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Stimmungsimpressionismus | Stimmungsrealismus

Was ist der österreichische Stimmungsimpressionismus bzw. Stimmungsrealismus?

Die jungen österreichischen Landschaftsmaler des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts wurden nahezu alle während der 1860er Jahre vom „Gebirgsspezialisten“ Albert Zimmermann (1808–1888) an der Akademie der bildenden Künste ausgebildet. Einzig Tina Blau musste als Frau Privatunterricht nehmen und bildete sich in München an der Akademie weiter. Kurz vor 1870 etablierten diese Maler in Auseinandersetzung mit der Schule von Barbizon und der Haager Schule die österreichische paysage intime, die für das letzte Drittel der österreichischen Malerei des 19. Jahrhunderts prägend wurde. Gemälde von beiden Schulen konnten die österreichischen Maler Emil Jakob Schindler und Tina Blau, Eugen Jettel, Robert Russ und Rudolf Ribarz persönlich sehen: Sie waren auf der „I. Internationalen Kunst-Ausstellung“ im Münchner Glaspalast (1869) vertreten. Die Maler der Haager Schule feierten zudem auf der Weltausstellung in Wien 1873 ihren internationalen Durchbruch.

Vor allem mit dem Werk von Emil Jakob Schindler (1842–1892) wird die österreichische Stimmungslandschaft verbunden, war er doch als einziger schulbildend, da er Marie Egner, Olga Wisinger-Florian, Carl Moll unterrichtete und Theodor von Hörmann (→ Theodor von Hörmann. Impressionist aus Österreich) beriet. Auch die Landschaftsmalerin Tina Blau (1845–1916) erfreut sich bis heute großer Wertschätzung. Ihre Praterlandschaften gefielen bereits Kaiserin Elisabeth. Als erste Malerin Österreichs errang Tina Blau nationalen wie internationalen Ruhm und darf deshalb als die Pionierin der österreichischen Kunst von Frauen angesprochen werden. Im Gegensatz dazu sind Eugen Jettel, Rudolf Ribarz und Robert Russ trotz internationaler Karrieren nur noch einem Fachpublikum bekannt.  Jettel und Ribarz lebten während der 1870er und 1880er Jahre in Paris, wo sie u. a. mit Charles-François Daubigny (Charles-François Daubigny. Wegbereiter des Impressionismus), dem berühmtesten Landschaftsmaler Frankreichs während der 1870er Jahre, Bekanntschaft schlossen.

 

Wichtige Malerinnen und Maler des Stimmungsimpressionismus

Emil Jakob Schindler (1842–1892)

Emil Jakob Schindler

„Schöner und poetischer als der Mensch bleibt alles in der Natur. Was ich empfinde, wenn ich in der Natur lebe, das empfindet vielleicht kein Mensch […]“1 (Emil Jakob Schindler, Tagebucheintragung 1864)

Auch für Emil Jakob Schindler wurde die Schule von Barbizon und die Haager Schule von großer Bedeutung, als er sich von der pathetischen Alpenmalerei seines Lehrers Zimmermann abwandte. Für Schindler stellten die Gemälde von Théodore Rousseau, Jules Dupré, Narcisse Diaz de la Peña, Jean-Baptiste Camille Corot und Charles-François Daubigny wichtige Inspirationsquellen dar. Ergänzt wurden diese Wegbereiter durch Arbeiten der Maler der Schule von Den Haag. Bereits 1869 hatte Schindler, gemeinsam mit Jettel, Ribarz und Russ, die paysage intime gepflegt.

Im Jahr 1875 besuchte Emil Jakob Schindler gemeinsam mit Tina Blau die Niederlande. Dort sah er erstmals Werke von Jacob Maris, dessen Farbklang ihn sehr beeindruckte. Auch die später entstandenen Landschaften, in denen Schindler die Umgebung von Schloss Plankenberg in Niederösterreich darstellte, wirken wie die holländische Tiefebene. Tiefenraum suggerieren einzig die perspektivisch sich verkleinernden Bäume. Die poetische Tonmalerei Emil Jakob Schindlers verbindet Realismus und farbige Auflösung zu stimmigen Naturbildern.

 

Tina Blau (1845–1916)

Tina Blau

Die in Wien geborene Regina Leopoldine Blau war auf Privatunterricht angewiesen, da an der Wiener Akademie erst 1920 Frauen zum Kunststudium zugelassen wurden. Nachdem sie die „I. Internationaler Kunstausstellung“ im Münchner Glaspalast gesehen hatte, blieb die bereits verkaufende, junge Künstlerin in der bayrischen Hauptstadt, um sich bis 1874 bei Wilhelm Lindenschmit fortzubilden. Bereits 1866 hatte sie Emil Jakob Schindler kennengelernt, die Freundschaft zu ihm intensivierte sie jedoch erst nach ihrer Rückkehr nach Wien 1874. Ein Jahr später teilten sie sich ein Atelier und reisten auch gemeinsam nach Holland, was wohl durch Tina Blau initiiert und von ihr bezahlt worden ist. Wie Schindler entdeckte auch Tina Blau in Holland das Werk von Jacob Maris, der zur Haager Schule gezählt wird. Im Gegensatz zu Emil Jakob Schindler, der seine Gemälde im Atelier ausführte, berichtete Tina Blau, dass sie in Holland nach der Natur gemalt hätte.

„Ich liebe die tiefen und weichen Töne und die finde ich am ehesten in Holland und Ungarn.“ (Tina Blau)

Diese Überzeugung, die sich in vielen Landschaften mit grauem Wetter niederschlug, wandelte sich nach einer Italienreise (bis Rom und Neapel) im Frühling 1879. Ihr erfolgreichstes Bild ist „Frühling im Prater“ (1892), das wegen seines Realismus und seiner Helligkeit wie ein „Loch in der Wand“ empfunden wurde. Nur durch eine Fürsprache von Hans Makart konnte Tina Blau dieses Gemälde auf der „I. Internationalen Kunst-Ausstellung“ in Wien präsentieren.

 

Eugen Jettel (1845–1901)

Eugen Jettel war von 1869 bis 1869 Student in der Landschaftsklasse von Albert Zimmermann und damit Kollege von Rudolf Ribarz, Robert Russ und Emil Jakob Schindler. Früh wurde ihm eine „feine Empfindung“ der Landschaft nachgesagt. Im Jahr 1869 besuchte er die „I. Internationalen Kunst-Ausstellung“ im Münchner Glaspalast, wo er Gemälde der Schule von Barbizon und der Haager Schule sehen konnte. Eugen Jettel reiste als erster österreichischer Landschaftsmaler dieser Generation bereits um 1869/70 nach Holland und Nordfrankreich, wo er Flusslandschaften mit niedrigem Horizont malte. Anfangs bediente sich Jettel in seinen sich auflösenden Wasserlandschaften eines betont tiefenräumlichen Illusionismus, den er mit Hilfe eines Gerüsts aus in die tiefe fluchtenden Linien aufbaute. Damit wurde er der erste Österreicher, der in Wien realistische Holland-Landschaften ausstellte. Zwischen 1869 und 1873 bereiste er Mitteleuropa (1870 Ungarn, 1872/73 Italien bis Neapel und Sizilien gemeinsam mit Leopold Carl Müller).

Jettels Übersiedelung nach Paris im Jahr 1873 ging mit einer Neuorientierung seiner Malerei in Richtung einer „fließenden“ Landschaft einher. Ursächlich dafür dürften die Maler der Schule von Barbizon, namentlich Charles-François Daubigny, der erfolgreichste Landschaftsmaler der 1870er Jahre, sowie Théodore Rousseau, gewesen sein. Interessanterweise schloss er sich nie den Impressionismus an, sondern blieb der poetisch-realistischen Landschaftsauffassung verbunden. Noch in den 1890er Jahren malte er im Wald von Fontainebleau und bei Barbizon. Im Laufe der Jahre erprobte Jettel verschiedene Möglichkeiten, eine Landschaft zu komponieren, wobei der Vordergrund immer wichtiger und der Horizont immer höher angelegt wurden. Bis zu seinem Lebensabend widmete sich Eugen Jettel der Stimmungslandschaft, die trotz ihrer schlichten Motive ihm internationalen Erfolg brachten.

 

Rudolf Ribarz (1848–1904)

Ab dem Wintersemester 1864/65 studierte Rudolf Ribarz in der Landschaftsklasse von Albert Zimmermann an der Wiener Akademie. Wie seine Kommilitonen beschäftige er sich offenbar in der zweiten Hälfte der 1860er Jahre mit Werken der Schule von Barbizon, da auch Ribarz‘ Gemälde als paysage intime 1869 beschrieben wurden.

Im Jahr 1875 reiste er mit einem Empfehlungsschreiben von Remi van Haanen nach Brüssel, um einen Studienaufenthalt bei dem Bildhauer Charles van der Stappen zu absolvieren. Schon davor muss Ribarz Kontakte mit Künstlern in der Stadt geknüpft haben, da er mit zwei Gemälden („Herbstlandschaft mit Kühen, Niederösterreich“, „Landschaft mit Schafen“) auf der „Ausstellung Lebender Meister“ (1875 Brüssel) teilnahm. Zwischen 1876 und 1892 lebte Rudolf Ribarz in Paris, wo er Jules Dupré und Charles- François Daubigny kennenlernte. Im Jahr 1877 stellte er erstmals im Pariser Salon aus: „Ansicht von Dordrecht“. Vier weitere holländische Motive sandte er zur Pariser Weltausstellung 1878. Wie seine Kollegen wusste auch Rudolf Ribarz die perspektivische Konstruktion für seine Landschaften zu nutzen, wodurch er in Paris als Nachfolger der holländischen Schule wahrgenommen wurde. Ende der 1880er Jahre wurde der Vordergrund seiner Landschaften immer wichtiger, da er dort stilllebenartig Gemüse und Blumen arrangierte.

 

Olga Wisinger-Florian (1844–1926)

Olga Wisinger-Florian

Olga Wisinger-Florian (1844–1926) gehört zu den wichtigsten Landschafts- und Blumenmalerinnen der österreichischen Kunst zwischen 1885 und 1910. Die ausgebildete Pianistin nahm ab 1875 Malstunden, ihre Ausbildung vervollständigte sie im Atelier von Emil Jakob Schindler. Schon in den frühen 1880er Jahren konnte Olga Wisinger-Florian mit ihren stimmungsvollen Landschaften und Blumenstillleben erste Erfolge erzielen, die während der 1890er Jahre zu zahlreichen Ehrungen führten. Als Gründungsmitglied von „Acht Künstlerinnen“ (1900) und der Vereinigung Bildender Künstlerinnen Österreichs (VBKÖ) förderte sie Künstlerinnen und die Akzeptanz von weiblichem Kunstschaffen.

 

Marie Egner (1850–1940)

Marie Egner

Die in Radkersburg (Steiermark/Österreich) geborene Marie Egner studierte von 1867 bis 1872 an der Ständischen Zeichnungs-Akademie in Graz und von 1872 bis 1875 in Düsseldorf. Sie wandte sich früh der Landschaftsmalerei und hier vor allem der inteimen Landschaftsschilderung zu. Nachdem sie im November 1875 in Wien ein kleines Atelier eröffnet hatte, gab sie Mädchen Malunterricht, um sich finanziell als Künstlerin über Wasser zu halen. Im Jahr 1880 traf sie erstmals Emil Jakob Schindler, bei dem sie ab 1881 erneut Malunterricht nahm. Die ständig an sich hadernde Malerin wird zum Schindler-Kreis gezählt und  verbrachte die Sommermonate gemeinsam mit Schindler, Carl Moll (1861–1945) und Olga Wisinger-Florian auf Schloss Plankenberg. Da Marie Egner für ihren Lehrer schwärmte zog sie 1887/88 nach England, wo sie das englische Aquarell kennen und schätzen lernte. Die englische Aquarelltechnik ermutigte sie zu skizzenhaften, hellen Bildern, was auch ihre Gemälde veränderte. Ab 1891 stellte Marie Egner international aus und konnte in Wien reüssieren. Sie war eine der Gründerinnen der Künstlerinnengruppe „Acht Künstlerinnen“ (1900) und stellte auch in der Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs (VBKÖ) aus. Mit ihren pittoresken, intimen Landschaften und Stillleben begeisterte die Malerin bis in die 1920er Jahre hinein. Aufgrund einer Erblindung zog sie sich kurz vor ihrem Lebensende in ein Altersheim zurück.

 

Carl Moll (1861–1945)

Carl Moll

Der wichtigste Schüler Emil Jakob Schindlers war Carl Moll. Dieser unterzog sich einer zehnjährigen Ausbildungsphase bei Schindler, organisierte nach dessen Ableben 1892 den Nachlass, heiratete dessen Witwe und trat als Landschaftsmaler in Schindlers Fußstapfen. Molls poetisch-lyrische Naturauffassung war während der 1890er Jahre noch tief geprägt vom Stimmungsimpressionismus, obschon er sich mit Gotthardt Kuehl dem deutschen Impressionismus und später auch eines spätimpressionistischen und gespachtelt-expressiveren Duktus sowie leuchtender Farben bediente.

 

Robert Russ (1847–1922)

Robert Russ beschäftigte sich um 1870 ebenfalls mit der Schule von Barbizon und blickte auch in Richtung der Düsseldorfer Malerschule (Andreas Achenbach). Zwischen Oktober 1870 und Juni 1871 supplierte er die Professur der Landschaftsmalerei an der Akademie. Im Frühling 1872 besuchte Russ Deutschland und Holland. Er verknüpfte in den dort entstandenen Ansichten und Landschaften den Realismus Achenbachs mit Perspektive und holländischen Motiven.

 

Hugo Charlemont (1850–1939)

Charlemont konnte während der Weltausstellung in Wien 1873 ein Gemälde an den Grafen Edmund Zichy verkaufen und sich so eine Hollandreise leisten. Auch sein Landschaftsraum ist streng komponiert und rational nachvollziehbar. In der Folge widmete er sich vermehrt dem Stillleben.

 

Literatur

  • Stimmungsimpressionismus, hg. v. Gerbert Frodl, Verena Traeger (Ausst.-Kat. Österreichische Galerie Belvedere), Wien 2004.
  • Andrea Winklbauer, Kunst für Künstler. Wien und die Haager Schule, in: (Ausst.-Kat. Bank Austria Kunstforum), Wien 1996, S. 320–349.
  1. Zitiert nach Van Gogh und die Haager Schule, in: (Ausst.-Kat. Bank Austria Kunstforum, Wien), Wien 1996, S. 337.