Klimt, Kuss, Detail, 1908/09, Öl/Lw (Belvedere)
„Der Kuss“ ist eine Ikone der Liebe und ein Hauptwerk von Gustav Klimt, das sich seit 1908 im Belvedere befindet. Mit der Darstellung der Verbindung von Mann und Frau, von schwarz-weißen Rechtecken und farbigem Blütenornament, gelang dem Wiener Maler eine außergewöhnliche Komposition, die noch während seiner Erstpräsentation auf der „Kunstschau 1908“ vom österreichischen Staat erworben worden ist. Nachdem er das Bild am 22. Juli 1909 fertiggestellt hatte, ließ er es an das Museum liefern. Ob Gustav Klimt in diesem Werk seiner Beziehung zu Emilie Flöge ein Denkmal setzte, wie häufig vermutet wird, kann aufgrund fehlender Dokumente nicht verifiziert werden.
Österreich / Wien: Belvedere
Klimt arbeitete bereits seit Jahren an der „perfekten“ Darstellung der romantischen Liebe. 1895 malte er „Liebe“ (Wien Museum), für das er den Moment kurz vor dem Kuss wählte. Das Liebespaar erscheint zwischen zwei vergoldeten Seitenflächen, an denen rosafarbene Rosen herunterhängen. Die nahezu grisaillehafte Darstellung der Liebenden wird im oberen Bereich des Bildes durch Köpfe und Fratzen konterkariert. Das Schicksal droht und wacht über das Paar in Form von „Charakterköpfen“ (Alfred Weidinger), einem engelsgleichen Kind, einer erwachsenen Frau, hämisch grinsenden Nornen. Die symbolistisch inspirierte Vision schwankt zwischen Leidenschaft und allem, was Leiden schafft.
Im „Beethovenfries“ (Besitz Belvedere, ausgestellt in der Wiener Secession → Rockenschaub "Plattform" für Klimts Beethoven-Fries) griff Gustav Klimt 1901/02 den Bildgedanken wieder auf. Nun teilte er jedoch die Liebenden von den dramatischen Lebenserfahrungen. Die „Sehnsucht nach Glück“ in Form der fliegenden Damen verbinden den Goldenen Ritter, der für die Armen und Schwachen gegen die „bösen Mächte“ ins Feld zieht. Ob er jedoch gegen Krankheit, Wahnsinn und Tod, repräsentiert durch Typhaeon, die drei Gorgonen, Totenschädel, aber auch Wollust, Verführung und Unmäßigkeit erfolgreich sein kann, bleibt offen. Wirkliche Erfüllung bieten Kunstgenuss, Natur und die romantische Liebe, die Klimt an das Ende seiner 34 Meter langen Erzählung stellte. In der glücklichen Umarmung finden Mann und Frau in einem paradiesischen Ambiente zueinander. Die beiden sind von hinten zu sehen, der etwas dunkler getönte Mann überragt die hellhäutige Frau. Der Kuss ist hier nur zu erahnen.
Während Klimt am „Kuss“ arbeitete, plagte er sich auch mit den Entwürfen für den Stocletfries, die zwischen 1909 und 1911 fertiggestellt wurden. Das Ehepaar Stoclet hatte die Klimt Retrospektive 1903 in der Wiener Secession besucht und sich vom „Beethovenfries“ begeistert gezeigt. Dieser wurde nach Ende der Schau von Carl Reininghaus erworben und war daher nicht mehr verfügbar. Für ihr Palais in Brüssel, das sie von Josef Hoffmann entwerfen ließen und für das die Wiener Werkstätte die gesamte Ausstattung lieferte, baten sie Gustav Klimt um einen Fries für das Speisezimmer. Auf über 10 Metern Länge entwickelte Klimt eine Vision eines Gartens mit Lebensbäumen, vor denen sich „Erwartung [Chinesische Tänzerin]“ und „Erfüllung“ treffen, weiters Rosensträuche mit Schmetterlingen und Horusfalken im Geäst. Der goldene „Ritter“ wurde zum „Malmosaik“, nahezu gänzlich abstrahiert und geometrisiert. Die „Erfüllung“ zeigt einmal mehr ein sich umarmendes Paar, wobei der Mann einen Kopf tief auf der Schuler seiner Geliebten vergraben hat. Die Entwurfszeichnung ist im MAK - Museum für Angewandte Kunst und Gegenwartskunst am Studenring zu sehen.
„Der Kuss“ bildet den absoluten Höhepunkt von Klimts Beschäftigung mit der romantischen Liebe und der sogenannten „Goldenen Periode“. Die Liebenden treffen einander auf einer Blumenwiese, die jedoch hinter den Beinen der knienden Frau abrupt in die Tiefe stürzt. Eine goldene Aureole verbindet die Liebenden, sie schützt sie und vereint ihre Körper zu einer einheitlichen Form. Der goldglitzernde Hintergrund könnte als Sternenhimmel gedeutet werden.
„Auch angesichts der noch embryonalen Wandfläche, die Gustav Klimt beherrscht, gilt Goethes Spruch: Höchstes Glück der Erdenkinder ist nur die Persönlichkeit! Ein Kunstwissender hat es einem gesagt, dass Klimt als ein Meteor am Himmel der Kunst selbstherrlich seine Bahn wählt. Er kommt von nirgendher und führt vielleicht nirgendhin. So wird der seltsame Hymnus der Liebe, den der Meister im „Kuss“ feiert, von den Kunsthistorikern der Zukunft in keine Schule der Zeit einzureihen sein. Ein Aufflammen von Prunk und schmückender Pracht: ein heißes Blühen und Duften umrauscht die sich einander Reigenden, welche die Last goldfunkelnder Pracht wie Gekrönte tragen. Klimt zelebriert hier die hohe Messe der Leidenschaft. Solches Höhenmaß der Stilisierung kann jedoch, ohne sich im Dekorativen u verlieren, nur ein der Natur naher Künstler wagen.“1