10. Oktober 1901
Am 10. Oktober 1901 wurde Alberto Giacometti als ältester Sohn von Giovanni und Annetta Giacometti im Graubündner Dorf Stampa geboren. Sein Vater (1868–1933) war Maler und einer der bedeutendsten Künstler des Postimpressionismus in der Schweiz. Seine Mutter entstammte einer wohlhabenden Familie im Dorf und sein Taufpate war der bekannte Maler Cuno Amiet. Die Kindheit von Alberto war glücklich und bereits durch Modellsitzen für die Gemälde seines Vaters und vom eigenen Malunterricht geprägt. Zeit seines Lebens war das Haus der Eltern ein Zufluchtsort für den zunehmend berühmten Bildhauer.
1902
Albertos Bruder Diego wurde geboren.
1904
Albertos Schwester Ottilia (1904–1937) wurde geboren. Die Familie übersiedelte nach Stampa (Bergell, Graubünden).
1907
Albertos zweiter Bruder Bruno wurde geboren.
1911–1915
Alberto zeichnete nach Stichvorlagen von u. a. Albrecht Dürer und Rembrandt van Rijn.
1914
Alberto Giacometti modellierte erste Bildnisköpfe seines Vaters und seiner Brüder in Plastilin.
Um 1915
Giacometti malte sein erstes Ölgemälde.
1915–1919
Besuch der Evangelischen Lehranstalt Schiers bei Chur (30. August 1915 bis 7. April 1919). Nachdem er Deutsch und Latein nachgelernt hatte, erwies sich der italienischsprachige Schüler als äußerst leistungsfähig. Man erlaubt ihm sogar, in seinem Zimmer ein Atelier einzurichten. Neben Zeichnungen und Ölbildnissen entstehen bereits die ersten Porträtköpfe.
1919
Alberto Giacometti verließ das Gymnasium wenige Monate vor dem Maturitätsexamen. Ab Herbst Studium an der École des Beaux-Arts und der École des Arts Industriels in Genf: Das Malen fällt ihm leichter als das Modellieren, obwohl erste Porträtbüsten von Familienmitgliedern sein Talent belegen. In der Aktklasse hatte er Schwierigkeiten, weil er nur jene Körperpartie abzeichnen wollte, die ihn interessierte – nämlich die Füße der Modelle.
1920
Mit dem Vater Reise zur Biennale von Venedig, Studium der Kunst der Renaissance und des Manierismus in Oberitalien: Venedig mit den Fresken Tintorettos, Padua mit der Arenakapelle von Giotto. Zweite Italienreise: Florenz (ägyptische Kunst und der thebanische Streitwagen), Perugia, Assisi, Rom.
November 1920–1921
Giacometti lebte im Haus eines Cousins, wo er sich in dessen 15-jährige Tochter Bianca verliebt. Da sie seine romantischen Gefühle nicht erwidert, zerstört er eine erste Bildnisbüste und erlebt seine erste Krise. Rückkehr in die Schweiz über Pompeij und Paestum. Während einer Reise nach Madonna di Campiglio plötzlicher Tod seines Reisebegleiters, des niederländische Staatsarchivaren Pieter van Meurs.
Anfang Januar 1922
1922 Anfang Januar übersiedelte Giacometti nach Paris, wo er an der Académie de la Grande Chaumière bei Antoine Bourdelle Unterricht nahm. Hier studierte er bis 1927, auch wenn er monatelang der Académie fernblieb. Neben dieser akademischen Ausbildung
besucht Alberto Giacometti auch häufig den Louvre, um zu skizzieren.
1924
Der junge Bildhauer entdeckte die Stammeskunst für sich.
Februar 1925
Ab Februar lebte auch sein jüngerer Bruder Diego in Paris. Erste Teilnahme an einer Ausstellung im Salon des Tuileries mit einem Torso und einem Kopf seines Bruders Diego.
1926
Giacometti zeigte „Le Couple“ im Salon des Tuileries.
1. Dezember 1926
Am 1. Dezember 1926 wurde die berühmte Atelier-Baracke in der Rue Hippolyte-Maindron 46 in der Nähe des Montparnasse das neue Zuhause für Alberto Giacometti und dessen Bruder, der ihm nun bei der technischen Umsetzung seiner Skulpturen zur Hand ging.
1927
Giacometti zeigte „Femme-cuillère“ im Salon des Tuileries.
1928
Giacometti wurde von André Masson den Surrealisten vorgestellt. Zu den neuen Freunden gehören: Hans Arp, Joan Miró, Max Ernst, Alexander Calder sowie die Schriftsteller Louis Aragon und Georges Bataille.
1929
Der französische Ethnologe und Schriftsteller Michel Leiris veröffentlichte in Batailles „Documents“ einen Artikel über Giacomettis Werk. Der Galerist Pierre Loeb nahm Giacometti unter Vertrag. Dennoch hatte Alberto Giacometti als Künstler vorerst wenig Erfolg.
1930
Gemeinsam mit seinem Bruder Diego fertigte Alberto Einrichtungsgegenstände und Schmuckstücke für Man Ray, den Innendesigner Jean-Michel Frank und die Modeschöpferin Elsa Schiaparelli. Die Ausstellung „Miró – Arp – Giacometti“ wurde bei Loeb gezeigt: Giacomettis „Boule suspendue“ brachte dem Künstler den Durchbruch. André Breton und Salvador Dalí zählten zu den Bewunderern von Giacomettis Kunst. Sie nahmen ihn in den Kreis der Surrealisten auf.
1932
Erste Einzelausstellung in der Galerie von Pierre Colle. Pablo Picasso ehrte den jungen Künstler durch seine Teilnahme an der Ausstellungseröffnung. Die Ausstellung wurde positiv besprochen.
1933
Giovanni Giacometti starb. In der Zeitschrift. Trotz seines Erfolgs kehrte Alb erto Giacometti für einige Monate nach Stampa zurück, um seiner Mutter Annetta nach dem Tod seines Vaters bei der Verwaltung des Nachlasses unter die Arme zu gehen. „Le surréalisme au service de la révolution“ erschien Giacomettis Text „Gestern, Flugsand“ (hier, sable mouvants).
1934
Erste Einzelausstellung mit zwölf Werken in den USA wurde von der Galerie Julien Levy organisiert (Ebde 1934/Anfang 1935). Giacometti kehrte wieder zur figurativen Skulptur zurück. Alberto Giacometti schuf wie Büsten und Studienköpfe..
14. Februar 1935
Seine Rückkehr zum Naturstudium führte zur „Exkommunikation“ des Künstlers aus dem Pariser Surrealismuskreis am 14. Februar.
1935
Giacometti lernte die englische Künstlerin Isabel Nicholas (spätere Rawsthorne) kennen und entwarf zwei
Köpfe nach ihrem Modell: „Tête d’Isabel“ (1936 und um
1937/38).
1936
Das Museum of Modern Art erwarb als erste Institution ein Werk von Giacometti. Teilnahme an der International Surrealist
Exhibition in den New Burlington Galleries in London.
1937
Giacomettis Schwester Ottilia starb nach der Geburt ihres Sohnes Silvio in Genf.
19. Oktober 1938
Am 19. Oktober 1938 wurde Alberto Giacometti von einem Auto angefahren und sein Fuss dabei verletzt, weshalb er für den Rest seines Lebens leicht hinkte.
1939
Der Philosoph Jean-Paul Sartre sprach Giacometti im Café de Flore am Boulevard Sainte-Germain an. Daraufhin ergaben sich zwischen dem Philosophen, seiner Freundin Simone de Beauvoir und dem Bildhauer spannende Gespräche, die 1947 zu einem einflussreichen Text Sartres über Giacomettis Kunst führten.
1940
Die Brüder Giacometti versuchten noch vor dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in den Süden zu fliehen, was misslang.
1941
Alberto Giacometti blieb noch bis Ende des Jahres in Paris.
Januar 1942-September 1945
Er übersiedelte von Januar 1942 bis September 1945 nach Genf, während Diego das Atelier hütete. Mit dem Verleger Albert Skira traf er sich regelmäßig und arbeitete an dessen Zeitschrift „Labyrinthe“ mit Zeichnungen und Beiträgen mit. Die meisten in dieser Zeit entstehenden Skulpturen (Büsten und Ganzkörperdarstellungen) sind winzig.
1943
In Maloja lernte Alberto Giacometti im Oktober seine zukünftige Frau Annette Arm kennen, die 22 Jahre jünger als er zu seinem wichtigsten Modell wurde. Modellierte „Femme au chariot“ (um 1943), deren Frauenfigur aus der Erinnerung nach Isabel Rawsthorne.
1945
Am 18. September kehrte Alberto Giacometti nach Paris zurück. Etwas später traf Annette Arm in Paris ein. Auf Vermittlung von Louis Aragon entwarf Alberto Giacometti ein Denkmal für den Widerstandskämpfer Henri Rol-Tanguy. Ein Kinobesuch 1945 briachte Giacometti zur Auseinandersetzung mit Fragen der Wahrnehmung des Verhältnisses von Figur und Raum.
1947
Es entstand eine Reihe lebensgrosser Frauenfiguren, erstmals männliche Ganzkörperfiguren und Werke wie „Le Nez“.
1948
Pierre Matisse zeigte in seiner New Yorker Galerie eine erfolgreiche Einzelausstellung Giacomettis. Jean-Paul Sartre schrieb „La recherche de l’absolu“ (Die Suche nach dem Absoluten) für den Katalog und wurde so für die Interpretation des Spätwerks prägend. Giacometti steuerte eine eigene Beschreibung seines Werdegangs bei.
1949
Alberto Giacometti und Annette Arm heirateten. Die Tate Gallery in London kaufte als erstes europäisches Museum eine Arbeit von Giacometti: „L’Homme qui pointe“ (1947).
1950
Wichtige Ausstellungen bei Pierre Matisse in New York, Aimé Maeght in Paris und dem Kunstmuseum Basel festigten Giacomettis Ruf. Das Kunstmuseum Basel erwarb als zweites europäisches Museum Arbeiten von Alberto Giacometti.
1951
Erste Einzelausstellung in der Pariser Galerie Maeght.
1952/53
Bekanntschaft mit James Lord, dem späteren Biografen Giacomettis im Café Les Deux Magots.
1954
Besuch von Henri Matisse in Nizza. Der anti-bürgerliche Schriftsteller Jean Genet beeindruckte Giacometti. Vier Jahre später publizierte dieser das Buch „L’atelier d’Alberto Giacometti“.
1955
Große Einzelausstellungen im Arts Council in London, im Solomon R. Guggenheim Museum, New York, und drei Städten in Westdeutschland belegten Giacomettis Bedeutung. Begegnung mit dem japanischen Philosophieprofessor Isaku Yanaihara, den er viele Jahre lang als Modell wählte (1956-1961).
1956
Alberto Giacometti vetrat Frankreich auf der Biennale von Venedig. Für den französischen Pavillon entstanden die „Femmes de Venise [Frauen von Venedig]“. Am 6. Oktober saß ihm erstmals der japanische Philosophieprofessor Isaku Yanaihara Modell, den er die kommenden drei Jahre für sich selbst vergeblich porträtierte. Erste Schweizer Retrospektive in der Kunsthalle Bern.
1958
Auftrag für eine Skulptur für den Platz vor der Chase Manhattan Bank in New York City, an dem Giacometti über Jahre arbeitete ohne zu einem Ergebnis zu kommen: zwischen 1958 und 1960 entwickelte er einen gehenden Mann, eine stehende Frau und einen grossen Kopf.
Ende 1950er Jahre
Alberto Giacometti lernte in einem seiner Pariser Stammlokale Yvonne Poiraudeau - besser bekannt
unter dem Namen Caroline - kennen, die ihm fortan Modell saß. Ebenfalls
in Paris wird Giacometti vom jungen Francis Bacon angesprochen.
1961
Samuel Becketts „En attendant Godot [Warten auf Godot]“ wurde mit einem minimalistischen Bühnenbild von Giacometti, bestehend aus einem einzelnen Baum aus Gips, am Théâtre de l’Odéon gespielt. Vierte Einzelausstellung in die Galerie Maeght wurde ein riesiger Erfolg.
1962
Teilnahme an der Biennale von Venedig und Verleihung des Großen Preis für Skulptur. Der Dichter Jacques Dupin veröffentlichte die erste Monografie über den Künstler. Im Herbst reiste Giacometti nach London, um eine große Ausstellung im Jahr 1965 vorzubreiten. Sah Isabel Rawsthorne und Francis Bacon wieder. Im Winter präsentierte das Kunsthaus Zürich eine große Ausstellung.
1963
Giacomettis körperlicher Zustand verschlechterte sich wegen eines Magen-Tumors immer mehr. Trotz der operativen Entfernung von vier Fünftel des Magens und dem ärztlichen Rat, mit dem Rauchen aufzuhören, sich besser zu ernähren und ruhiger zu arbeiten, setzte Alberto Giacometti sein ruheloses Leben fort.
1964
Am 25. Januar 1964 starb Giacomettis Mutter Annetta im Alter von 92 Jahren im Kreis der Familie. Zurück in Paris wurde der Fotograf Eli Lotar zu Giacomettis letztem Modell. Der Künstler verewigte ihn
unter anderem in den Werken Tête d’homme (Lotar I) (1964/65) und Eli Lotar III (assis) (1965). Das Sammler- und Galeristenehepaar Marguerite und Aimé Maeght eröffneten die Fondation Maeght an der Côte d’Azur, wo sie Alberto Giacometti zentral präsentierten.
1965
Große Retrospektiven in der Tate Gallery in London, im Louisiana Museum bei Kopenhagen und im New Yorker Museum of Modern Art. Erhielt den Grand Prix National des Arts. Gründung der Alberto Giacometti-Stiftung rund
um die umfassende Giacometti-Sammlung des Pittsburgher
Industriellen G. David Thompson, die auf Initiative durch Ernst Beyeler
von Schweizer Sammlern und Mäzenen gekauft werden konnte. Im Dezember 1965 verließ der Künstler Paris ein letztes Mal und kehrte nach Stampa zurück.
11. Januar 1966
Am 11. Januar 1966 knapp drei Jahre nach der Operation verstarb er im Krankenhaus von Chur an einem Herzleiden in Zusammenhang mit einer chronischen Bronchitis (Perikarditis). Er wurde unter weltweiter Anteilnahme am Friedhof in Borgonovo bestattet.
2003
Neben der 1965 gegründeten Giacometti-Stiftung in Zürich entstand 2003 aus dem Nachlass der 1993 verstorbenen Annette die Fondation Giacometti in Paris.