Sonja Sekula

Wer war Sonja Sekula?

Sonja Sekula (Luzern 8.4.1918–25.4.1963 Zürich) war eine Schweizer Malerin und Schriftstellerin des Surrealismus und Abstrakten Expressionismus (→ Abstrakter Expressionismus | Informel). Sekula lebte und arbeitete lange Zeit in New York, wo sie in den Kreisen der aus Europa emigrierten surrealistischen Künstlerinnen und Künstler verkehrte. Nach ihrem Studium am Sarah Lawrence College bewegte sie sich im Umfeld des sogenannten Abstrakten Expressionismus.

Sekulas Werk ist vielschichtig und komplex. Die Künstlerin verstand ihre Vorgehensweise als einen Prozess, den sie mit Freiheit gleichsetzte. Ihre Arbeit ist stark, insbesondere in der letzten Schaffensphase, stark von autobiografischen und existentiellen Zügen geprägt. Zeitlebens beschäftigte sich homosexuelle Sekula mit Fragen des „Frau-Seins“, wobei die in New York in den 1940er Jahren erlebte Akzeptanz weiblicher Kreativität sowie die in der Schweiz erfahrene Ausgrenzung eine zentrale Rolle spielten. Zu ihren Geliebten und ihrem Freundeskreis gehörten unter anderem Frida Kahlo, Alice Rahon und Betty Parsons.

Kindheit & Ausbildung

Sonja Sekula wurde am 8. April 1918 in Luzern als einzige Tochter der Luzernerin Berta Huguenin (1896–1980) und des Ungarin Béla Sekula (1881–1966) geboren. Ihr Vater war ein erfolgreicher Briefmarkenhändler aus Ungarn und ihre Mutter stammte aus der bekannten Luzerner Café- und Confiserie-Dynastie Huguenin.

Sekula wuchs in großbürgerlichen Verhältnissen auf und besuchte Schulen in Luzern wie auch Internate in Zuoz oder Ftan. Diese verließ sie jedoch ohne Abschlussexamen. Bereits im Alter von zehn Jahren verfasste Sekula Gedichte und begann im Teenageralter mit tagebuchähnlichen Aufzeichnungen. Von 1934 bis 1936 studierte sie Kunst und Malerei in Ungarn und Italien. 1935 verliebte sich die 17-Jährige in die Schriftstellerin Annemarie Schwarzenbach und begann eine Beziehung mit ihr. Als homosexuelle Frau fühlte sich Sekula im Schweizer Kontext eingeengt.

Ende Juni 1936 emigrierte die Familie nach New York. Sekula, die von französischer Literatur fasziniert und dem Schreiben stets verbunden war, las Gedichte von Rimbaud, Lautréamont und Breton. Ab 1937 erhielt sie private Malereistunden bei George Grosz, einem Freund der Familie. Im selben Jahr begann sie ein Studium der Kunst und Literatur am Sarah Lawrence College in Bronxville. Dort studierte sie Kunst bei Kurt Roesch, Literatur beim Schriftsteller Horace Gregory sowie Philosophie. Aufgrund eines Nervenzusammenbruchs musste Sonja Sekula 1939 ihr Studium abbrechen.

Im Jahr 1941 verließ sie die Klinik und begann an der Students League in New York ein Kunststudium. Die Schule, an der einst Jackson Pollock und Mark Rothko studiert hatten, war für ihre moderne, unabhängige und avantgardistische Haltung bekannt. Sekula belegte die „Modernist Class“ bei Morris Kantor.

Sonja Sekula und Frida Kahlo lernten einander Anfang der 1940er Jahre in New York kennen. Zwischen ihnen entstand eine enge romantische Beziehung.1

Werke

Anfang der 1940er Jahre hatte Sonja Sekula Kontakt mit den im amerikanischen Exil lebenden Surrealist:innen um André Breton. Er schätzte ihre automatistischen Texte und Bilder. André Breton, die zentrale Persönlichkeit des Surrealismus, kam 1941 in New York an. Er bildete zusammen mit anderen Künstlern wie Max Ernst, Roberto Matta, Yves Tanguy oder André Masson eine Surrealistengruppe, die den kreativen Prozess des Automatismus nutzte. Ebenso entwickelten die Surrealist:innen ein starkes Interesse an primitiven und indianischen Kulturen.

Sonja Sekula fand engen Kontakt zu Breton und seiner Frau sowie zu Matta und Robert Motherwell. In den USA entdeckte sie das literarische Werk der amerikanischen Schriftstellerin Gertrude Stein, deren klare Sprache mit ihren kompromisslosen Sätzen und dem begrenzten Vokabular sie faszinierte. In ihren englischen Texten versuchte die Schweizerin diesen improvisierten Stil anzuwenden. In der Malerei hingegen begann die Künstlerin Abstraktes mit Figurativem zu verbinden und entlehnte ihre intensive Farbgebung der indianischen Volkskunst. Neben Gemälden entstanden Zeichnungen, die – weg von der Abstraktion – narrative und bildliche Elemente vereinen. Sekulas assoziative, bildnerische und sprachliche Formulierung Sekulas entsprach den Surrealisten. In der von Breton und Duchamp initiierten Zeitschrift „VVV“ veröffentlichte sie erstmals eine Zeichnung und einen Text.

Sekula wurde ab 1943 wiederholt eingeladen, an Ausstellungen in Peggy Guggenheims Galerie „Art of This Century“ teilzunehmen. Unter anderem nahm sie gemeinsam mit gemeinsam mit anderen Künstlerinnen wie Meret Oppenheim, Sophie Taeuber-Arp oder Frida Kahlo an der Ausstellung „31 Women“ teil. Zusammen mit Jackson Pollock, Motherwell, Ad Reinhardt und anderen stellte Sekula in der Gruppenausstellung „Spring Salon for the Young Artists“ aus und im Jahr 1945 war sie bei Guggenheim in der Ausstellung „The Women“ vertreten. 1946 folgte ihre erste Einzelausstellung mit den „Night Paintings“, in denen sie mit Schwarz experimentierte. In dieser Phase entstanden die Gemälde „Un jeu“ (KML 520x) und „African Moonsun“ (KML 87.54x). Die Einzelausstellung stieß auf eine vielversprechende Resonanz.

Während eines ihrer Aufenthalte zwischen 1945 und 1947 in Mexiko und New Mexico begegnete die homosexuelle Künstlerin Sekula der Malerin Alice Rahon Paalen, in die sie sich verliebte und von der sie künstlerisch stark beeindruckt war. Rahon widmete sich der Technik der negativen Darstellung, bei der Linien in dunklem Malgrund eingekratzt werden. Diese Kratztechnik, die sich bereits bei Keramiken primitiver Völker findet, setzte nun auch Sekula ein. In ihren mit persönlich-willkürlicher Symbolik versehenen Arbeiten trat zudem immer mehr Text in Englisch, Französisch oder Deutsch auf, mit dem Sekula das Bild kommentierte oder auch strukturierte. Es entstanden außerdem eine Reihe von aquarellierten Zeichnungen mit dem Motiv der New Yorker Stadtlandschaft, in denen die Farbe Gelb vorherrscht. Die Beziehung zu Alice Rahon scheiterte, als diese zu ihrem Ehemann Wolfgang Paalen zurückkehrte.

Sekula stand dem Surrealismus zunehmend kritisch gegenüber. Da sie nicht an kreative Gruppenaktivität glaubte, lehnte sie das Surrealistische im Schreiben zunehmend ab. Malerei bedeutete für Sekula physische Selbstbehauptung. Als Betty Parsons die Künstlerin im Jahr 1947 unter Vertrag nahm, begann für Sekula eine produktive und erfolgreiche Schaffenszeit. Sie bewegte sich im Umfeld der jungen Maler des Abstrakten Expressionismus.

Die Künstlerin bezog 1947 ein Studio in der Monroe Street 346 in New York, wo auch der Komponist und Künstler John Cage und sein Partner, der Choreograf und Tänzer Merce Cunningham, wohnten. Im gleichen Jahr entwarf Sekula ein Kostüm für Cunningham in seiner Choreografie „Dromenon“ mit einer Musik von Cage. Die US-Nachkriegsavantgarde wurde teils von queeren Künstler:innen geprägt, die sich einer homophoben Kulturpolitik der restriktiven McCarthy Ära konfrontiert sahen.2

Sonja Sekula wurde zwischen 1948 und 1957 von der Betty Parsons Galerie vertreten, wodurch sie dem Abstrakten Expressionismus zugeordnet werden kann. An ihre früheren Erfolge konnte sie jedoch nicht mehr anknüpfen.

Dieser kreative und erfolgreiche Höhepunkt ihres Schaffens wurde im Jahr 1951 jäh unterbrochen, als Sekula erneut einen psychischen Zusammenbruch erlitt. In den 1950er Jahren häuften sich der Mangel an Ideen sowie psychische Krisen. In ihrer Arbeit verstärkte sich das Thema der Selbstbefragung und -reflexion, insbesondere in der Schriftstellerei. Dennoch stellte sie 1952 erstmals ihre „Scratchboards“ aus, bei denen sie Zeichnungen in einen schwarzen Tuschgrund kratzte. Mit diesen Skizzenbüchern – Hefte mit einer Folge loser, teils beschriebener oder bezeichneter Blätter – entwickelte sie eine neue Arbeitsform.

Sekula wurde mehrfach hospitalisiert und in den USA unter anderem wegen homosexueller Neigungen therapiert. Ab 1955 konnte sich die Familie die hohen Behandlungskosten nicht mehr leisten und kehrte dauerhaft in die Schweiz zurück. Zunehmend trat die Malerei zugunsten von Skizzen- und Tagebucheinträgen in den Hintergrund. In ihrem Spätwerk setzte sie sich mit indischer und japanischer Philosophie sowie der japanischen Haiku-Lyrik auseinander. Sie schuf kleinformatige Collagen sowie gestische Ölmalereien auf Papier. In der Schweiz war die Künstlerin unglücklich, da sie keinen Anschluss an die Kunstwelt fand und sich auch keine Galerien für ihre Arbeiten interessierten. Heute gilt sie als eine der wichtigsten Schweizer Künstlerinnen.

Tod

Sonja Sekula starb am 25. April 1963 durch Suizid in ihrem Zürcher Atelier.

Die Künstlerin wurde gemäß ihrem Wunsch in St. Moritz auf dem Friedhof Somplatz beerdigt (SEK. 5 Nr. 249).

Wiederentdeckung

Das Kunstmuseum Winterthur präsentierte im Jahr 1996 die Ausstellung „Sonja Sekula. 1918–1963“ und leitete damit ihre Wiederentdeckung der Künstlerin ein.

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