Chaim Soutine (Smilowitschi 13.1.1893–9.8.1943 Paris) war ein französischer Maler des Expressionismus mit weißrussisch-jüdischen Wurzeln, der 1913 nach Paris ging. Während des Ersten Weltkriegs zählte er zur Avantgarde rund um Amedeo Modigliani und Maurice Utrillo. Gefördert vom Kunsthändler Léopold Zborowski und dem amerikanischen Sammler Albert C. Barnes, avancierte Soutine in den frühen 1920er Jahren zu einem der gefragtesten Maler der École de Paris [Schule von Paris]. Seine expressiven Gemälde zeigen verzerrte Landschaften, übersteigerte Porträts und an Alten Meistern geschulte Stillleben. Die Biografie des Einzelgängers Soutine wurde so oft umgeschrieben und neu erzählt, dass man besser vom „Mythos Soutine“ sprechen sollte.
Chaim Soutine wurde als Chaim-Iche Solomonowitsch Sutin vermutlich am 13. Januar 1893 in Smilowitschi (auch: Smilawitschy, ehem. Kaiserreich Russland, heute: Weißrussland) geboren. Er war das zehnte von elf Kindern des armen jüdischen Flickschneiders Zalman. Das Stetl Smilawitschy liegt 20 Kilometer von Minsk entfernt, hatte 4.000 Einwohner*innen und bestand aus einer Ansammlung baufälliger Holzhäuser. Seine Mutter war früh gealtert, immer voller Sorgen und schweigsam, und ging nicht besonders liebevoll mit ihren zahlreichen Kindern um.
Um 1900 zeichnete Soutine gern und machte auf jedem verfügbaren Fetzen Papier Skizzen oder bemalte die Wände mit Holzkohle. Auf Wunsch seines Vaters sollte er Schuster oder Schneider werden. Da im Judentum das Darstellen von Menschen verboten ist, wurde der junge Soutine von seinen streng religiösen Eltern oft für seine Zeichnungen bestraft. Wie sich seine Bekannten später erinnerten, äußerte er sich immer mit Verbitterung über seine Kindheit.
Im Alter von zehn Jahren kam Chaim Soutine zu seiner älteren Schwester und ihrem Mann, der Schneider war (1903). Um 1906 brachte ihn sein Vater bei einem Fotografen unter, bei dem Soutine einige Retuschierarbeiten erledigte. Soutine liebte es, Fotografien zu kopieren. Häufig fertigte er Vergrößerungen von Fotografien an, welche die Bewohner*innen der Stadt ob der Ähnlichkeit mit den Quellen erstaunte.
Weil Soutine um 1907 einen orthodoxen Juden (Rabbiner?) malen wollte und damit heilige Gebote verletzte, wurde er von dessen Söhnen schwer misshandelt. Mit dem Bußgeld von 25 Rubeln übersiedelte Soutine nach Minsk, „der erste Schritt in eine größere Welt“. Dort machte er eine Fotografenlehre und besuchte die Malschule von Jakov Kruger.
Mit Michel Kikoïne (1892–1968) fuhr Chaim Soutine 1909 nach Wilna, auch in der Hoffnung, an der Kunstakademie Wilna studieren zu können. Eine erste Bewerbung blieb erfolglos, doch im zweiten Anlauf wurde er 1910 von der Kunstakademie für ein dreijähriges Studium angenommen, das er 1913 abschloss. In Wilna lernte Soutine Pinchus Krémègne (1890–1981) kennen.
Während seines Studiums in Wilna sparte Chaim Soutine genügend Geld für eine Zugfahrkarte nach Frankreich. Er kam im Juli 1913 in Paris an. Bereits ein Jahr zuvor war Krémègne dorthin übersiedelt. Soutine fand Unterschlupf bei Künstlerfreunden in „La Ruche [Bienenstock]“, einem ehemaligen Ausstellungsgebäude am Montparnasse, 15. Arrondissement, in dem viele Ateliers untergebracht waren. Dort hausten auch Marc Chagall, Fernand Léger, Ossip Zadkine, Moise Kisling, Henri Laurens und Alexander Archipenko in bitterster Armut.
Im Herbst wurde Soutine als Schüler an der École des Beaux-Arts aufgenommen und besuchte zwei Jahre lang die Klasse von Fernand Cormon (1845–1924). Soutine ging häufig in den Louvre und bewunderte dort die Werke der Alten Meister. Vorbilder fand er in El Greco, Diego Velázquez und Rembrandt van Rijn. Darüber hinaus begeisterte er sich für Jean Fouquet, Jacopo Tintoretto, Francisco de Goya, Raffael, Ingres, Gustave Courbet. Am stärksten beeinflusst wurde er jedoch durch Paul Cézanne, Vincent van Gogh und Pierre Bonnard.
Im Jahr 1915 stellte der Bildhauer Jacques Lipchitz (1891–1973) Chaim Soutine den aus Italien stammenden Maler Amedeo Modigliani (1884–1920) vor. Beide verband rasch eine enge Freundschaft. Modigliani wurde ein früher Förderer Soutines und stellte ihn 1916 seinem Mäzen und Kunsthändler Leopold Zborowski vor. Bis zu seinem Tod 1920 schuf Modigliani unter anderem fünf Porträts von Soutine. Ob Modigliani seinen Freund zum Alkoholkonsum gebracht hat, ist schwer nachzuweisen. Bereits früh litt Soutine an Magenschmerzen, die vermutlich durch die schlechte Ernährung in seiner Jugend ausgelöst worden ausgelöst worden waren. Daher musste der Maler häufig Diät halten und auf das Trinken verzichten.
Mit Gelegenheitsjobs besserte sich Soutine 1916 seine prekäre finanziellen Einkünfte ein wenig auf. Er arbeitete als Gepäcksträger am Bahnhof, als Arbeiter bei Renault und als Dekorateur für den Salon d’Automobildes im Grand Palais. Während des Krieges meldete er sich für die Arbeitsbrigade und hob Schützengräben aus. Aus Gesundheitsgründen wurde er aber bald wieder entlassen. Soutine übersiedelte in die Cité Falguière. Seine Nachbarn waren die Bildhauer Jacques Lipchitz und Modigliani. Obwohl er sich regelmäßig mit Archipenko und Lipchitz austauschte, konnte Soutine dem Kubismus nichts abgewinnen. Seine Lebensumstände blieben weiterhin trist, auch wenn der polnische Dichter und Kunsthändler Léopold Zborowski sein Agent wurde und ihm 5 Franc für das Vorkaufsrecht seiner Bilder bot.
Chaim Soutine malte 1916/17 eine Reihe von Stillleben, in denen er dürftige Mahlzeiten in dunklen Farben darstellte. Zunehmend sprach er der Farbe Eigenständigkeit zu und löste sich von der mimetischen Darstellung des Gesehenen. Die verflachten und verzerrten Formen unterscheiden sich jedoch grundlegend von Paul Cézannes Umgang mit Volumen.
Anfang 1918 schuf Soutine einige Bildern, in denen der Einfluss Bonnards deutlich wird. Er lernte vom Spätimpressionisten, wie man Farbe noch „nass“ und in dichtstrukturierter Malweise verarbeitete. Dem Bombardement von Paris entkam er 1918, indem er in den Süden Frankreichs floh - gemeinsam mit Modigliani, Zborowski und dessen Freundin Hanka.
Der Maler verließ 1918 zum ersten Mal seit seiner Ankunft in Frankreich Paris und fuhr zusammen mit Modigliani nach Vence und Cagnes-sur-Mer in Südfrankreich. In diesen Jahren lebte Soutine in äußerster materieller Not und musste oft hungern, was eine chronische Magenerkrankung zur Folge hatte.
Chaim Soutine wandte sich 1918/19 dem Blumen-Stillleben zu und stellte Gladiolen, Rosen und blühenden Flieder dar. In dieser Phase wandte sich der Maler gänzlich der malerischen Behandlung der Motive zu und unterdrückte die Zeichnung. Obschon er sich der Flora widmete, nutzte Soutine weiterhin dunkle Farbtöne, die er zu einer dichten Farbkruste
Zborowski schickte Soutine 1919 nach Céret in der Region Languedoc-Roussillon nahe den französischen Pyrenäen und der spanischen Grenze. Céret galt lange als Malerstadt und „Mekka des Kubismus“ (André Salmon), da Pablo Picasso, Georges Braque und Juan Gris dort zwischen 1910 und 1913 gelebt und gearbeitet hatten. Der Maler übersiedelte für etwa drei Jahre dorthin. Die niederschmetternde Nachricht vom Tod Modiglianis am 24. Januar 1920 erreichte Chaim Soutine in Cagnes.
In Céret malte Soutine hauptsächlich hochexpressive Landschaften, aber einige Porträts der Bewohner*innen der Stadt nehmen in seinem Gesamtwerk einen besonderen Platz ein. Soutines stilistische Entwicklung in Céret zeigt sich am deutlichsten in seinen Landschaften und wenigen Porträts, darunter die Serie „Betender Männer“. Er arbeitete wie besessen vor dem Motiv und entwickelte seinen ganz persönlichen Stil, gekennzeichnet von Verzerrung und einer dynamischen Pinselführung. Bereits 1921 zeigte er erste Werke auf zwei Gruppenausstellungen im Café Parnasse sowie der Galerie Devambez in Paris. Ende 1922 kehrte Soutine mit etwa 200 Gemälden nach Paris zurück, welche viele Kritiker als die besten seiner Karriere bezeichneten.
Im Januar 1923 erwarb der US-amerikanischen Arzt, Pharmaunternehmer und Kunstsammler Albert C. Barnes (1872–1951) 54 Werke des bis dahin völlig unbekannten Soutine. Sein Kunsthändler und „Agent“ Paul Guillaume (1891–1934) hatte ein Porträt eines Zuckerbäckers von Soutine im Atelier von Modigliani entdeckt, und Dr. Barnes begeisterte sich spontan für dessen Kunst. Barnes zahlte dafür an die 60.000 Franc; 1936 kaufte er weitere sechs Gemälde. Die Céret-Bilder, die den Maler über Nacht berühmt und reich machten, entsprachen jedoch nicht den Vorstellungen Soutines und dieser unternahm alles (Tausch, Rückkauf), um sie zerstören zu können.
In dieser Zeit lernt er im Café Rotonde die erfolgreiche Kunsthändlerin und Inneneinrichterin Madeleine Castaing (1894–1992) und ihren Mann, den Kunstkritiker Marcelin Castaing, kennen. Ihr erstes Treffen verlief stürmisch, dennoch wurden sie Soutines Mäzene. Da der Maler ihnen als brotloser, aber talentierter Künstler vorgestellt wurde, boten sie an, ihm ein Werk abzukaufen und 100 Franc als Anzahlung. Soutine verstand diese Geste als Affront, da die Castaings seine Bilder gar nicht gesehen hatten. Erst im Laufe der Zeit entstand eine Freundschaft zwischen den Castaigns und dem Maler. Im Jahr 1928 malte er ein Porträt von Madame Castaign. Nach dem Tod von Léopold Zborowski am 24. März 1932 hatten die Castaigns das Vorkaufsrecht für jedes Soutine-Gemälde zum vollen Preis.
Weitere Ankäufe von Sammlern 1923 riefen eine immense Nachfrage nach Soutines Bildern hervor. Damit hörten seine finanziellen Sorgen auf, und er legte plötzlich extremes Augenmerk auf gute Kleidung, allen voran trug er gerne englische Anzüge in Blau mit Seidenkrawatten. Die neue Reputation führte dazu, dass Guillaume im Oktober-Heft von Les arts à Paris einen ersten Artikel über Chaim Soutine publizierte, dem 1926 ein weiterer von Waldemar-George (1893–1970) in L’amour de l’art folgte.
Die Pariser Galerie „Henri Bing“ organisierte im Mai 1927 Chaim Soutines erste Einzelausstellung. Der Künstler weigerte sich an der Eröffnung teilzunehmen. Die beiden kurz darauf publizierten Monografien von Waldemar-George (1928) und Élie Faure (1929) sind auch heute noch wichtige Quellen für die Biografie und hellsichtige Analysen von Soutines Werken.
Chaim Soutine pflegte zeitlebens einen nomadischen Lebensstil. Er zog in Paris häufig um und pendelte von 1923 bis 1925 zwischen Cagnes-sur-Mer, wo Pierre-Auguste Renoir bis zu seinem Tod gelebt hatte, oder benachbarten Dörfern und Paris.
Er malte ab 1923 eine Serie von Stillleben mit Rochen, Hühnern und Hasen, aber auch Landschaften und Porträts. Soutine wandte sich, vor allem in Bezug auf seine Stillleben, immer mehr den Alten Meistern zu. Er stellte in seinem Atelier Kompositionen nach, die er zuvor im Louvre gesehen hatte, und malte diese. So lassen sich die Stillleben mit Rochen motivisch auf Jean-Baptiste Chardins „Stillleben mit Rochen“ (um 1728, Louvre) zurückführen.
Soutine traf 1925 Deborah Melnik, eine Jüdin, die er aus Wilna kannte und die seine Lebensgefährtin wurde. Als sie die Tochter Aimée gebar, bestritt Soutine die Vaterschaft und verließ Mutter und Kind. Deborah Melnik brachte eine Klage gegen Soutine ein, die sie jedoch verlor. In diesem Jahr reiste Soutine erstmals nach Amsterdam, wo er im Rijksmuseum die Werke Rembrandts studierte. Kurz darauf zog er in ein Atelier in der rue du Saint-Gothard, wo er seine berühmtesten Stillleben schuf.
Zwischen 1925 und 1929 lebte Soutine großteils in Paris, zog allerdings ständig um, um sich aus seiner Lethargie zu reißen. Seine Bilder aus dieser Zeit thematisierten überwiegend Stillleben; tote Fasane, Truthähne, Kaninchen und Ochsenkadaver. Auch während eines Aufenthalts in Le Blanc, Indre, gemeinsam mit dem Modell Paulette Jourdain, malte er 1926 Stillleben mit toten Tieren, meist Truthähnen, Hühnern und Fasanen, sowie Kaninchen. Es könnten ihn dazu die Jagdstillleben niederländischer und flämischer Maler des Barock inspiriert haben.
In Anlehnung an Rembrandt entstanden 1925/26 im Pariser Atelier in der rue du Mont St. Gothard Gemälde von geschlachteten Rindern. Auch hier lehnte sich der Maler an ein Werk im Louvre von 1655 an, wobei er jedoch den narrativen Gehalt der Szene wegließ.
Eine Anekdote vermittelt die Intensität, mit der Soutine sich dem Thema widmete: 1925 und 1926 umgab er sich die meiste Zeit mit verrottendem Fleisch aus dem Schlachthof, um seine berühmten Gemälde von geschlachteten Ochsen zu malen. Soutines Nachbarn hätten die Polizei angerufen, um sich über den ekelhaften Gestank aus seinem Atelier zu beschweren. Soutine gelang es, die Behörden davon zu überzeugen, dass er das rohe Fleisch behalten dürfte, bis er die Gemälde fertiggestellt hätte – allerdings unter der Bedingung, dass er es mit Formaldehyd besprühte. Als Chaim Soutine entdeckte, dass die Chemikalien das Schlachtvieh austrockneten, begann er, frisches Blut über das Fleisch zu spritzen. Einigen Berichten zufolge bemerkte Marc Chagall, wie Blut unter der Ateliertür hervorquoll. Daraufhin rannte er die Straße entlang und schrie: „Soutine wurde getötet!“ Genau diese lebensechten Darstellungen des verrottenden Fleisches, das Ausreizen von Farbe – Farbton wie Farbkörper – ließen Chaim Soutine nach dem Zweiten Weltkrieg zum Vorläufer einer aufgelösten Figuration und haptischen Malerei werden: Francis Bacon, Jackson Pollock und allen voran Willem de Kooning.
Chaim Soutine begeisterte sich in den Jahren von 1926 bis 1929 in seinem Werk auffallend oft für Uniformen und malte vermehrt Bilder von Zuckerbäckern, Chorknaben in ihren Roben und Hotelangestellten, von Dienern und Pagen. Die Farben Rot, Weiß und Blau gehörten in dieser Phase zu den am häufigsten eingesetzten in Soutines Werk.
Die Stillleben mit toten Tieren bzw. aufgetürmtem Essen und die Protagonisten aus der Arbeiterschicht dürften einander ergänzen. Es wird vermutet, dass Chaim Soutine mit diesen Sujets seine harte Kindheit und von Armut geprägten Anfangsjahre bewältigen und vergessen machen wollte.
Ab 1928 pflegte Chaim Soutine eine Feundschaft mit Marcellin und Madeleine Castaign. Er verbrachte die Sommermonate der Jahre 1930 bis 1935 auf ihrem Landschloss in der Nähe von Chartres. Seine Mäzene Marcellin und Madeleine Castaing wohnten in Lèves, Eure-et-Loire. Der Einfluss von Rembrandt, Corot und Courbet auf Soutine Kunst wurde immer offenkundiger. Soutine malte vor allem Landschaften, Landhäuser mit ihren Mägden, Dienern und Zofen sowie die Kathedrale von Chartres. Anstellte toter Tiere bevölkern ab dieser Phase immer öfter lebende Tiere seine Bilder.
In den Vereinigten Staaten war Chaim Soutine aufgrund seiner Präsenz in der Foundation Barnes kein Unbekannter. Bereits in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre war er in Galerieausstellungen vertreten; Alfred Barr zeigte Soutine in der Schau „Painting in Paris, from American Collections" im MoMA (18.1.–2.3.1930). Im Jahr 1935 wurden Soutines Werke im Chicago Arts Club ausgestellt (13.–30. Dezember), seine erste US-amerikanische Einzelausstellung. Es folgten Einzelausstellungen in der Valentine Gallery, New York City (3.–22.2.1936), der Mrs. Cornelius J. Sullivan Gallery (ab 24.2.1936) und 1938; „Carstairs“, 1940) und in den Leicester Galleries in London (1937).
Chaim Soutine begegnete 1937 Gerda Groth (geb. Michaelis), einer deutsch-jüdischen Emigrantin aus dem nationalsozialistischen Deutschland, der er den Spitznamen „Mademoiselle Garde“ gab. Häufig auftretende und ernsthafte Magenproblemen machten Soutine schwer zu schaffen. Dr. Tennent diagnostizierte Magengeschwüre und gab dem Maler nur mehr fünf bis sechs Jahre zu leben. Er bekam eine neue Therapie verschrieben und erholte sich wieder.
Bis 1939 lebte und arbeitete Soutine in der Villa Seurat nahe der rue de la Tombe-Issoire. Garde zog zu ihm ein und gab ihm jene psychische und physische Stabilität, die der Maler offenkundig sehr benötigte. Das Paar besuchte jeden Sonntag den Louvre und begeisterte sich für die ägyptischen und griechisch-antiken Skulpturen. An den Samstagvormittagen ging es auf Flohmärkte, wo Soutine alte Leinwände kaufte, auf die er gerne malte. Am Abend traf man Garde und Soutine bei Ringkämpfen oder im Kino. Salvador Dalí, Henry Miller, Anaïs Nin und die Bildhauerin Chana Orloff, die ihn in den 1920er Jahren schon porträtiert hatte, waren ihre Nachbarn. Die Maler Grégoire Michonze (1902–1982), Kostia Téréchkovitch (1902–1978) und Paul Mansouroff (1896–1983) gehörten zu seinem Freundeskreis.
Im Sommer 1939 reisten Soutine und Gerda Groth auf Einladung ihres Freundes Udo Einsidl nach Civry-sur-Seine, einer kleinen Stadt im Departement Yonne (in der Nähe von Auxerre). Soutine malte in Civry hauptsächlich Landschaften, in die er erstmals Kinder einband. Erstmals beschäftigte sich der Künstler auch mit dem Medium Zeichnung.
Als im September 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach, wurde Soutine und Groth als „Ausländern“ untersagt, Civry zu verlassen. Durch Vermittlung einflussreicher Freunde und Sammler in Regierungspositionen – Albert Sarraut und André Dubois im Innenministerium – erhielt Soutine zwar die Erlaubnis „aus medizinischen Gründen“ nach Paris zurückzukehren – Gerda Groth aber nicht. Nach mehreren Monaten zähen und erfolglosen Verhandlungen kehrten Soutine und Groth Ende April 1940 heimlich nach Paris zurück.
Am 15. Mai 1940 wurden alle in Paris lebenden Deutschen zu feindlichen Ausländern erklärt. Nach Ausbruch der Kampfhandlungen wurde Gerda Groth von den Franzosen in das Internierungslager Camp de Gurs in den Pyrenäen deportiert. Sie wurde nach drei Monaten wieder entlassen und überlebte den Krieg, sie sah aber Soutine nie wieder.
Unter der deutschen Besatzung von Nordfrankreich und Paris ab Juli 1940 war Soutine als registrierter Jude gezwungen, außerhalb von Paris in kleinen Orten Zuflucht zu suchen. Aus unerklärlichen Gründen wies Soutine eine Einladung aus den USA zurück. Er hätte angeführt, dass es in Amerika keine „malbaren Bäume“ geben würde (Alfred Werner). Im Oktober 1940 musste sich Chaim Soutine im Rahmen der Volkszählung als „Jude“ registrieren. Der Aufenthalt in Paris wurde für Soutine immer gefährlicher.
Im November 1940 begann Soutine eine Beziehung mit Marie-Berthe Aurenche (1906–1960), der ehemaligen Frau von Max Ernst. Marie-Berthe war ihm von Madame Castaing und Maurice Sachs einige Monate zuvor im Café vorgestellt worden.
Aus Angst vor den Nazis versteckten sich Soutine und Marie-Berthe Aurenche ab Anfang 1941 beim Maler Marcel Laloé in Paris. Laloé organisierte für die beiden ein Versteck auf dem Lande. Der befreundete Bürgermeister von Richelieu, Fernand Moulin, verhalf ihnen zu falschen Papieren und brachte sie im nahegelegenen Dorf Champigny-sur-Veude unter. Soutine war mit seiner neuen Umgebung unzufrieden, da ihm die Bäume nicht gekrümmt genug erschienen. Dennoch gelang es ihm bald, eine Serie von Landschaften aber auch Mutter-Kind-Bilder zu malen. Da sie wiederholt mit der Denunziation bedroht wurden, wechselte das Paar häufig seine Unterkünfte. Zusehends verschlechterte sich Soutines Gesundheitszustand.
Anfang August 1943 erlitt Chaim Soutine einen schweren Magendurchbruch und wurde in das Krankenhaus von Chinon gebrachte. Dort verweigerte Marie-Berthe ihre Zustimmung zu einer Operation. In einem Leichenwagen versteckt, fuhren sie über die Normandie nach Paris. Die Fahrt dauerte 24 Stunden. Die Pariser Ärzte diagnostizierten am 7. August einen Magendurchbruch mit inneren Blutungen. Trotz der Notoperation durch den berühmten Arzt Dr. Grosset starb Chaim Soutine am 9. August 1943 an inneren Blutungen.
Am 11. August wurde der Maler Soutine auf dem Friedhof Montparnasse beigesetzt. Unter den wenigen Trauergästen waren angeblich Pablo Picasso, Max Jacob und Jean Cocteau. Nach Soutines plötzlichem Tod verkaufte Marie-Berthe die im Nachlass verbliebenen Werke zu niedrigen Preisen. Soutines Tochter (?) und eine Schwester (wohl in Amerika) erbten nichts.
Chaim Soutine war (vermutlich) nie verheiratet. Er pflegte nachweislich Beziehungen mit folgenden Frauen:
Vielleicht hatte Chaim Soutine eine Tochter, genannt Aimée, gemeinsam mit Deborah Melnik. Allerdings stritt der Künstler die Vaterschaft ab, verließ Mutter und Kind und gewann einen gegen ihn angestrengten Prozess.