Das Kunsthistorische Museum Wien präsentiert erstmals ein visuelles Barockspektakel. Im Zentrum stehen dabei bahnbrechende Werke des Malers Michelangelo Merisi da Caravaggio, genannt Caravaggio (1571–1610), und des Bildhauers Gian Lorenzo Bernini (1598–1680).
Im Untertitel trägt „Caravaggio & Bernini“ die „Entdeckung der Gefühle“, die bei den Betrachter_innen einwirken und laut westlicher Bildauffassung die Gläubigen zu mehr bewegen konnten. Ihre Darstellung ist, wie Stefan Weppelmann (Direktor der Gemäldegalerie) betont, das Revolutionäre, das Neue im Werk von Caravaggio und seiner Nachfolger. Caravaggios Kunst ist unmittelbar, ergreifend und überzeugend. Dass er Affektdarstellungen, Naturalismus und Hell-Dunkel-Malerei dazu nutzte, um überraschende wie drastische Momente zu inszenieren, machten ihn zu einem Malerstar. Vielfach verehrt und genauso oft als Maler des obszön Realistischen abgelehnt, zudem gefürchtet ob seines Verhaltens, avancierte der Ruf Caravaggios trotz seines relativ kurzen Schaffens von knapp 15 Jahren zu einem Künstlermythos. Mächtige Kardinäle wussten den gewalttätigen Maler vor der Strafverfolgung zu schützen, interessierte „forestieri“ (ausländische Künstler) - wie die bekannten Utrechter Caravaggisten (→ Utrechter Caravaggismus: Honthorst, Baburen und Ter Brugghen) - übertrugen seinen Stil in ihrer eigene, von ihrer nationalen Herkunft mitgeprägte Bildsprache.
Österreich | Wien: KHM
15.10.2019 – 19.1.2020
Niederlande | Amsterdam: Rijksmuseum
14.2. – 7.6.2020
#barockstars
ACHTUNG! Timeslots erforderlich!!
Gian Lorenzo Bernini, der zweite Star der Wiener Ausstellung, war von gänzlich anderer Natur: Hofkünstler von sechs Päpsten, multitaskingfähiger Organisator einer großen Werkstatt, Innenausstatter des Petersdoms, jenseits von Gattungsgrenzen arbeitender Bildhauer-Architekt. Bernini konnte auf den Errungenschaften von Caravaggio bereits aufbauen, schuf er doch als 19-Jähriger bereits den in Wien ausgestellten „Hl. Sebastian“ im Jahr 1617, also sieben Jahre nach Caravaggios Tod. Mehr als sechzig arbeitsreiche Jahre später starb Bernini hochbetagt als international akklamierter Vertreter des römischen Hochbarock.
Caravaggio und Bernini bilden die Klammer für die Präsentation von 65 Kunstwerken von insgesamt 31 Künstler_innen des frühen Barock. Dass mit einer verzückten Maria Magdalena von Artemisia Gentileschi auch ein Bild einer renommierten Malerin in der Schau gezeigt wird, macht deutlich, dass im 17. Jahrhundert Frauen sonst nur als Modelle auftauchen.
Als Ende des 19. Jahrhunderts die Kunst des 17. Jahrhunderts in neuem Licht beforscht und analysiert wurde, schienen die Werke von Caravaggio und Bernini symptomatisch für das Barock. Seither werden Malerei und Skulptur dieser Epoche als besonders ausdrucksstark, bewegt (im Gefühl wie in der körperlichen Haltung) und auf reformatorische oder gegenreformatorische Überzeugung hin ausgerichtet beschrieben. Dass dabei der Barock-Klassizismus mit Künstlern wie Nicolas Poussin, Guido Reni und Giovanni Pietro Bellori fast in den Hintergrund geriet, erklärt sich von selbst. Dass Caravaggios Erbe eigentlich um 1630 durchdekliniert war und sich erschöpfte, soll hier ebenfalls erwähnt werden. Doch geht es im Kunsthistorischen Museum nicht um Stilentwicklungen oder Generationsablösen. Es geht auch vordergründig nicht um komplexe Bildstrategien barocker (meist jesuitischer) Überzeugungsarbeit oder um Repräsentationsformen von Macht u.a. im Porträt, sondern um das affirmative Potenzial der Affekte. Das Publikum soll auch heute noch angesprochen und am besten mitgerissen werden.
Die Kuratoren Stefan Weppelmann und Gerlinde Gruber von der Gemäldegalerie des KHM ordnen die Werke nach Affekten, die in der Kunstliteratur des Barocks als bedeutend erachtet wurden: Meraviglia & Stupore, Orrore & Terribilita (Saal 1), Amore (Saal 2), Moto & Azione, Vivacità (Saal 3), Passione & Compassione, Visione (Saal 4) sowie Scherzo (Saal 5). Dass es mit Caravaggio einem im niedrigen Fach der Stilllebenmalerei ausgebildeten Künstler gelang, als Historienmaler die römische Kunst so maßgeblich zu verändern, erstaunt noch immer. So zeigt er sich in „Knabe, von einer Eidechse gebissen“ (um 1596/97, Florenz) vielleicht sogar selbst. Das Stillleben im Vordergrund bezeugt noch die künstlerische Herkunft des aus der Umgebung von Mailand stammenden Künstlers. Sein „Narziss“ (um 1600, Palazzo Barberini) hingegen ist ganz in sein Konterfei versunken und still. Das Hell-Dunkel hat bereits den Raum ergriffen. Das Spiegelbild wird dem schönen Jüngling den Tod bringen, so wie es der Dichter Giambattista Marino 1619 in „Galeria“ über die Medusa formulierte. Vermutlich hat sich Gian Lorenzo Bernini von diesen Zeilen für seine steingewordene „Medusa“ (1638–1640, Musei Capitolini) inspirieren lassen. Hinter dem schrecklich-verzweifelten Gesicht steht Costanza Piccolomini (Bonarelli), mit der Bernini 1638 eine leidenschaftliche Liebesaffäre hatte. Mit der schrecklichen Medusa leitet die Ausstellungskuratorin zum Begriffspaar „Orrore & Terribilita“ über, hatte der gleiche Autor doch über Guido Renis „Bethlehemitischen Kindermord“ (1611, Pinacoteca Nazionale di Bologna) geschrieben, dass „der Schrecken mit dem Gefallen einhergeht“.
Ähnliches lässt sich auch über das KHM-Werk „David mit dem Haupt Goliaths“ (um 1600/01) von Caravaggio sagen oder gar Valentin de Boulogne, Tanzio da Varallo, Carlo Saraceni oder Orazio Gentileschi interpretierten unterschiedliche Handlungsmomente und gewinnen jeder eine eigene Spannung ab.
Die Idee, dass die überzeugende Macht des religiösen Bildes vor allem in der affektiven Wirkung liege, wurde im kunsttheoretischen Schriften der Zeit intensiv diskutiert und propagiert (vgl. die Schriften der Theologen Gabriele Paleotti: Discorso, Federico Borromini: Pictura sacra).1 Es ging den Auftraggebern darum, dass biblische und heilige Geschehnisse so vor Augen geführt wurden, dass die dargestellten Gefühlsregungen sich auf die Betrachtenden übertragen. Die Gestaltung der Affekte (affetti) zählte daher zu den Hauptthemen der Kunstproduktion. Guido Reni malte den „Bethlehemitischen Kindermord“ am Ende seines ersten längeren Aufenthalts in Rom (1601-1612) für die private Cappella Berò in der Bologneser Domenikanerkirche. Das Massaker an den Kindern nimmt von vorne nach hinten an Dramatik zu. Die variantenreichen und spannungsvollen Haltungsmotive finden sich in der älteren Druckgrafik, wie zum Beispiel die an den Haaren zurückgerissene Mutter. Die trauernde Frau im Vordergrund basiert auf der antiken Statue der Niobe, die fliehende Alte mit offenem Mund rechts auf Caravaggios „Marytrium des hl. Matthäus“ in der Contarelli-Kapelle von San Luigi dei Francesi. Die 1583 in Florenz aufgefundene Statue der Niobe galt als charakteristisches weibliches exemplum doloris. Ihre Unbeweglichkeit, ihrer Totenblässe macht sie zu einem Paradebeispiel für die Darstellung von Schmerz. Dass das Thema für ein Altarbild gewählt wurde, erstaunt, dürfte aber als Verweis auf die Passion Christi zu deuten sein.2
Caravaggios „Johannes der Täufer“ (um 1602) überrascht im zweiten Saal der „Caravaggio & Bernini“-Ausstellung in Wien. Der jugendliche Körper des Heiligen ist in der Pose den Ignudi Michelangelos an der Decke der Sixtina nachempfunden – in seiner Präsenz und Fleischlichkeit könnte er an einen höchst irdischen Loverboy gemahnen. Von dieser Irritation berichtete auch Caravaggios Rivale Giovanni Baglione, der mit „Der himmlische Amor besiegt den irdischen Amor“ (um 1602, Berlin) für Kardinal Benedetto Giustiniani auf Caravaggios sensualistische Knabenakte reagierte. Obschon stilistisch an Caravaggio geschult, wählte er doch einen geharnischten und erwachsenen Engel, der seinen Pfeil gegen einen Jüngling schleudert. Die inhaltlich „korrekte“ Fassung des Themas zeigt die Marmorgruppe von Alessandro Algardi in der Saalmitte (1630) aus der fürstlichen Sammlung Liechtenstein. Die christliche Fassung von Eros und Anteros (Liebe und Gegenliebe bzw. sinnliche und tugendhafte Liebe) trifft auf Guido Renis „Himmlische und irdische Liebe“ (1622/23, Palazzo Spinola, Genua). Guercinos „Gleichnis vom verlorenen Sohn“ (1619, KHM) und Andrea Sacchis „Dädalus und Ikarus“ (um 1645, Palazzo Rosso, Genua) verdeutlichen die väterliche Liebe, während Nicolas Poussins „Rinaldo und Armida“ (um 1628, Dulwich Picture Gallery, London) für die Liebe zwischen Mann und Frau stehen.
Ein „Spezialfall“ der Liebe ist wohl die religiöse Verzückung, die ekstatische Hingebung. Zu den Hauptwerken des römischen Barock zählt die Cappella Cornaro in der Kirche Santa Maria della Vittoria, die Gian Lorenzo Bernini zwischen 1645 und 1652 in einen theatralen Lichtraum verwandelte. Der Bildhauer-Architekt schuf einen skulpierten Altaraufsatz - „Die Verzückung der hl. Theresa von Àvila“, der von indirektem Licht dramatisch beleuchtet wird. Die Heilige beschrieb selbst, wie ein jugendlicher Engel mit einem flammenden Pfeil ihr Herz durchbohrte. Die zurückgesunkene Heilige und der kindlich lächelnde Engel gehören zu den berühmtesten Skulpturen des 17. Jahrhunderts. In Wien ist die Figurengruppe durch ein Tonmodell von 1647 aus der Eremitage vertreten. Die innere Bewegtheit der spanischen Heiligen vermittelte er über das reichgefaltete Gewand. Für den Künstler stellte dies die Virtuosität seines Meißels unter Beweis und diente als Verbindung zwischen Skulptur und Malerei.
Links daneben hängen zwei Versionen der „Maria Magdalena in Ekstase“ von Artemisia Gentileschi und von dem aus Brüssel stammenden Maler Louis Finson. Finsons 1613 am Cartellino groß datierte Mara Magdalena soll eine Kopie einer verschollene Maria Magdalena von Caravaggio sein. Dieser hat auf dem Landsitz der Colonna, wohin er 1606 nach dem Todschlag geflohen war, die reuige Sünderin gemalt. Ganz im Gegensatz dazu zeigt Artemisia Gentileschi Maria Magdalena mit einem Anflug von Lächeln im Gesicht. Spannend, wie die einzige Frau unter all den Männern die Verzückung nicht als pseudo-erotischen Akt anlegt. Ähnlich entspannt wirkt in der ganzen Ausstellung nur Caravaggios „Der hl. Franziskus in Ekstase“ (um 1595/96, Wadsworth Atheneum). Keine exaltierte Pose, sondern ein ruhiges nach hinten Sinken. Ein Engel kümmert sich um den von Liebe überwältigten Heiligen. Obwohl die Stigmata heute fehlen (ein konservatorischer Umstand), schildert Caravaggio in diesem für sein Werk verhältnismäßig zurückhaltenden Komposition die Wandlung des hl. Franziskus und dessen Nachfolge Christi.
Bewegung ist das Stichwort für Berninis Tonmodelle: für den berühmten „David“ (1623) in der Borghese Sammlung, für den Tritonbrunnen auf der Piazza Navona (1653), für den Elefanten mit einem Obelisken (um 1632 oder um 1658) vor dem Palazzo Barberini. Dem Stilvorbild folgte Francesco Mochi u.a. in der Figur der „Hl. Veronika“ (1620/31) für den Dom von St. Peter und dem Bronzemodell für ein Reiterstandbild von Ranuccio Farnese, dem Herzog von Parma für Piacenza.
Wie die innere Bewegung in eine interpretierbare äußere übertragen werden kann, ist zentrales Thema der Barockkunst. Die Übersetzungsleistung schließt körperliche Bewegung, Mimik und Gestik ein – aber auch in die Bewegung der Kleidung. Vor allem die Darstellung des Martyriums etwa der hl. Cäcilia von Carlo Saraceni (um 1620) oder die Opferung Isaaks von Orazio Gentileschi (um 1612) bis hin zu Ludovico Carraccis drastisch realistischer Schilder, wie der tote hl. Sebastian in die Cloaca Maxima geworfen wird (1612). Das für die Kirche San Sebastiano bestimmte Bild des hl. Sebastian war von Maffeo Barberini bei Carracci in Auftrag gegeben worden. Barberini entschied sich, das Gemälde in seiner Galerie auszustellen, da sie ihm für ein Andachtsbild nicht würdig genug erschien.
Lebendigkeit (vivacita) gehört zu den wichtigsten Anforderungen an Künstler des frühen 17. Jahrhunderts. Der oben genannte Maffeo Barberini, der später Urban VIII. und Förderer von Gian Lorenzo Bernini, wurde 1596/97 von Caravaggio porträtiert (Privatsammlung, Florenz). Die Glätte der Haut, die Lokalfarbigkeit der Kleidung und das Stillleben am Tisch weisen das Gemälde als frühes eigenständiges Werk von Caravaggio aus. Verglichen mit dem zehn Jahre später entstandenen Porträt des Malteserritters „Fra Antonio Martelli“ (Uffizien) wirkt es noch steif und unsicher. Das seltene Porträt – aktuell werden nur vier Porträts von Caravaggio als eigenhändig anerkannt – stammt aus der späten Phase des Malers auf Malta. Nach dem Totschlag in Rom 1606 hatte der Maler aus Rom fliehen müssen und sich in die Obhut des Malteserordens begeben, der ihn auch aufnahm. Offensichtlich wusste er mit seinen Bildern zu überzeugen. Desgleichen auch Bernini. Kardinal Richelieu ließ eigens ein Porträt von Philippe de Champaigne nach Rom schicken, damit Bernini seine Büste in Carrara-Marmor hauen konnte (1640/41). Die einige Jahrzehnte später durchgeführte Reise an den französischen Hof führte allerdings nicht zur Neugestaltung des Louvre nach den Vorschlägen des römischen Universalkünstlers.
Ein zentrales Werk der Ausstellung und der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums in Wien ist Caravaggios monumentale „Rosenkranzmadonna“ (um 1601/03). Effektvoll in der Blickachse gehängt, führt der Ausstellungsrundgang auf dieses Bild zu. In ihm kulminieren die Bemühungen des Malers, sowohl die himmlische und irdische Welt in eine Komposition zu bringen. Der hl. Dominikus allein ist in der Lage, die Madonna zu sehen, während er Rosenkränze an das Volk verteilt. Petrus Martyr auf der rechten Bildhälfte weist auf die thronende Muttergottes und blickt dabei auffordernd aus dem Bild. Handlungsaufforderung, Erzählung und spiritueller Inhalt sind kongenial miteinander verbunden. Dass der Auftraggeber des Werks bis heute nicht bekannt ist, und Caravaggio es nach Neapel mitnehmen konnte, könnte mit den schmutzigen Füßen der Betenden zu tun haben. Hierin brach Caravaggio mit den Regeln des Decorum, des Schicklichen.
Zwei weitere Gemälde von Caravaggio, die „Dornenkrönung Christi“ (um 1603, KHM) und „Der hl. Franziskus in Meditation“ (um 1605/06, Cremona), führen vor, wie er Figurenkomposition, Bewegung und Lichtregie zu bedeutenden Andachtsbildern einsetzte. Der hl. Franziskus scheint im Dunkeln am Boden zu knien. Die Hände sind gefaltet und das Kinn (in einem Melancholiegestus) daraufgestützt. Ein hölzerner Kruzifixus dient als Buchstütze vor seinen Füßen. Der Heilige meditiert mit gerunzelter Stirn über den Text und/oder den Opfertod. Woher das Licht kommt, das die vorderste Bildebene beleuchtet, bleibt ungewiss.
Zu den Caravaggisti der ersten und zweiten Generation gehörten Lo Spadarino und Mattia Preti. Spadarinos Werke wurden sogar mit Caravaggios Bildern verwechselt, was der hohe Grad an Naturalismus auch des ausgestellten „Christus zeigt seine Wunden vor“ (um 1625/35, Perth) nachvollziehbar macht. Im Vergleich zu Spadarinos Einzelfigur wirkt Mattia Pretis „Der ungläubige Thomas“ (um 1656/60, KHM) fast anekdotisch, wenn auch die direkte Ansprache der Betrachter intendiert ist. Während die Apostel die Wundmale bestaunen, öffnet Christus die Arme in Richtung Bildbetrachter_innen. Mattia Preti ist gegen Ende der Ausstellung auch ein gutes Argument, um die teils überzogenen Gerüchte über die Gewalttätigkeit Caravaggios ins Licht seiner Zeit zu rücken. Der aus Calabrien stammende Preti (1613-1699) war ein Schüler von Guercino, dessen „Maria Magdalena und zwei Engel“ (1622, Musei Vaticani) drei Bilder weiter hängt. Pretis Kunstfertigkeit führten - wie bei Caravaggio - zur Aufnahme in den Malteserorden (1642). Eine Auseinandersetzung und ein drohendes Duell führten zur heimlichen Flucht des Malers nach Malta. Dort tötete er allerdings einen Ritter, der ihn wegen seiner Malerei beleidigt hatte. Aus Angst vor dem Urteil des Großmeisters floh Mattia Preti weiter nach Livorno und Madrid. In den folgenden Jahren arbeitete Preti erneut in Rom, Neapel und Malta.
Die Ausstellung endet mit einem Scherzo, der finalen Gegenüberstellung von Skulptur und Malerei. Während die drei Gemälde thematisch ein wenig verloren wirken, amüsiert so manche Marmorskulptur. Am Ende der Ausstellung wird erstmals Gian Lorenzo Berninis Vater, der aus Florenz stammende Bildhauer Pietro Bernini, und dessen manieristische figura serpentinata eingeführt. Dass barocke Kunst in Rom und Umgebung nicht nur gegenreformatorische Propaganda, sondern auch höchst unterhaltsam sein kann, belegen Hendrick ter Brugghens Lautenstimmerin (um 1627, KHM), die monumentale Schilderung einer Tavernen-Szene von Valentin de Boulogne (1631, Fürstliche Sammlungen Liechtenstein) sowie die ebendort stattfindende „Berufung des Apostels Matthäus“ (um 1635, KHM). Diesen Bildern voller „barocker Typen“ stehen spielende Putten gegenüber. Besonders erwähnenswert scheint mir Alessandro Algardis „Junger Satyr mit Silen-Larve“ (antik/1628). Algardi restaurierte eine antike Figur, die während des Baus der Villa Ludovisi aufgefunden wurde. Er ergänzte die Beine, die spitzen Ohren und fügte noch den durch den Mund der Maske ausgestreckten, rechten Arm hinzu. Damit schuf der Bilderhauer, einer der wenigen, der neben Gian Lorenzo Bernini mit einer eigenen Werkstatt überhaupt bestehen konnte, eine höchst überraschende Figur. Algardi dachte die Antike weiter und vervollständigte sie zu einem höchst skurril anmutenden Objekt. Mit den schreienden Köpfen von Gian Lorenzo Berninis Kutsche im Rücken verlässt man die Ausstellung in Richtung Shop. Die großen Gefühle, das barocke Pathos enden in Wien in der Taverne und der Travestie. Was das wieder bedeutend könnte?
Fazit: Äußerst gelungene Ausstellung zum römischen Barock mit Schwerpunkt auf den ersten drei Jahrzehnten römischer Kunstproduktion - und seltenen Ausreißern bis in die 1650er Jahre. Die Objekttexte sind allerdings nicht mit Informationen überfrachtet. Wer also tiefer in die Bedeutung der Kunstwerke eintauchen will, muss den Katalog konsultieren. Dort wurde der Fokus auf die Darstellung der Gefühle durchgehend eingehalten und eine leicht andere Zuordnung der Werke vorgenommen. Kurzbiografien zu den 31 Künstlern wären wünschenswert gewesen. Dennoch, eine lesenswerte Lektüre!
Caravaggio, Gian Lorenzo Bernini
Alessandro Algardi, Dirck van Baburen, Giovanni Baglione, Trophime Bigot, Orazio Borgianni, Valentin de Boulogne, Angelo Caroselli, Annibale Carracci, Lodovico Carracci, Pietro da Cortona, Domenichino (Domenico Zampieri), François Duquesnoy, Giuliano Finelli, Artemisia Gentileschi, Orazio Gentileschi, Guercino (Giovanni Francesco Barbieri), Stefano Maderno, Bartolomeo Manfredi, Francesco Mochi, Nicholas Poussin, Mattia Preti, Nicolas Régnier, Guido Reni, Andrea Sacchi, Carlo Saraceni, Lo Spadarino (Giovanni Antonio Galli), Hendrick ter Brugghen, Tanzio da Varallo, Simon Vouet
Kuratiert von Gudrun Swoboda, Kuratorin für Südeuropäische Barockmalerei am Kunsthistorischen Museum, Stefan Weppelmann, Direktor der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums, und Frits Scholten, leitender Kurator für Skulptur am Rijksmuseum.