zugeschaltet waren Sender in Deutschland, Korea und den Niederlanden. Damit erreichte Paik über zehn Millionen Menschen und mit den späteren Wiederholungen 25 Millionen.
Im Herbst 1984 nahm Nam June Paik an der Ausstellung „Von hier aus – Zwei Monate neue deutsche Kunst“ in Düsseldorf (29.9.–2.12.1984) teil. Erste Reise nach Korea nach 34 Jahren.
1987 nahm Nam June Paik an der „documenta 8“ in Kassel mit der Arbeit „Beuys Voice“ teil. Dafür verwendete er Aufnahmen von „Coyote III“ und Videobilder von einem verbrennenden Beuys-Hut; Beuys war am 23. Januar 1986 verstorben.
Für „Skulptur Projekte“ in Münster installierte Paik „TV-Buddha für Enten“ im Bachlauf der Münsterschen Aa. Dafür setzte er eine grob geformte Buddha-Bronze auf eine flache Holzkonstruktion knapp über dem Wasserspiegel. Armlos, mit Zipfel am Kopf und einer Zigarette zwischen den Lippen, wandte sich die Figur einem ausgeschlachteten Fernseher zu.
Bei den Olympischen Sommerspielen in Seoul 1988 präsentierte Nam June Paik „The More the Better“, eine Installation mit 1003 Monitoren im National Gwacheon, Gyeonggi-do.
Im Jahr 1996 erlitt Paik einen Schlaganfall; er war seitdem halbseitig gelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen. Seine Kreativität war jedoch ungebrochen, er realisierte seine künstlerischen Ideen mit Hilfe von Assistent:innen.
Das ARTnews magazine wählte Nam June Pail 1999 zu den einflussreichsten Künstlern des 20. Jahrhunderts.
Auszeichnungen
Nam June Paik erhielt zahlreiche Stipendien und Ehrungen.
- 1965: Rockefeller Foundation: Paik und die Rockefeller Foundation verband eine 30-jährige Zusammenarbeit, wobei die Stiftung einige der wichtigsten Arbeiten förderte, die den Künstler zum Pionier der Video- und Medienkunst machten.
- 1977: Guggenheim Museum
- American Film Institute
- 1987: Aufnahme in die Akademie der Künste, Berlin
- 1991: Goslarer Kaiserring
- 1992: Picasso-Medaille der UNESCO, zusammen mit Karlheinz Stockhausen
- 1997: Goethe-Medaille
- 1998: Kyoto Price
- 2001: Wilhelm Lehmbruck-Preis
Der Nam June Paik Award, auch internationaler Medienkunstpreis der Kunststiftung NRW, wurde 2002 gestiftet und wird alle zwei Jahre verliehen. Das Nam June Paik Art Center, Gyeonggi-do, Korea, initiierte 2009 den Nam June Faik Art Center Prize, der jährlich vergeben wird.
2016 erhielten die Harvard Art Museums eine Spende in Höhe von einer Million US-Dollar von Ken Hakuta (M.B.A. ’77), ein Absolventen der Harvard Business School und Neffe des Künstlers. Mit der Spende wird der Hakuta Family Endowment Fund gegründet, der die Einrichtung des Nam June Paik Fellowship an den Harvard Art Museums ermöglicht.
Tod
Nam June Paik starb am 29. Januar 2006 in Miami Beach, Florida, USA. Gemäß Paiks testamentarischer Verfügung fand eine Feuerbestattung statt, und die Urne wurde nach Korea überführt.
Würdigung
Die Kyonggi Cultural Foundation lud Nam June Paik 2003 zu einem internationalen Architekturwettbewerb ein, mit dem Ziel, ein Paik-Museum in Yongin (Provinz Gyeonggi-do) zu realisieren.
Die Harvard Art Museums erhielten 2016 eine Spende in Höhe von einer Million US-Dollar von Ken Hakuta (M.B.A. ’77), ein Absolventen der Harvard Business School und Neffe des Künstlers. Mit der Spende wird der Hakuta Family Endowment Fund gegründet, der die Einrichtung des Nam June Paik Fellowship an den Harvard Art Museums ermöglicht.
Literatur zu Nam June Paik
- Nam June Paik, hg. v. Susanne Rennert und Sook-Kyung Lee (Ausst.-Kat. museum kunst palast, Düsseldorf, 11.9.–21.11.2010; Tate Liverpool, 17.12.2010–13.3.2011) Ostfildern 2010.
- Nam June Paik. Video Time – Video Space, hg. v. Toni Stoos und Thomas Kellerein (Ausst.-Kat. Kunsthalle Basel, Kunsthaus Zürich, Städtische Kunsthalle Düsseldorf, Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien), Ostfildern-Ruit 1991.
- Video – Skulptur: retrospektiv und aktuell 1963–1989, hg. v. Wulf Herzogenrath und Edith Decker (Ausst.-Kat. Kölnischer Kunstverein, Kunststation St. Peter, Belgisches Haus u.a.), Köln 1989.
- Fluxus Codex, hg. v. Jon Hendricks, The Gilbert and Lila Silverman Fluxus Collection, Detroit, Michigan, New York 1988.
- Edith Decker, Paik. Video, Diss., Hamburg 1985 / Köln 1988.



