Marina Abramović
Wer ist Marina Abramović?
Marina Abramović (* 30.11.1946, Belgrad, Serbien) ist eine Pionierin der Performance-Kunst und einer der berühmtesten lebenden Künstlerinnen der Gegenwart (→ Zeitgenössische Kunst).
„Kunst ist die Transformation von Materie.“ (Marina Abramović)
Die aus Serbien stammende Abramović arbeitet in den Medien Malerei, Intervention und Sound, sie schuf Viodearbeiten, Installationen, Fotografien, Objekte, Soloperformances und solche mit Partner wie Ulay (Uwe Laysiepen), in denen „der Prozess wichtier wäre als das Resultat“. Seit den 1970er Jahren benutzt sie ihren Körper als Subjekt und als Medium in ihren strapaziösen Langzeit-Performances, um physische, mentale und emotionale Grenzen zu testen – oft riskiert sie sogar ihr Leben auf der Suche nach erhöhtem Bewusstsein, Transzendenz und Selbstverwandlung. Im Zentrum ihrer künstlerischen Praxis steht auch Machtstrukturen und Hierarchien zu hinterfragen. Dennoch ist Marina Abramovićs Werk nie explizit politisch.
Das Konzept der Zeit ist in den Arbeiten der serbischen Künstlerin ein ebenso wichtiger Aspekt wie die Einbindung des Publikums, so auch in der Aktion „Thomas Lips“ (1975) in der Galerie Krinzinger und in ihren Performances „Seven Easy Pieces“ (2005) im Guggenheim Museum, New York, „The Artist is Present“ (2010) im Rahmen ihrer gleichnamigen Retrospektive im MoMA, New York oder „512 Hours“ (2014) in der Londoner Serpentine Gallery. Ihre jüngste Performance trägt den Titel „Two Hearts“ und wird 2018 in der Bundeskunsthalle Bonn zu sehen sein.
Frühe Arbeiten in Belgrad (1969–1975)
Marina Abramović wurde von ihrer christlichen Großmutter und ihren Eltern erzogen, letztere waren unter Tito Partisanen. Bis 1970 studierte Abramović Malerei an der Kunstakademie in Belgrad. Nach ihrem Abschluss wandte sie sich der Konzeptkunst, der Soundarbeit und der Performance zu. 1973 lernte sie Joseph Beuys kennen, dessen Kunstauffassung sie tief beeindruckte. Seit Beginn ihrer Karriere in Belgrad in den frühen 1970er Jahren leistet Marina Abramović mit ihren Performances als visuelle Kunstform Pionierarbeit und schuf in dieser Phase einige ihrer wichtigsten frühen Werke. Der Körper war immer ihr Subjekt und Medium; weiters steht Spiritualität (ohne religiöse Bindung) im Zentrum ihres Denkens. In ihren Arbeiten, die die einfachen Handlungen des täglichen Lebens ritualisieren, lotet sie ihre körperlichen und mentalen Grenzen aus und hält Schmerzen, Erschöpfung und Gefahr auf ihrer Suche nach emotionaler und spiritueller Transformation stand (vergleiche Chris Burden, Vito Acconci, Gina Pane). In frühen Werken experimentierte Marina Abramović mit einer rituellen Dramaturgie, die jener des Martyriums ähnelt. Dabei nutzte sie auch Symbole und Objekte, die religiös aufgeladen sind: Stern, Kreuz, Eis und Feuer, Honig und Wein.
Mit „Rhythm 0“ (1974) konfrontierte die Künstlerin ihr Publikum mit einem Setting, in dem sie sich mit 72 Objekten auf einem Tisch präsentierte. Zu den Objekten gehörten Scheren, ein Messer, eine Peitsche, eine Pistole und eine einzige Kugel. Die Zuschauer wurden von Marina Abramović aufgefordert, während der sechsstündigen Performance mit diesen Objekten an ihr auszuprobieren, was sie wollten. Am Ende der Performance waren alle ihre Kleidungsstücke aufgeschlitzt, sie war geschnitten worden angemalt, gereinigt, dekoriert, gekrönt mit Dornen und die geladene Waffe war gegen ihren Kopf gehalten worden. Die Performance wurde in 35mm Dias aufgezeichnet. Mit diesen Arbeiten war Abramović schnell eine wichtige Konstante in der experimentellen Avantgarde-Szene in Belgrad.
Amsterdam und Zusammenarbeit mit Ulay (1975–1988)
1975 übersiedelte sie nach Amsterdam, wo Abramović in den kommenden zwölf Jahren eine enge Partnerschaft und Zusammenarbeit mit dem deutschen Fotografen und Performer Ulay einging. Von 1976 bis 1988 traten Abramović und der deutsche Künstler Ulay (Frank Uwe Laysiepen, * 1943) zusammen auf und beschäftigten sich mit Beziehungen der Dualität. Zu den bekanntesten Werken gehören „Rest Energy“ (1980, Video), bei dem Ulay einen gespannten Bogen mit dem Pfeil direkt gegen die Brust von Marina Abramovićs Herz richtete. In „Nightsea Crossing“ (1981–1987, Bilder) saßen sich Abramović und Ulay in 22 Performances emotionslos einander gegenüber – in völliger Stille am Ende eines rechteckigen Tisches. Mit ihrer bekannten Arbeit „The Lovers“ (1989) trennte sich das Künstler-Paar: Sie führten einen rituellen Gang von den beiden Enden der Chinesischen Mauer aufeinander zu – und dann gingen sie voneinander wieder weg. Abramović kehrte 1989 zu Soloauftritten zurück.
Solo-Performances seit 1995
Zwischen 1995 und 2005 beschritt Marina Abramović einen neuen Weg in ihren Solo-Performances. Themen sind nun ihr alleiniges Arbeiten, ihre Auseinandersetzung mit ihren kulturellen, ideologischen und spirituellen Wurzeln am Balkan. Dazu kommen noch ihr Familienhintergrund und ihr Schamgefühl in Bezug auf die Gräueltaten in ihrer Heimat in den 1990ern.
Mit der Installation und Performance „Balkan Baroque“ (1997), die Marina Abramović in der kuratierten Ausstellung präsentierte, gewann sie den Goldenen Löwen als beste Künstlerin auf der Biennale von Venedig. Zuvor war ihr Konzept vom Nationenpavillon aufgrund seines schweirigen Themas abgelehnt worden. Das Werk besteht aus einer Drei-Kanal-Projektion mit lebensgroßen Bildern von Abramovićs Mutter, ihrem und sich selbst; dazu 3.000 Kilo Kuhknochen und Kupfergefäße mit schwarzem Wasser. In Venedig schabte die weiß gekleidete Marina Abramović saß auf einem vier Tage lang, sechs Stunden am Tag restliches Fleisch von den Knochen, um Schmerz und Leiden im Bosnien-Krieg zu evozieren.
New York (ab 2001)
Seit 2001 lebt Marina Abramović in New York. In „The House with the Ocean View” (2002, 3-Kanal-Video und Sound-Piece) lebte die Künstlerin zwölf Tage in einer kreuzförmigen Raumanordnung der Sean Kelly Gallery in New York. Mit „Seven Easy Pieces“ (2005, Solomon R. Guggenheim Museum, New York) präsentierte sich Abramović als Forscherin in der Geschichte der Performance-Kunst. An jedem Abend der sieben Tage führte sie ein bedeutendes Werk aus den 1960ern und 1970ern auf.
- Vito Acconci, Seed bed, 1972
- Joseph Beuys, wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt, 1965
- VALIE EXPORT, Aktionshose, Genitalpanik, 1969
- Bruce Nauman, Body Pressure, 1974
- Gina Pane, The Conditioning, 1973
- Marina Abramović, Lips of Thomas, 1975 (Wiederholung)
- Marina Abramović, Entering the Other Side, 2005 (neue Arbeit)
Das Projekt stand unter der Prämisse, dass für die meisten Performances nur wenig Dokumentation vorhanden sind. Gleichzeitig lenkt sie die Aufmerksamkeit auf die Schwierigkeit eine Kunstform zu erhalten bzw. zu konservieren, die per se ephemer ist.