Im Jahr 1907 vollendete Gustav Klimt das erste Porträt von Adele Bloch-Bauer, das als „Adele Bloch-Bauer I“ neben dem „Kuss“ zweifellos das bekannteste Frauenbildnis des Wieners ist. Das 2006 restituierte Gemälde wurde von Maria Altmann im Juni 135 Millionen $ (106,7 Mio. €) privat verkauft. Der Kunstsammler Ronald S. Lauder erwarb das Gemälde für die Neue Galerie in New York, wo es jetzt erstmals seit einem Dezennium mit dem zweiten Porträt Klimts von Adele Bloch-Bauer gemeinsam gezeigt wird.
USA / New York: Neue Galerie
22.9.2016 – 16.1.2017
„Der Rausch edelster Buntheit geht von ihnen aus. Bunte Sinnenfreude, ein Traum von Juwelenlust. […] In Edelsteinen zu wühlen, die nicht sind. In Glanz und Flimmer und mannigfaltigem Gefunkel ohne Greifbarkeit. Der körperlose reine Augenschmaus, die Zurückzauberung der Seele, die in der Körperkunst vergangener Prunkzeiten lebte.“ (Ludwig Hevesi über das Porträt von Adele Bloch-Bauer I, 1907)
Adele Bloch-Bauer wurde am 8. August 1881 als Tochter des Bankdirektors Moritz Bauer (1840–1905) und dessen Ehefrau Jeannette in Wien geboren und starb am 25. Januar 1925 an Meningitis. 1899 heiratete die 18-jährige Adele Bauer den Zuckerfabrikanten Ferdinand Bloch (1864–1945). Adele Bloch-Bauer führte in Wien einen großbürgerlichen Salon, in dem Intellektuelle, Künstler und Politiker wie die Sozialdemokraten Karl Renner und Julius Tandler, Alma Mahler und ihr dritter Mann Franz Werfel, Richard Strauss und Stefan Zweig zu Gast waren. Ihre Ehe blieb kinderlos.
Zu den wenigen authentischen Beschreibungen Adeles gehört eine häufig zitierte Beobachtung ihrer Nichte Maria Altmann:
„Krank, leidend, immer mit Kopfweh, rauchend wie ein Schlot, furchtbar zart, dunkel. Ein durchgeistigtes Gesicht, schmal, elegant. Süffisant, arrogant, so hat sie auf mich als Kind gewirkt. Stets auf der Suche nach geistiger Anregung.“1
Es ist nicht bekannt, wann Gustav Klimt und das Ehepaar Bloch-Bauer einander zum ersten Mal trafen. Als der Wiener Maler das erste Porträt von Adele Bloch-Bauer 1907 vollendete, war das Dargestellte gerade 27 Jahre alt. Neben den beiden Porträts von Adele Bloch-Bauer besaß das Ehepaar noch vier Klimt-Landschaften: „Buchenwald“ (1903), „Schloss Kammer am Attersee“ (1910), „Häuser in Unterach am Attersee“ (1916) und „Apfelbaum“ (um 1912). In ihrem Testament bedachte Adele Bloch-Bauer zahlreiche Arbeiter- und BIldungseinrichtungen mit Geld, zudem wollte sie die Klimt-Bilder öffentlich zugänglich machen und der Österreichischen Staatsgalerie (heute: Belvedere) nach dem Tod ihres Mannes schenken. Die Werke verblieben bis 1938 in der Wiener Wohnung von Ferdinand Bloch-Bauer, wo sie 1938 von den Nationalsozialisten „sichergestellt“ wurden.
Knapp nach 1900 hatte Gustav Klimt seine Porträtauffassung der Goldenen Periode festgelegt: Die Damen der besseren Wiener Gesellschaft wurden dabei vom Künstler selbst angezogen. Er behielt sich das Recht vor, den Porträtierten zu sagen, was „malerisch“ wäre und was nicht. Wie schon in den Bildnissen von Margarethe Stonborough-Wittgenstein und Fritza Riedler (beide 1905) ist dabei die Raumbühne als schmaler Streifen angenommen, der bildparallel von einer Wand begrenzt wird. Das seit Fritza Riedlers Bildnis quadratische Format wird nach strenger Flächengliederung aufgeteilt, ornamentale und einfarbige Flächen wechseln einander spannungsvoll ab. Zwischen räumlich und flächig changiert vor allem das Sitzmöbel, auf dem die Damen ruhen – desgleichen auch die Körper hinter den prächtigen Kleidern.
Adele Bloch-Bauer sitzt auf einem Fauteuil, der, kaum erkennbar, mit einem goldenen Spiralmuster auf Goldgrund bezogen ist. Adele Bloch-Bauer trägt ein weit fallendes Reformkleid, das die Schultern frei lässt und im unteren Bereich des Bildes weit ausschwingt. Das Muster, bestehend aus Dreiecken mit Augenmotiv, halbierten Ovalen („Kaffeebohnen“ nicht unähnlich), Quadraten wird plan auf die Bildfläche gesetzt. Der Körper der Dargestellten verschwindet hinter dem goldstarrenden Dekor. Nur Hände, Dekolletee und Gesicht sind naturalistisch und plastisch ausgeführt. Auch hinter Adele Bloch-Bauer entwickelt Gustav Klimt eine Art goldener Blase, welche die Dargestellte hinterfängt und so mit der goldglitzernden Wand verbindet. Einzig der grüne Streifen am unteren Bildrand und die dunkle Haarpracht Adeles bilden gleichsam farbige Inseln im Bild.
Gustav Klimt hatte den Auftrag zum Porträt „Adele Bloch-Bauer I“ 1903 von ihrem Mann erhalten. In einem Brief schrieb Adele Bloch-Bauer, dass ihr Mann beschlossen hatte, sie malen zu lassen und der Künstler erst im Winter dafür Zeit hätte.2 Daraufhin fertigte der Maler über 100 Skizzen an, in denen er Pose und Kleidung Adele Bloch-Bauers in mehreren Phasen studierte. Hand- und Kopfhaltung dürften dabei die größten Fragen gestellt haben. Die etwas angespannte Haltung Adeles wird mit einer Missbildung an ihrer Linken begründet. Kaum ein Bild hat Gustav Klimt so genau vorbereitet wie „Adele Bloch-Bauer I“.
Das 1907 fertiggestellte Porträt von Adele Bloch-Bauer gilt als das bedeutendste Werk der Goldenen Periode im Werk Gustav Klimts (→ Gustav Klimt: Der Kuss (1908/09)). Zum ersten Mal ausgestellt war es im Frühjahr in Mannheim, gefolgt von der Kunstschau 1908 in Wien. Die Kritikermeinungen waren gespalten und reichten von „Idol in einem goldenen Schrein“ oder „Mehr Blech als Bloch“ zu „Endgebilde der zartesten Romantik der Natur, die Hände der Ausdruck einer anmutigen Seele“ (Peter Altenberg). Damit wurden die Möglichkeiten von Klimts Stil zwischen Porträt und Ornament, zwischen luxuriösem Raffinement und madonnenhafter Ikone gekonnt beschrieben.
Dass das Porträt „Adele Bloch-Bauer I“ heute auch unter dem Titel „Goldenen Frau“ bekannt ist, ist der NS-Zeit geschuldet. Gustav Klimts Position in der Wiener Moderne war unbestritten, doch die jüdischen Auftraggeber und Mäzene sollten unkenntlich gemacht werden. Das Werk Klimts hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits einmal als Leihgabe in der Österreichischen Galerie Belvedere befunden (1918–1921). Adele Bloch-Bauer verfügte, dass ihr Porträt nach dem Ableben ihres Mannes dem Wiener Museum überlassen werden sollte. Der nach dem Anschluss 1938 in die Schweiz emigrierte und enteignete Witwer widerrief vor seinem Tod 1945 diese Zusage. Die veränderte Gesetzeslage in Österreich ermöglichte der Erbin von Ferdinand Bloch, Maria Altmann, ab 1998 für die Restitution dieses Gemäldes zu kämpfen und 2001 vor Gericht zu ziehen. 2006 wurde das Porträt „Adele Bloch-Bauer I“ restituiert. Der Kinofilm „Woman in Gold“ versucht diesen Prozess darzustellen.
Fünf Jahre, nachdem Gustav Klimt das erste Porträt von Adele Bloch-Bauer geschaffen hatte, stand ihm die Dame ein zweites Mal Modell. Damit ist sie nicht nur die einzige Frau, die Klimt zwei Mal porträtierte, sondern auch jene Person, die ein Werk der Goldenen Periode wie auch der Späten Phase Klimts ihr eigen nennen konnte. Die Ausführung des Stoclet-Fries hatte Klimt ab 1908 so sehr beansprucht, dass er bis 1912 keinen Porträtauftrag annahm. Nach fünf Jahren ohne ein einziges Bildnis gemalt zu haben, arbeitete er erneut mit Adele Bloch-Bauer für ein repräsentatives, nun mit einem Standmotiv arbeitendes Porträt zusammen.
Das zweite Porträt von Adele Bloch-Bauer aus dem Jahr 1912 wirkt gänzlich anders, hatte sich doch Gustav Klimts Malstil in den vergangenen fünf Jahren radikal verändert. Die Goldene Periode war um 1910/11 zu Ende gegangen, als letzte Werke können noch die Entwurfszeichnungen für den Stoclet-Fries im MAK dazugezählt werden (→ Gustav Klimt: Lebensbaum – Erwartung – Erfüllung – Ritter). Danach wandte sich Gustav Klimt einer farbenfrohen, gestischen Malerei zu, was wohl dem Einfluss der französischen Fauves und der deutschen Expressionisten geschuldet war (→ Matisse und die Künstler des Fauvismus).
Das nunmehr hochformatige, 190 mal 120 Zentimeter große Gemälde ist das erste, in dem Klimt seinen Spätstil präsentierte. Adele Bloch-Bauer ist stehend in der Mitte des Bildes festgehalten. Nur die unterschiedliche Handhaltung lockert ihre streng symmetrische Anlage auf. Wie schon in „Adele Bloch-Bauer I“ ist auch hier die Raumbühne schmal und wird durch eine bildparallele Wand abgeschlossen. Teppichboden und Wandtapisserie bilden eine bunte Folie mit teils asiatischen Motiven, vor der sich die Figur Adeles mit breitkrempigem Hut, Stola und weich fallendem Kleid abhebt. Wieder sind Gesicht und Hände naturalistisch, mit leicht bläulicher Färbung umgesetzt. In den beiden folgenden Porträts von „Mäda Primavesi“ (1913, MoMA) und ihrer Mutter „Eugenia (Mäda) Primavesi“ (1913/14, Toyota) führte Gustav Klimt diese Auffassung weiter aus.
Inzwischen gehört das Porträt „Adele Bloch-Bauer II“ einem chinesischen Investor, der es 2016 von Oprah Winfrey erworben hat. Die US-Star-Talkerin hatte „Adele Bloch-Bauer II“ bei der Restitutions-Auktion 2006 um knapp 88 Millionen Dollar gekauft.
Die Ausstellung bringt nicht nur die beiden Porträts von Adele Bloch-Bauer erstmals seit einem Jahrzehnt wieder zusammen, sondern gruppiert noch eine Reihe weitere wichtiger Frauenbildnisse des Wiener Jugendstilmalers um sie: „Serena Lederer“ (1899, MoMA), die eine der wichtigsten Klimt-Sammlungen der Jahrhundertwende aufbaute, und ihre Tochter „Elisabeth Lederer“ (1914–1916), „Gertha Loew“ (1902), „Mäda Primavesi“ (1912) sowie das unvollendete Bildnis von „Ria Munk III“ (1917) lassen Klimts Fähigkeit erkennen, zwischen Porträtähnlichkeit und Stilisierung zu arbeiten, zwischen byzantinischen Mosaiken in Ravenna und fauvistischen Einflüssen einen höchst eigenwilligen Stil zu amalgamieren.
Kuratiert von Tobias G. Natter.