Wilhelm Lehmbruck: Biografie (Kurzbiografie und Lebenslauf)
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Wilhelm Lehmbruck: Biografie Kurzbiografie und Lebenslauf des deutschen Expressionisten

Anonymer Fotograf, Der 37-Jährige Wilhelm Lehmbruck, 1918, Silbergelatineabzug, 23,9 × 17,8 cm (Lehmbruck Museum, Duisburg)

Anonymer Fotograf, Der 37-Jährige Wilhelm Lehmbruck, 1918, Silbergelatineabzug, 23,9 × 17,8 cm (Lehmbruck Museum, Duisburg)

Wilhelm Lehmbruck (1881–1919) zählt zu den bedeutendsten Plastikern des deutschen Expressionismus. Der am 4. Januar 1881 als Sohn eines Tagelöhners geborene Lehmbruck studierte an der Düsseldorfer Kunstgewerbeschule (1895–1901) und der Düsseldorfer Akademie (1901–1906) bei Karl Janssen (1855–1927).

Der Besuch der Internationalen Kunstausstellung in Düsseldorf 1904, wo Wilhelm Lehmbruck erstmals Gegenwartskunst sehen konnte, brachte ihm das Werk von Auguste Rodin näher. Von 14. April bis 30. Juni 1907 war der junge Bildhauer mit vier Werken am „Salon der Société nationales des Beaux-Arts“ beteiligt. Während der damit verbundenen Reise nach Paris, entdeckte er die Skulpturen von Aristide Maillol. Anfangs waren seine wichtigsten Einnahmequellen Porträtaufträge und Grabplastiken. Zu seinen frühesten Förderern zählt der Großsammler Karl Ernst Osthaus, dessen Sohn Manfred Lehmbruck 1912 porträtierte. Lehmbrucks „Kleiner weiblicher Torso“ (oder „Hagener Torso“, frühester gesicherter Steinguss) wurde von Osthaus angekauft.

Lehmbruck in Paris

Anfang April 1910 übersiedelte Wilhelm Lehmbruck mit seiner Familie nach Paris, wo er im Künstlerviertel Montparnasse lebte. Unterstützt wurde Lehmbruck dabei finanziell durch den Düsseldorfer Sammler Carl Nolden. Anstelle von Rodins Werk wurde in dieser Phase Aristide Maillol für die stilistische Entwicklung von Lehmbruck wichtig. Außerdem beschäftigte sich Lehmbruck erstmals mit Malerei. Zu seinen heute berühmtesten Freunden zählten Alexander Archipenko und André Dunoyer de Segonzac. In den Pariser Künstlercafés traf er aber auch Henri Matisse, Pablo Picasso, Fernand Léger, André Derain, Rudolf Levy, Amedeo Modigliani, Constantin Brancusi.

Lehmbrucks Ausstellungsbeteiligung am „Salon der Société nationales des Beaux-Arts“ und im April am „Salon des Artistes Indépendants“ im Jahr 1911, wo er im Saal 41 gemeinsam mit den Kubisten präsentiert wurde, gilt als sein Durchbruch. In der Plastik „Die große Kniende“ wird der persönliche Stil Lehmbrucks, sein Expressionismus erstmals an den übersteigerten Proportionen und dem vergeistigten Ausdruck nachvollziehbar.

Internationaler Durchbruch

Zu den Ausstellungshöhepunkten in Lehmbrucks Leben zählt dessen Teilnahme an der „International Exhibition of Moden Art“ (1913), genannt Armory Show in New York und Chicago. Wilhelm Lehmbruck war als einziger deutscher Bildhauer vertreten und wurde im Saal der französische Künstler mit zwei Plastiken und einigen Zeichnungen präsentiert. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs bekam Wilhelm Lehmbruck seine erst Einzelausstellung in der Pariser Galerie Levesque (ab Juni 1914). In Deutschland war er Mitglied der neu gegründeten Freien Secession und stellte auf der Kölner Werkbundausstellung mit zwei Plastiken aus.

Lehmbruck im Ersten Weltkrieg

Nach Kriegsausbruch wurde Wilhelm Lehmbruck – wie viele seiner Freunde – des Landes verwiesen. Über Köln kam er Ende 1914 nach Berlin. Nach kurzem Militärdienst als Sanitäter und Kriegsmaler (1915) wurde Lehmbruck aufgrund seiner Schwerhörigkeit entlassen. Das Mannheimer Ehepaar Falk kaufte zwischen April 1916 und September 1917 über die Galerie Paul Cassirer die größte geschlossene Zahl an Lebzeitgüssen (heute in der Mannheimer Kunsthalle).

„Der Gestürzte“ (1915)

Am 10. November 1914 hatten deutsche und französische Infanteristen die Schlacht von Langemarck ausgefochten. Dabei verloren 2.000 junge, schlecht ausgebildete und miserabel ausgerüstete deutsche Soldaten ihr Leben. Die Heeresführung stilisierte deren massenhaften Tod zum „heldenhaften Opfergang junger Soldaten“. Zudem propagierte man die verlustreiche Schlacht als moralischen Sieg Deutschlands. In diesem Sinne wollte auch die Stadt Duisburg einen Ehrenfriedhof für ihre Gefallenen errichten und schrieb einen Wettbewerb aus. Die Stadtväter wünschten sich einen „Siegenden Siegfried“ als Symbolfigur ihres Kriegerdenkmals und luden Wilhelm Lehmbruck als den bekanntesten Bildhauer der Stadt zum Wettbewerb ein.

Lehmbruck weigerte sich, an der aus seiner Perspektive falschen Heldenverehrung teilzunehmen. Stattdessen gestaltete er selbständig einen „Gestürzten“ (1915) mit Schwert. Auf allen Vieren kriecht der Nackte am Boden und präsentiert seinen Nacken. Ohne Uniform ist nicht einmal seine Nationalität erkennbar. Das Schwert ist im Stellungskrieg nutzlos geworden, der heldenhafte Zweikampf einem Vernichtungsfeldzug gewichen. Möglicherweise drückte Wilhelm Lehmbruck mit dieser Skulptur nicht nur seine Haltung zu Krieg und Heldenverehrung aus, sondern beschrieb auch sich selbst und seine Position als Künstler.

Zürcher Jahre

Ab Dezember 1916 lebte Wilhelm Lehmbruck in Zürich, um dort das Kriegsende abzuwarten. Im Januar holte er seine Familie nach, und Anfang Februar wurde sein dritter Sohn Guido geboren. Nach der Begegnung mit der Schauspielerin Elisabeth Bergner, in die er sich hoffnungslos aber leidenschaftlich verliebte, entfremdete er sich von seiner Frau. Fritz von Unruh berichtete bereits über starke Gemütsschwankungen des Bildhauers. Trotz des Kriegs gelang es Lehmbruck in diesen Jahren vermehrt auszustellen: Einer Retrospektive in der Kunsthalle Basel (September 1917) folgte im Sommer 1918 die Teilnahme an der Ausstellung den Freien Secession in Berlin und der Secession München.

Freitod 1919 und Nachruhm

Anfang des Jahres 1919 reiste Wilhelm Lehmbruck zum letzten Mal nach Berlin. Dass er am 24. Januar in die Preußische Akademie der Künste in Berlin gewählt worden war (gemeinsam mit Lovis Corinth, Georg Kolbe, Franz Metzner, Käthe Kollwitz und Ernst Barlach), dürfte er nicht mehr erfahren haben. Der expressionistische Plastiker nahm sich am 26. März 1919 in seinem Berliner Atelier das Leben, nachdem Elisabeth Bergner seine Annäherungsversuche ignoriert hatte. Am 4. April fand das Begräbnis statt, an dem u. a. Käthe Kollwitz (1867–1945) teilnahm. Paul Westheim veröffentlichte die erste Monografie über den Bildhauer.

Lehmbrucks „Kniender“, heute seine berühmteste Plastik, wurde 1937 auf der „Entartete Kunst“-Ausstellung in München gezeigt. Die Wiedergutmachung erfolgte 1955 auf der documenta I und erneut auf der documenta III im Jahr 1964. Im Juni 1962 wurde Lehmbruck auf den Waldfriedhof in Duisburg umgebettet und 1964 das Lehmbruck Museum in Duisburg eröffnet.

Ehe / Beziehung

  • Anita (geb. Kaufmann): ⚭ 6.6.1908
  • Elisabeth Bergner: Wilhelm Lehmbruck verliebte sich 1917 hoffnungslos in die junge Schauspielerin.

Kinder

  • Gustav Wilhelm Lehmbruck, genannt Guwi (11.3.1909)
  • Manfred Lehmbruck (13.6.1913)
  • Guido Lehmbruck (2.2.1917)

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Beiträge zu Vorbildern und Künstlerfreunden

Biografie von Wilhelm Lehmbruck (1881–1919)

    Alexandra Matzner
    Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.