Michael Wutkys „Die Spitze des Vesuvs beim Ausbruch“ (1782-84, Belvedere), Carl Gustav Carus' „Winterlandschaft mit verfallenem Tor“ (1816-18, Dresden, Galerie Neue Meister) und Caspar David Friedrichs „Abendlichen Wolkenhimmel“ (1824, Belvedere) sind Werke wichtiger Romantiker. Wutkys realistische Schilderungen der Vesuv-Ausbrüche machten seine Gemälde in ganz Europa berühmt, während die folgende Generation der Romantiker in Norddeutschland – darunter Carus und besonders Friedrich – weder das Schreckensbild noch die dramatische Beleuchtungssituation suchten. Diesem Konzept folgten auch die Maler des Jugendstils wie Hans Wilt „Mondnacht in einem istrischen Hafen“ (1901, Belvedere)
Österreich | Wien: Unteres Belvedere & Orangerie
24.10.2012 - 17. 2.2013
„Von Herrn Wutky einem vortrefflichen Landschaftsmaler aus Österreich, und von dem verwegensten Führer aus Resina begleitet wagte er (Hamilton) sich bei den heftigsten Explosionen des Vesuvs bis an den Aschenhügel und schrieb dort vor der Schreckensszene seine Beobachtungen nieder. Der Künstler entwarf hier neben ihm eine Zeichnung von dem Ausbruch, die er nachher für die Königin von Neapel in einem großen Gemälde ausführte. Das Bild ist von unbeschreiblich großer Wirkung und, wie Augenzeugen versichern, von unübertrefflicher Wahrheit. […] Große glühende Steine, sagte mir Woutky (sic!) selbst, fielen aus dem Krater geschleudert neben uns nieder, und wir mußten, wenn der Wind den Stein- und Aschenregen nach unserer Seite trieb, uns oft in einer nahen Kluft verbergen.“ (Friedrich Meyer: Darstellungen aus Italien, Berlin 1792)
Der amerikanische Fotograf Ansel Adams scheint mit der ikonischen Aufnahme „Moon and Half Dome, Yosemite Valley“ (1960, Sammlung Simak) dieser Tradition der Zurückhaltung zu folgen. Allerdings fotografierte er im Nationalpark in Kalifornien eine Ikone der amerikanischen Identität. Angeblich zeigt die Linie an der Bergkuppe links ein Gesicht, das zum Mond schaut. 1960 mit dem Erdtrabanten abfotografiert, wurde die Aufnahme auch wegen des Space Race zu einer nationalen Repräsentation der urwüchsigen Landschaft und somit des amerikanischen Willens, den Wettlauf zum Mond zu gewinnen. Im Gegensatz dazu zeigt Mark Dion mit „Game Bird Group“ (2006, Courtesy Georg Kargl Fine Arts, Wien) die Zerstörung der Umwelt durch den Menschen. Der Teer verbreitet eine gewalttätige, nächtliche Stimmung.
Ernst Ludwig Kirchners buntes Bild „Straße mit Passanten bei Nachtbeleuchtung“ (1926-27, Baden-Baden, Museum Frieder Burda) leitet in den fünften und vorletzten Raum des Unteren Belvedere. Dem nächtlichen Treiben auf den nunmehr bunten Straßen, folgt links u.a. Ferdinand Georg Waldmüllers „Erschöpfte Kraft“ (1853, Belvedere), der zur Jahrhundertwende als „Ursezessionist von Wien“ bezeichnet wurde. In seinen Genrebildern mit sozialkritischen Themen und zugespitzter Dramaturgie wirbt er um Verständnis und Mitgefühl mit den Betroffenen. Das kleinformatige Bild „Eisenbahn bei Nacht (Nächtliche Fahrt der Adler)“ (1838, LETTER Stiftung Köln) des unbekannten Malers J(?) Baumhauer nutzt die Nacht als Zeichen eines bedrohlichen Wandels durch Technik und Industrialisierung. Dargestellt ist der "Adler", die erste deutsche Lokomotive, die 1838 zwischen Nürnberg und Fürth verkehrte. Dass eine nächtliche Szene dargestellt wird, lässt sich jedenfalls nur symbolisch verstehen, denn der "Adler" fuhr ausschließlich tagsüber.
Unter Nachtarbeit lässt sich auch Sexarbeit verstehen, weshalb u.a. Adolf Frohners wenig erotische Frauenakte („Die Nacht“, 1970er Jahre, Eigentum der Artothek des Bundes, Dauerleihgabe im Belvedere, Wien) neben Kitagawa Utamaros „Abschied im Morgengrauen“ (1804, aus: Illustrierter Führer durch die jährlichen Feste im Vergnügungsviertel Yoshiwara in Edo, MAK) oder Theodor von Hörmanns Gemälde des leuchtenden Eiffelturms („Paris bei Nacht mit Eiffelturm“ 1889, Belvedere → Theodor von Hörmann. Impressionist aus Österreich) oder Bill Brandts „Quarrel“ (1930, Courtesy Galerie Johannes Faber) auftauchen.
Der sechste Raum schlussendlich ist der künstlichen Nacht, der Hölle und dem Kino, gewidmet. Hans Makart beschäftigt sich mit dem Bildthema der sog. Dantebarke: „Dante und Vergil im Inferno“ (um 1863-65, Belvedere) aus der „Göttlichen Komödie“, 8. Gesang. Er zeigt die gefahrvolle Überfahrt über den Styx. Erika Giovanna Klien hingegen ist in „Subway“ um 1932, Privatbesitz Wien) von der Technologie New York Citys beeindruckt und widmet dieser neuen Erfahrung, Klien war 1929 ausgewandert, eine kinetistische Komposition. Das kleinformatige Bild „Kino – Ende“ (2003, Privatbesitz), das im letzten Raum des Unteren Belvedere hängt, darf als Bildwitz verstanden werden, bedeutet aber nicht den Schluss der Schau. In der Orangerie geht es weiter!
Karl Wilhelm Diefenbach (1851-1913), Kulturrebell, Vegetarier, Pazifist, Vertreter der naturgemäßen Lebensweise und Sonnenanbeter, schafft die Verbindung zwischen Unterem Belvedere und Orangerie: „Erleuchtung“ (um 1898, Sammlung Schmutz) und „Villa Imperiale“ (um 1900, Sammlung Schmutz) sind beides typische Werke des „Kohlrabi-Apostels“ und zeigen hell angestrahlte Figuren in wild umtosten, grottenartigen oder böcklin`schen Landschaften. Der Lebensreformer setzte sich ab 1899 in seiner künstlerisch produktivsten Phase mit den landschaftlichen Gegebenheiten auf Capri auseinander: Grotten, steil abfallende Küste, wellenreiche Brandungen, die verlassene Festung Baia neben Figuren in antikischer Nacktheit, die sich der Sonne zuwenden.
In der Orangerie werden die Themen Symbolismus und Abstraktion, schwarze Ironie und innere Nacht, Blindheit, Nacht außerhalb der Welt, Ende der Nacht – Lichtsmog assoziativ mit Kunstwerken verwoben. Das Gemälde „Dämmerung“ (um 1900, Belvedere) von Carl Moll darf zu Recht als eines seiner besten gewertet werden. Damit wollte der Künstler wohl eine geheimnisvolle Ruhe an einem baumbestandenen Weiher zu zeigen. Das Unbestimmte, Geheimnisvolle, Unerklärliche schwankt hier schon ins Unheimliche.
Blindheit und geistige Umnachtung finden sich in Gustinus Ambrosis „Die Umnachtung“ (1915, Belvedere) wieder. Der taube Bildhauer und Träger des Staatspreises für Plastik (1912) wird 1975 in den Selbstmord gehen.
Timm Ulrichs „Ich kann keine Kunst mehr sehen“ (1975, Sammlung Schmutz, Wien) arbeitet mit dem Mittel der schwarzen Ironie, zeigt es doch den Künstler mit dunkler Brille, Armbinde und Blindenstock ausgestattet. Jüngst bekannte er sich: „Ich kann und mag all jene Künste nicht mehr sehen, die als nur dekorativer Schein, als Deckmantel, als Trost- und Schönheitspflaster aktuelle Wunden bemänteln, verdecken, kaschieren und allenthalben die Welt mit oberflächlichem Zeugs voll- und verstellen.“
Zu den besonders auffallenden Arbeiten in der Orangerie gehören noch: Jürgen Klauckes monumentale Fototableaus „Heimspiel“ (1990-92, Courtesy Galerie Elisabeth & Klaus Thoman, Wien), die durch Borchhardt-Birbaumer nicht nur als eine verhängnisvolle Mann-Frau-Beziehung gedeutet wird, sondern zudem die Frau noch für „Nyx“, die Nacht, steht. Unter dem Rock ist es sicher immer dunkel. Brigitte Kowanz lässt für „Memoria“ (2006, Belvedere → Brigitte Kowanz: „Das Licht ist einerseits Grundlage der Sichtbarkeit und andererseits Symbol der Erkenntnis“) den gleichnamigen Schriftzug in einem gläsernen Würfel unendlich oft spiegeln. Man kann tiefer sehen, als eigentlich räumlich möglich, eine Metapher für Erinnerungen und das Unbewusste? Die Fotografin Eva Schlegel arbeitet seit 1987 mit Blei, um auf lähmende Schwere und eingefrorene Zeit anzuspielen. In der Mythologie wird das Material dem Planeten Saturn, dem Zeitgott Chronos und den Topoi der Melancholie zugeordnet. Der Prager Josef Sudek beeindruckt mit „Still Life Caravaggio Night I“ (1956, Courtesy Galerie Johannes Faber).
„Draußen weit über das Marchfeld hin lag schief
eine lange spitze Lichtpyramide, grässlich gelb,
in Schwefelfarbe flammend, und unnatürlich blau
gesäumt; es war die jenseits des Schattens beleuchtete
Atmosphäre, aber nie schien ein Licht so
wenig irdisch und so furchtbar, und von ihm
floss das aus, mittelst dessen wir sahen. Hatte
uns früher Eintönigkeit verödet, so waren wir
jetzt erdrückt von Kraft und Glanz und Massen
unsere eigenen Gestalten hafteten darinnen wie
schwarze, hohle Gespenster, die keine Tiefe
haben; das Phantom der Stephanskirche hing in
der Luft, die andere Stadt war ein Schatten,
alles Rasseln hatte aufgehört, über der Brücke
war keine Bewegung mehr; denn jeder Wagen und
Reiter stand, und jedes Auge schaute zum Himmel –
nie, nie werde ich jene zwei Minuten vergessen –
es war die Ohnmacht eines riesenhaften Körpers
unserer Erde.“ (Adalbert Stifter, Die Sonnenfinsternis am 8. Juli 1842)
Die Ausstellung wird mit dem Blick nach außen beendet. Robert Indiana thematisiert mit „Der Mond – Die Braunschaft“ (1969, museum moderner kunst stiftung ludwig wien, Leihgabe der Österreichischen Ludwig Stiftung) die Verbindung amerikanischer Raketentechnik, dem space race und nationalsozialistischen Forschern, während gegenüber Leander Russ „Die Sonnenfinsternis am 8. Juli 1842“ in einem Aquarell der Albertina dokumentierte. Auch Adalbert Stifter konnte sich an diesem Naturschauspiel ergötzen und widmete ihm ein Gedicht. Dass das Beobachten von Sternen immer schwieriger wird, zeigt eine riesige Nachtaufnahme der beleuchteten Erde. Astronomen müssen sich in Wüstengebiete zurückziehen, da das menschliche Treiben in der Nacht bereits zum Lichtsmog geführt hat. Vielleicht ist die anfangs zitierte Verlustangst dafür verantwortlich, dass in Wien 2012/2013 diese komplexe Ausstellung zur „Nacht“ stattfinden konnte.