Walter Leistikow

Wer war Walter Leistikow?

Walter Leistikow (Bromberg/Posen 25.10.1865–24.7.1908 Schlachtensee/Berlin) war ein deutscher Maler und Grafiker des deutschen Impressionismus. Leistikow entdeckte die Märkische Landschaft und wandelte sich Mitte der 1890er Jahre vom Realismus ab. Beeinflusst von Symbolismus und Impressionismus hellte er nach 1900 seine Palette auf und nutzte zunehmend breite Pinsel. Neben seinem malerischen Werk war Leistikows kulturpolitisches Agieren für die Berliner und deutsche Kunstszene höchst bedeutsam. Er gehörte zu den Mitbegründern der Ausstellungs- und Künstlergemeinschaften „Die XI“, „Berliner Secession“ und „Deutscher Werkbund“.

Kindheit

Walter Rudolf Leistikow wurde in Bromberg (heute: Bydgoszcz, Polen), als zweites von neun Kindern des Apothekers Karl Leistikow (1820–1893) und seiner Ehefrau Bertha Cäcilie Leistikow (geb. Hoyer, 1837–1912) geboren. Sein Geburtshaus stand in der Danziger Straße, an der Ecke zur Elisabethstraße, am Rande des Stadtzentrums. Dort befand sich auch die elterliche Magenbitter-Fabrik Kujawiak, die der Familie über Jahrzehnte ein erkleckliches Zusatzeinkommen beschwerte.

Bereits während seiner Schulzeit erhielt Walter Leistikow Zeichenunterricht bei dem Bromberger Maler Alexander Flotow.

Ausbildung

Mit 17 Jahren zog Walter Leistikow im März 1883 nach Berlin, um Künstler zu werden. Doch bereits nach einem halben Jahr wurde er von der Königlichen Akademie der Künste unter Anton von Werner (1843–1915) wegen Talentlosigkeit entlassen. Daraufhin nahm er Privatunterricht bei den Landschaftsmalern Hermann Eschke (bis 1885) und Hans Gude (bis 1887). Zwischen 1886/87 bis 1895 (nachweisbar) war Leistikow Mitglied des „Vereins Berliner Künster“. Im Jahr 1887 lernte Leistikow in Königsberg Lovis Corinth kennen (im Künstlerverein Nasser Lappen); 1889 versuchte er Corinth zum Umzug nach Berlin zu überreden und ab 1890 entwickelten sie eine lebenslange Freundschaft.

Von 1890 bis 1897 wohnte und arbeitete er im Atelierhaus Lützowstraße 82 und von 1890 bis 1893 lehrte er an der Kunstschule Berlin. Der Landschaftsmaler schloss Freundschaft mit den Geschwistern Marschalk, die Leistikow in den Friedrichshagener Kreis um die naturalistischen Literaten Wilhelm Bölsche, Max Halbe, Gebrüder Hart, Bruno Wille und Gerhart Hauptmann einführten. Auch mit Hauptmann verband Leistikow eine lebenslange Freundschaft; die Sommermonate verbrachte er meist in Friedrichshagen bei Berlin.

Gründungsmitglied der „Vereinigung der XI“ und der „Berliner Secession“

Leistikow beteiligte sich erstmals 1886 am Berliner Salon. Gemeinsam mit Max Liebermann und anderen gehörte Leistikow 1892 zu den elf Gründungsmitgliedern der oppositionellen Künstlergruppe „Vereinigung der XI“ (1892–1899). Die Künstler traten weder aus dem „Verein Berliner Künstler“ aus, noch boykottierten sie die „Große Berliner Kunstausstellung“ oder gaben sich ein Programm. Die Ausstellungsvereinigung eröffnete am 3. April 1892 ihre erste Ausstellung, die von der Kritik zerrissen wurde: Walter Leistikow hatte seinen Landschaften einer strengen formalen und farblichen Stilisierung unterzogen, die von Kritikern als „augenschmerzende Tonkombinationen“ beschrieben wurden.

Edvard Munchs Ausstellungseinladung 1892 vom „Verein Berliner Künstler“ führte in der Berlin zum Durchbruch der Moderne. Aufgrund massiver Proteste einer knappen Mehrheit des Vereins unter seinem Vorsitzenden Anton von Werner wurde die Schau nach nur einer Woche geschlossen. Angeregt durch die „Affäre Munch“, begann Walter Leistikow seine Tätigkeit als Kunstkritiker und wurde Mitglied der „Münchner Secession“.

„Für die große Ausstellung am Lehrter Bahnhof 1898 hatte er [Leistikow] wieder ein umfangreiches Werk eingeschickt: Schwarze Föhren mit einem Weg am Rande des Wassers, fliegende, von Abendrot gefärbte Wolken darüber. Er hatte viel Hoffnung auf dieses Bild gesetzt und – es wurde refüssiert. Dieser Misserfolg wurde die Ursache zur Gründung der Secession […]. Zu jener Zeit […] sah Leistikow klar ein, dass für ihn Vorteile und Erfolge in den Ausstellungen am Lehrter Bahnhof nie zu erringen waren. Deshalb setzte er alle Mittel, die ihm sein reicher Verstand bot, in Bewegung, um außer den Elfen des Vereins eine größere Gruppe jüngere Künstler zur Trennung von den großen Korporationen zu bewegen […]. Die modernsten Künstler Berlin folgten diesem Aufruf.“1 (Lovis Corinth, 1913)

Die angebliche Rückweisung des Gemäldes „Grunewaldsee“ von der Jury der „Großen Berliner Kunstausstellung“ 1898 als Gründungsanlass der Berliner Secession ist eine Legende. In der Folge hatte Leistikow gemeinsam mit Max Liebermann und Dora Hitz maßgeblichen Anteil an der Gründung der „Berliner Secession“ und wurde zum Schriftführer gewählt. Er drängte zum völligen Bruch mit dem „Verein Berliner Künstler“, was Liebermann anfangs nicht durchsetzen wollte aber an der Unnachgiebigkeit Anton von Werners scheiterte. Bis zu seinem Freitod im Jahr 1908 gehörte Leistikow dem Vorstand an. Corinth erinnerte sich, dass es Leistikow war, der gemeinsam mit Paul Cassirer Edouard ManetClaude MonetPaul CézannePaul Gauguin und den bereits verstorbenen Vincent van Gogh (1853-1890) für Deutschland entdeckte:

„Leistikow und der Geschäftsführer [der Berliner Secession, Anm. AM], der junge Kunsthändler Paul Cassirer, aber gingen noch weiter. Sie brachten nun die teils verpönten, teils unbekannten modernen Künstler des Auslandes vor Augen: Manet und Monet, die beiden berühmten Pariser; der bis dahin unbekannte Cézanne, welcher in Paris plötzlich noch lebend zur größten Anerkennung ausgegraben worden war, und Gauguin, in dem man das Vorbild des früher umstrittenen Norwegers Munch erkannte; ferner einen Holländer, von dem noch nie irgendeiner ein Sterbenswörtchen gehört hatte: van Gogh. Selbst Cassirer hatte ihn noch nicht gekannt; Leistikow hatte von ihm Werke in Kopenhagen gesehen. Die van Gogh’schen Bilder verblüfften ganz Berlin zuerst in solcher Weise, dass überall ironisches Gelächter und Achselzucken war. Aber die Secession brachte alljährlich immer wieder neue Werke von diesem Holländer, und heute wird van Gogh zu den besten und teuersten gezählt.“2 (Lovis Corinth, 1910)

Zu den weiteren kunstpolitischen Leistungen Leistikows gehörte auch die Gründung des „Deutschen Künstlerbundes“ zusammen mit Harry Graf Kessler 1903 in Weimar.

Werke: märkische Landschaften

Bis etwa 1890 schuf Walter Leistikow gefällige, mit Staffagefiguren belebte Landschaften. Noch vor 1892 fand der Maler zu einem wichtigsten Thema, der märkischen Landschaft, repräsentierte durch einen Ausschnitt abgeschiedener Natur. Die Werke werden als „empfindsamer Gegenentwurf zum städtischen Getriebe“3 gedeutet; der Künstler wurde deshalb häufig mit Theodor Fontane verglichen. Bereits vor seiner Paris-Reise setzte sich Leistikow mit dem französischen Impressionismus auseinander, vermittelt durch die Berlin Maler Franz Skarbina und Lesser Ury. Dennoch war Leistikow kein Plein-air-Maler, sondern schuf seinen Landschaften im Atelier nach vor der Natur angefertigten Naturstudien.

Um 1893 stand Walter Leistikow zeitweise dem Symbolismus nahe, dessen Farbgebung und Linienführung für ihn maßgebend blieben. In diesem Jahr reiste der Berliner Maler nach Paris, wo er den japanischen Farbholzschnitt entdeckte, sich intensiv damit auseinandersetzte und diesen verarbeitete.

Leistikow gilt als Entdecker der Märkischen Landschaft. Seine stimmungsvollen Darstellungen von Kiefernwaldungen und Waldseen sind Spiegelbilder einer melancholischen Seele. Er interessierte sich nicht für berühmte Ansichten, sondern für stimmungsvolle, atmosphärische Naturausschnitte, die er in unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten studierte. Sein Werk bleibt dem Naturalismus verpflichtet und nähert sich trotz des kunstpolitischen Engagements Leistikows für die Moderne erst spät dem Impressionismus. Dennoch arbeitete er lange mit tonigen Farbwerten, die er nach 1900 zunehmend aufhellte, breitem Pinsel und zunehmend diffuser Lichtstimmung. Während der 1890er Jahre nahm Leistikow jedoch vorübergehend und vereinzelt dekorative und stilisierende Elemente auf.

Leistikow wirkte auch als Kunsthandwerker und entwarf Möbel, Stoffe, Teppiche und Tapeten. Um 1902 war er für die Kölner Schokoladenfabrik Gebr. Stollwerck mit Entwürfen für Stollwerck-Sammelbilder tätig und entwarf u. a. die Serie „Deutsche Landschaften“ für das Sammelalbum No. 5. Zudem versuchte er sich als Schriftsteller. 1893 veröffentlichte er in der Freien Bühne die Novelle „Seine Cousine“, 1896 erschien sein Roman „Auf der Schwelle“, der aber nicht erfolgreich war. Neben Eugen Bracht gehört er zu jenen Malern, welche sich intensiv mit der Freilichtmalerei beschäftigten.

1907 wurde Walter Leistikow zum Professor ernannt. Zahlreiche Reisen führten ihn nach Paris, Skandinavien (vor allem Dänemark), Italien und ins Riesengebirge.

Familie

Leistikow war seit Dezember 1894 mit der aus Kopenhagen stammenden Kaufmannstochter Anna Catharina Mohr (1863–1950) verheiratet und hatte zwei Kinder, Gerda (1896–?) und Gunnar (1903–?). Auch sein Neffe Hans Leistikow (1892–1962) wurde als Gestalter und Grafiker bekannt.

Tod

Seit 1903 unheilbar erkrankt, kam es 1908 zu einer schweren Syphilis-Attacke. Walter Leistikow erschoss sich am 24. Juli 1908 während eines Aufenthalts im Sanatorium Hubertus in Berlin-Schlachtensee im Endstadium seiner langjährigen Syphilis-Erkrankung.

Nach einer großen ehrenvollen Trauerfeier im Berliner Secessionsgebäude wurde er am 29. Juli 1908 auf dem Friedhof Steglitz beigesetzt. Sein Grab ist ein Ehrengrab des Landes Berlin. Der Grabstein – ein Werk Franz Seecks von 1909 – wurde zum 100. Todestag erneuert. Die Grabstätte befindet sich in der Abt. Ih - Erbbegräbnis 251.

Beiträge zu Walter Leistikow

Ferdinand Hodler, Der Frühling, Detail, um 1907–1910 (© Privatsammlung Schweiz)

Berlin | Berlinische Galerie: Ferdinand Hodler und die Berliner Moderne


Die Präsentation in der Berlinischen Galerie versammelt rund 50 Gemälde von Ferdinand Hodler aus deutschen und Schweizer Sammlungen. Hinzu kommen weitere Werke von Künstler*innen, die mit Hodler zusammen in Berlin ausgestellt haben, darunter Lovis Corinth, Walter Leistikow, Hans Thoma und Julie Wolfthorn.
  1. Georg Biermann, Lovis Corinth (Künstler-Monographien) (1913), hg. v. Hermann Knackfuß, Bielefeld/Leipzig 1922, S. 61.
  2. Lovis Corinth, Das Leben Walter Leistikows. Ein Stück Berliner Kulturgeschichte, Berlin 1910, S. 55., Zit. n. Stefan Koldehoff, „Eben doch nur ein Künstler kleineren Stils“. Vincent van Gogh und der Kampf um die Moderne in Deutschland, in: Barbara Schaffer (Hg.), 1912. Mission Moderne. Die Jahrhundertschau des Sonderbundes (Ausst.-Kat. Wallraff-Richartz-Museum & Foundation Corboud, 31.8.–30.12.201), Köln 2012, S. 70–87, hier S. 70.
  3. Dominik Bertmann (Hg.), Von Liebermann zu Pechstein. Kunst der Berliner Secession. Sammlung Stadtmuseum Berlin, Berlin 2004, S. 83.