Lotte Laserstein
Wer war Lotte Laserstein?
Die deutsch-schwedische Malerin Lotte Laserstein (28.11.1898–21.1.1993) gehört zu den wichtigen Wiederentdeckungen der letzten Jahre. Ihr Werk zeichnet sich durch ebenso sensibel wie eindringlich gestaltete Porträts aus den späten Jahren der Weimarer Republik aus. Lasersteins Arbeiten der 1920er und 1930er Jahre markieren den Glanzpunkt ihres Schaffens. Obwohl getauft, wurde sie von den Nationalsozialisten als jüdisch eingestuft und wurde 1937 in die Emigration nach Schweden gedrängt. Dort konnte sich Lotte Laserstein zwar einen Ruf als Auftragsporträtistin aufbauen, in Deutschland wurde sie jedoch gänzlich vergessen. Erst seit der Jahrtausendwende wird Laserstein zunehmend als wichtige Position innerhalb der Neuen Sachlichkeit wahrgenommen (→ Neue Sachlichkeit). Im Kontrast zu den meist männlichen Kollegen wandte sie sich mit altmeisterlicher Technik dem Bild der „Neuen Frau“ zu. Damit fing sie zum einen das Lebensgefühl der späten Weimarer Republik ein und prägte in ihren Werken, die in vielen Magazinen abgedruckt wurden, das Bild der modischen, arbeitenden Frau aus einer weiblichen Perspektive.
Durch Porträts ihrer Zeitgenossinnen machte sich die Malerin Lotte Laserstein im pulsierenden Berlin der Weimarer Republik einen Namen. In ihren Gemälden zeigte die Künstlerin das sie umgebende Berliner Leben, richtete dabei den Fokus auf Darstellungen der sogenannten „Neuen Frau“ und fing ihre Bildmotive mit einem dezidiert weiblichen Blick ein. Erfolgreich beteiligte sie sich an zahlreichen Ausstellungen und Wettbewerben und erhielt viel Lob von der Kunstkritik (→ Lotte Laserstein. Von Angesicht zu Angesicht).
Nach der frühen Anerkennung endete ihre Karriere in Deutschland jedoch schlagartig: Im Nationalsozialismus wurde die Malerin, die zwar christlich getauft war, aufgrund ihrer Großeltern als jüdisch deklariert und zunehmend aus dem öffentlichen Kulturbetrieb ausgeschlossen. 1937 gelang es ihr, Deutschland zu verlassen und nach Schweden zu emigrieren, wo sie allerdings nicht mehr an ihre frühen Erfolge anknüpfen konnte. Abgeschnitten von der internationalen Kunstszene geriet ihr Werk weitgehend aus der öffentlichen Wahrnehmung.
Stil und Motive
Die Bilder Lasersteins stehen stilistisch der Neuen Sachlichkeit nahe, doch passen sie nicht recht in diese kunsthistorische Kategorie. Im Hinblick auf Sujets und Grundhaltung lassen sich in Lasersteins Arbeiten zwar Anklänge an diese Kunstströmung finden, doch ist ihr Malstil weder objektivierend unterkühlt noch gesellschaftskritisch überzeichnet, wie für die Neue Sachlichkeit bzw. den Verismus typisch. Ihre Malweise bleibt stets realistisch, mit teilweise spätimpressionistisch lockerem Pinselduktus und einem sorgsam komponierten Bildaufbau. Insgesamt ist der Einfluss ihrer akademischen Ausbildung – zu der sich Frauen in den 20er Jahren gerade erst den Zugang erkämpft hatten – in ihren Werken deutlich erkennbar, weshalb ihr Stil als akademischer Realismus bezeichnet werden kann. Obwohl handwerklich traditionell, waren ihre Bilder inhaltlich von großer Aktualität.
Lotte Lasersteins favorisiertes Thema ist der Mensch in all seinen Facetten, weshalb sie sich hauptsächlich der Porträtmalerei widmet. In ihren Porträts setzt sie virtuos die Menschen der Zwischenkriegszeit ins Bild, wie etwa in „Liegendes Mädchen auf Blau“ (1931) oder in „Der Mongole“ (1927). Dabei zeichnen Nüchternheit, Modernität wie auch psychologische Tiefe ihre Darstellungen aus.
In Lastersteins Œuvre gibt es ebenso Motive, die von der Technik- und Sportbegeisterung der Zeit künden, doch sind diese zahlenmäßig weit weniger bedeutend. In ihren Bildnissen malt Laserstein Typen des modernen Alltags: sportive Frauen, sich schminkende junge Mädchen, einen Motorradfahrer in voller Montur und modisch gekleidete Großstädterinnen. Die Künstlerin spielt mit Zitaten aus der Kunstgeschichte und baut oftmals Spiegelungen und Verdoppelungen der Figuren ein. Häufig malt sie komplexe Kompositionen, in denen sie sich auch selbst beim Malen im Atelier zeigt, um auf ihre Rolle als akademisch ausgebildete Künstlerin zu verweisen. Darüber hinaus entwirft Laserstein mit ihren modisch gekleideten Protagonistinnen den Typus der emanzipierten Städterin, die sich ohne männliche Begleitung frei und selbstbewusst im öffentlichen Raum bewegt. Dieses zeitgenössische Bild der sogenannten „Neuen Frau“ ist von besonderem Interesse für sie. So machen Frauenporträts auch den größten Teil ihrer Kunst aus, selten fertigt sie Bildnisse von Männern an.
Lasersteins Modell Traute Rose
Neben den professionellen Modellen an der Akademie und sich selbst porträtiert Laserstein immer wieder ihre langjährige Muse und Freundin Gertrud Rose (geb. Süssenbach), genannt Traute. Diese verkörpert den Typus der „Neuen Frau“, wie er in den Zwischenkriegsjahren in den Medien geradezu propagiert wurde, und ist damit ein ideales Modell. Rose entspricht – genau wie Laserstein selbst – dem Ideal der Zeit: eine androgyne, sportliche, emanzipierte junge Dame mit Bubikopf und locker sitzender Kleidung. In ihren Porträts erscheint Rose mal als Tennisspielerin, mal in Doppelporträts an der Seite der Künstlerin oder als Aktmodell im Kontext des Ateliers. In Abgrenzung zu herkömmlichen Darstellungen weiblicher Modelle durch männliche Künstler, in denen die Frau zum objektivierten Gegenüber des Malers wird, zeugen die Bilder Lasersteins von der gleichberechtigten und vertrauten Beziehung zwischen den beiden Freundinnen. Dies wird besonders in „Vor dem Spiegel“ (1930/31) und „In meinem Atelier“ (1928) deutlich, in denen Rose jeweils nackt und Laserstein in der Rolle der Malerin zu sehen ist. Besonders diese Aktdarstellungen führten in der Forschung immer wieder zur Annahme einer homosexuellen Liebesbeziehung zwischen den beiden Frauen, wofür es jedoch keinerlei biografische Hinweise gibt. Mit Traute Rose, die in Deutschland blieb, verband Laserstein zeitlebens eine tiefe Freundschaft und die beiden führten auch während ihrer Zeit in Schweden eine umfangreiche Korrespondenz.
Biografisches
Die 1898 in Ostpreußen geborene Lotte Laserstein wuchs in bürgerlichen Verhältnissen auf (→ Lotte Laserstein: Biografie). Nach dem frühen Tod des Vaters zog ihre Mutter mit ihr und der jüngeren Schwester Käte zu der verwitweten Großmutter nach Danzig. Ersten Zeichenunterricht erhielt sie ab 1908 von ihrer Tante Elsa Birnbaum, die eine private Malschule betrieb. Zwischen 1921 und 1927 besuchte sie die Berliner Hochschule für die Bildenden Künste, wo sie als eine der ersten Frauen ihr Meisterstudium abschloss. Durch ihre Beteiligung an der Frühjahrsausstellung der Preußischen Akademie der Künste 1928 erlangte sie große Aufmerksamkeit und verkaufte ihr erstes Werk an eine öffentliche Einrichtung, den Magistrat der Stadt Berlin. Das Gemälde „Im Gasthaus“ (1927) wurde später im Rahmen der nationalsozialistischen Propaganda als „entartete Kunst“ beschlagnahmt.
Seit dem Ende der 1920er Jahre nahm Laserstein regelmäßig an Ausstellungen teil. Es gelang ihr bald, sich einen Ruf aufzubauen und Feuilletons und Kritiker fanden geradezu hymnische Worte für ihre Kunst. 1928 beteiligte sich Laserstein an dem Wettbewerb „Das schönste deutsche Frauenporträt“, der von der Kosmetikfirma Elida zusammen mit dem Reichsverband bildender Künstler ausgeschrieben wurde. Aus den 365 eingereichten Werken wurde das heute in der Städel Sammlung befindliche Gemälde Russisches Mädchen mit Puderdose für die Endrunde nominiert und zusammen mit 25 Arbeiten von fast ausschließlich männlichen Künstlern in der angesehenen Berliner Galerie von Fritz Gurlitt gezeigt. Dort fand 1931 auch ihre erste Einzelausstellung statt.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten endete Lasersteins einsetzende Karriere unvermittelt. Sie wurde aus dem Vorstand des Vereins Berliner Künstlerinnen entlassen und konnte ab 1935 lediglich im Rahmen des jüdischen Kulturbundes in Deutschland ausstellen. Auch die kleine Malschule, welche sie zur finanziellen Absicherung seit 1927 betrieb, musste geschlossen werden. Die politischen Restriktionen erschwerten ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen zunehmend. Eine Ausstellung in der Stockholmer Galerie Moderne bot ihr 1937 die Möglichkeit, Deutschland zu verlassen. Obwohl Laserstein im schwedischen Exil weiterhin äußerst produktiv war und ihren Lebensunterhalt durch Auftragsarbeiten verdiente, gelang es ihr nicht, an ihre frühen Erfolge anzuknüpfen. Ihr Werk verschwand weitgehend aus der öffentlichen Wahrnehmung.
In Deutschland wurde Laserstein 2003 durch die Ausstellung „Lotte Laserstein. Meine einzige Wirklichkeit“ wiederentdeckt, die von Anna-Carola Krausse für Das Verborgene Museum in Zusammenarbeit mit der Stiftung Stadtmuseum Berlin im Ephraim-Palais kuratiert wurde. 2010 erwarb die Berliner Nationalgalerie mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder Lasersteins monumentales Hauptwerk „Abend über Potsdam“ (1930).
„Wirklichkeit? Das ist und war mir die Arbeit, seit ich ein Kind war. […] Hätte ich nicht meine eigene Wirklichkeit im Malkasten gehabt, […] so hätte ich die Jahre nicht durchstehen können, in denen mir alles genommen wurde: Familie, Freunde und Heimat.“1
Beiträge zu Lotte Laserstein
- Zit. n. Radikal! Künstlerinnen*und Moderne 1910–1950, hg. v. Stella Rollig, Stephanie Auer, Andrea Jahn und Kathrin Elvers Švamberk (Ausst.-Kat. Museum Arnhem, 7.9.2024–5.1.2025; Saarlandmuseum – Moderne Galerie, Saarbrücken, 8.2.–18.5.2025; Belvedere, Wien, 17.6.–12.10.2025), S. 224.
- Zit. n. Radikal! Künstlerinnen*und Moderne 1910–1950, hg. v. Stella Rollig, Stephanie Auer, Andrea Jahn und Kathrin Elvers Švamberk (Ausst.-Kat. Museum Arnhem, 7.9.2024–5.1.2025; Saarlandmuseum – Moderne Galerie, Saarbrücken, 8.2.–18.5.2025; Belvedere, Wien, 17.6.–12.10.2025), S. 224.