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Rudolf Stingel in der Secession

Rudolf Stingel, Untitled (After Sam) © Einblick in die Wiener Secession 2012, Foto: Jorit Aust.

Rudolf Stingel, Untitled (After Sam) © Einblick in die Wiener Secession 2012, Foto: Jorit Aust.

Der Hauptausstellungsraum der Wiener Secession wird derzeit von einer Installation von Rudolf Stingel in seiner Symmetrie, seinem strahlenden Weiß und seiner architektonischen Offenheit markant betont (* 1956 in Meran). Der in New York und Meran arbeitende Künstler hängt ein gemaltes Selbstporträt gigantischen Ausmaßes in die Hauptachse des Raumes. Die beiden „Seitenschiffe“ werden von schwarzen Paneelen mit Barock-Muster eingenommen. Durch die drei Objekte erhält der Raum eine weihevolle Stimmung, zumal das Selbstporträt in Schwarz, Weiß und Grau gehalten, den Künstler auf einem Bett liegend, mit offenen Augen wie tot erscheinen lässt. Damit schließt Stingel an das Urteil eines ersten Besuchers der Secession an, dass nämlich der „Weihetempel der Kunst“ doch stärker an das „Grabmal eines Mahdi“ erinnere. Die Wahrnehmung der Gesellschaft der vorletzten Jahrhundertwende wird auf diese Weise Rechnung getragen und die Vorstellung des „White Cube“ als scheinbar neutralen Ausstellungsort ironisch unterlaufen.

Wenn man sich den Arbeiten Stingels im Raum langsam nähert, stellt sich ein weiterer interessanter „Effekt“ ein: Das gemalte Selbstporträt aus dem Jahr 2006 wirkt aus der Entfernung betrachtet fotorealistisch umgesetzt und beginnt ab einem gewissen Zeitpunkt in Striche und Punkte zu „zerfallen“. Damit schließt Stingel an den Diskurs der Malerei ob ihrer Mittel an, indem er den impressionistischen Farbauftrag mit dem Fotorealismus kombiniert, denn das Bild wurde nach einer Aufnahme von Sam Samore gearbeitet. Den gegenteiligen Eindruck hat man bei den „geschnitzten“ Musterpaneelen aus schwarz bemaltem Gips, die von einer Tapete des 17. Jahrhunderts inspiriert sind. Der Rapport der Tapete wurde von einem Holzschnitzer dreidimensional interpretiert, die Spuren der Holzbearbeitung sind auch noch in den Gipsabgüssen spürbar. Während das Porträt aus großer Nähe seine Dreidimensionalität vollkommen verliert, gewinnen die Paneele diese zunehmend zurück. Anfangs wirken sie wie schwarze Flächen, aus der Nähe bestechen sie durch ein spannendes Oberflächenrelief.

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Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.