1896 gewann Ferdinand Hodler (1853–1918) den Wettbewerb für die Bogennischen in der Ruhmeshalle des Landesmuseums. In den folgenden drei Jahren hatte der Maler mehrfach seinen Entwurf umzuarbeiten, da die Präsentation der Einreichungen einen Entrüstungssturm auslöste. Museumsdirektor Heinrich Angst forderte Hodler auf, das historische Ereignis im Stil der realistischen Historienmalerei des 19. Jahrhunderts auszuführen.
Schweiz / Zürich: Landesmuseum
Ende des 19. Jahrhunderts führen Historiker die immerwährende Neutralität der Schweiz auf die verlustreiche Niederlage der Eigenossen auf dem Schlachtfeld von Marignano 1513 zurück (in Wirklichkeit war der Schweiz die Neutralität am Wiener Kongress oktroyiert worden). Ferdinand Hodler beschäftigte sich intensiv mit dem historischen Ereignis und schrieb eigenhändig eine Zusammenfassung unter dem Konkurrenzentwurf. Die Schweizer Söldner waren an der Seite des Herzogs von Mailand gegen den französischen König in die Schlacht gezogen und vernichten geschlagen worden. Damit beendeten die Eidgenossen ihre militärischen Großmachtideen, gleichzeitig begannen auch die Reformer Calvin und Zwingli gegen das Söldnerwesen zu argumentieren.
Ferdinand Hodler stellte ursprünglich das Ende der Schlacht mit einer spiegelsymmetrischen („parallelistischen“) Komposition dar. Einige bildfüllende Soldaten versperren im Bildvordergrund den Weg, um das im Hintergrund abziehende Heer der Schweizer zu decken. Links wollte Hodler einen Fähnrich mit abgeschlagenen Beinen und rechts einen das Schwert schwingenden Kämpfer darstellen. Im Maßstab von 1:10 entwarf Hodler das glücklose Schlachtende, für das er im Januar 1897 den mit 3.000 Franken dotierten ersten Preis zuerkannt bekam.
In den folgenden drei Jahren entzweite der so genannte „Freskenstreit“ die Eidgenossen. Kurz nachdem Ferdinand Hodler den Wettbewerb für sich entscheiden konnte, begann eine mediale Diskussion, in welche Richtung die Historienmalerei – immerhin die akademische Leitgattung des 19. Jahrhunderts (!) – modernisiert werden könnte oder sollte. Für Hodler sprach dessen „Freskostil“, das heißt, sein Arbeiten mit großen, einfachen Formen und großflächig eingesetzten Farben. Dieser Haltung wurde – unabhängig von seinem Parallelismus – das Vermögen zugeschrieben, die Aufgabe in „großem, würdigen Stile“1 zu lösen. Im Rahmen eines Vortrags am 12. März 1897 erklärte der Maler seine Stilprinzipien und sein Kunstwollen:
„Es ist die Mission des Künstlers, dem Unvergänglichen der Natur Gestalt zu geben, ihre innere Schönheit zu enthüllen. […] Der Künstler zeigt uns eine vergrößerte, eine vereinfachte Natur, befreit von allen belanglosen Dingen. […] Parallelismus nenne ich jene Art von Wiederholung. So oft ich in der Natur den Reit der Dinge am stärksten spüre, ist es immer ein Eindruck von Einheit. […] Wir wissen und wir empfinden es alle in gewissen Momenten, dass das, was uns Menschen eint, stärker ist als das, was uns trennt. […] Das Kunstwerk wird eine neue Ordnung offenbaren die den Dingen innewohnt, und das wird sein: die Idee der Einheit.“ (Ferdinand Hodler)
Die Auftraggeber begannen sich in die Konzeption der Gemälde einzumischen und Änderungen von Hodler zu verlangen. Wenn auch der Auftrag für Ferdinand Hodler in der Schweiz den öffentlichen Durchbruch bedeutete, so musste er sich diesen Erfolg doch über viele Jahre Auseinandersetzung erkämpfen.
Insgesamt entwarf Ferdinand Hodler fünf Fassungen zum „Rückzug von der Schlacht von Marignano“ für die Eidgenössische Kunstkommission und deren Jury. Die Kartons wurden im Maßstab 1:1 ausgeführt und haben die stattliche Größe von 321 x 471 cm. Die ursprüngliche Idee sah vereinzelte Söldner vor, die den Abtransport der Verwundeten und den Rückzug decken sollten. Im Laufe der Jahre verlangte jedoch die Kommission, diese Idee aufzugeben, um einen Zug von Kämpfern darzustellen. Erst am 12. Juni 1899 beschloss der Bundesrat die Ausführung des Freskos durch Hodler, der von 21. September 1899 bis März 1900 am Gerüst stand, um den Auftrag zu erfüllen.
„Ich habe gearbeitet wie ein armes, von Menschen geplagtes Tier.“ (Ferdinand Hodler über die Freskenentwürfe, 24.5.1899)
In der ausgeführten Form zeigt Ferdinand Hodler den Rückzug als geschlossene Kompagnie, einzig drei gelb-gold gekleidete Söldner halten Wache. Der Zug marschiert von rechts nach links, also der Leserichtung entgegen. Die Zone über den Köpfen ist mit einer großen Menge wehender Fahnen ausgefüllt. Nur der letzte Krieger steht abseits und mit bedrohlicher Körperhaltung, seine Hellebarde abwehrbereit gestemmt. Im Spalt zwischen dieser Figur und der Gruppe öffnet sich der Blick auf das Schlachtfeld, das – höchst zurückhaltend – von grauen Leichen übersäht ist.
Die beiden kleineren Seitenlünetten zeigen einzelne Kämpfer: Links sitzt „Der verletzte Bannerträger Hans Baer“, ein Fähnrich, dessen Unterschenkel abgeschlagen wurden, ermattet und kann sich nur noch auf seine Fahnenstange abstützen. In der rechten Lünette hat ein kniender Kämpfer sein Schwert zum Schlag ausgeholt, doch auch er ist von Leichen in grauen Rüstungen umgeben. Unerschütterlich blickt „Dietegen, den Rückzug deckend“ dem (unsichtbaren) Feind und dem Schicksal entgegen.
1910 erhielt Hodler den prestigeträchtigen Auftrag, ein Pendant zum „Rückzug von Marignano“ im Landesmuseum zu malen. Über das Sujet konnte der Maler frei entscheiden, allerdings musste die Eidgenössische Kunstkommission ihre Zustimmung geben. Hodler entschied sich für „Die Schlacht bei Murten“, genauer für den Empfang der Zürcher in Bern beim Auszug in die Schlacht von Murten im Jahre 1476. Die Zürcher waren den Bernern zu Hilfe geeilt. Offensichtlich wollte der Schweizer der mit Marignano in Verbindung gebrachten Neutralität den Zusammenhalt der Eidgenossen bei Murten entgegenstellen.
Hodler arbeitete zwischen 1915 und 1917 an diesem Bild, jedoch war es bei seinem Tod noch unvollendet. Hodler übernahm für Murten das Kompositionsschema von Marignano. Nach langer Überlegung entschied er sich, die Figuren in einem Register aufzureihen. Die Hauptfiguren werden von kräftigen, statuarisch wirkenden Pferden überragt, sie symbolisieren die fliehenden Burgunder. Der unvollendete Karton aus dem Jahr 1917 wird heute im Landesmuseum aufbewahrt und ist Hodlers letztes monumentales Historiengemälde.