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Thea Djordjadze – Yto Barrada in der Wiener Secession

Thea Djordjoadze, Ausstellungskatalog Secession 2016

Thea Djordjoadze, Ausstellungskatalog Secession 2016

Thea Djordjadze: To be in an upright position on the feet (studio visit)

Die raumgreifende Installation im Hauptausstellungsraum der Wiener Secession spürt dem Atelier der Künstlerin Thea Djordjadze (* 1971 Tiflis/Georgien) nach. Die in Berlin ansässige Objekt- und Installationskünstlerin entschied sich, sich für mehr als zwei Monate vom gesamten Innenleben ihres Ateliers zu trennen und es samt und sonders in Wien auszustellen. Zwischen Kunst und Alltag, so zeigt sich beim raschen Durchschreiten der Personale schnell, gibt es keine Trennung. Alles kann Kunst werden, alles ist Teil des Alltäglichen.

Zu den minimalistischen – und durchaus metaphorisch hintergründigen – Eingriffen Djordjadzes zählt die Entfernung der hinteren Tür. Also eigentlich der Austausch der Tür durch eine Plexiglasscheibe und die Entfernung des dahinter sich befindlichen, weißen Gitters. So führt der Blick in der Achse des Hauptausstellungsraums gleichsam direkt in das parkartige Grün hinter dem Secessionsgebäudes. Dass genau in dieser Achse ein bereits ausgestelltes Kunstwerk Djordjadzes steht, leicht aus der Achse nach rechts verschoben, wird mehr durch die Spiegelungen, die es produziert, deutlich als durch seine Körperlichkeit.

Welchen Status nimmt ein selbst gezimmertes Sofa von Djordjadze ein? Ändert sich nur die Rolle oder auch die Betrachtung? Djordjadzes Objekte verdrängen den möglichen Unterschied zwischen Möbel und Kunstwerk, hinterfragen ästhetische Qualitäten wie Funktionalität, schreiben sich aber m. E. wie Alltagsgegenstände in Räume ein. In der Secession geht Thea Djordjadze mit allen persönlichen Konsequenzen noch einen Schritt weiter, sehen sich die Besucherinnen und Besucher doch ständig der Frage ausgesetzt, wo die mögliche Grenze zwischen einem Kunstwerk und einem Einrichtungsgegenstand verlaufen könnte. Reihen von Metallregalen, Holztischen, Pflanzen, Plexiglasscheiben, nach Materialien geordnet, hängen an den Wänden bzw. stehen am Boden. Dazwischen ein Objekt, das plötzlich zu einem Aufbewahrungsort für Holz umfunktioniert ist. Erst ein Blick in Ausstellungskataloge und auf Ausstellungsansichten lässt erahnen, welches Objekt in der Vergangenheit den Status des Kunstwerks hatte: Die beiden hängenden Holzkonstruktionen, die an Schuhkästen erinnern, präsentierte sie in „MA SA I A LY E A SE – DE“ (South London Gallery, 2015). die blau bemalte Plexiglas-Scheibe könnte die aus der „Space Under“-Schau im MoMA PS1 (2016) sein. Die Glaslampen erinnern an Djordjadzes Installatione auf der 56. Biennale von Venedig mit dem Titel „That is the last item on this list: a glass of anger“ (2015). Ein Metall-Objekt, das an eine Ausstellungsvitrine erinnert, und ein weiteres, das seine Form entfernt von einem Fußballtor entliehen haben könnte, könnten Geschwister der Objekte sein, die Djordjadze 2014/15 im Bostoner MIT List Visual Arts Center gezeigt hat.

Dazu kommt noch der voyeuristische Blick, das in diesem Fall erlaubte Schauen durch das Schlüsselloch, das Betreten des „heiligen Bodens“. Über Ateliers als gleichsam magische Orte, als Rückzugsmöglichkeit wie Kreativitätspool ist schon viel nachgedacht und geschrieben worden. So manches Atelier sprüht auch noch nach dem Ableben seines Besitzers (siehe v. a. Lucien Freud) oder Besitzerin noch dessen Persönlichkeit aus. Doch wie verhält es sich mit der kontrollierten Präsentation von Thea Djordjadze? Die Künstlerin verwandelt Lattenkonstruktionen in Gebilde, die an Wohnzimmertische erinnern und stellt ihre Werkzeuge und Materialien darunter. Ausgestellt und dennoch dem direkten Zugriff entzogen, wirken die handelsüblichen Kleber, Lacke etc. auratisiert und musealisiert. Und dennoch kann man dieser Aneinanderreihung von Dingen kaum entnehmen, warum Thea Djordjadzes Objekte im Raum wirken. Ein „Geheimnis“ des Ausstellungsmachens wird gelüftet, wenn man das Modell des Ausstellungsraumes der Secession auf einem Servierwagen entdeckt. Es wirkt eher wie ein Modell der Künstlerin als wirkliche Arbeitsgrundlage, hat sie doch die Installation vor Ort erst in ihre Form gebracht. Der Parcours, der sich jetzt in einer strukturierten Form darbietet, ist gleichsam spontan und höchst individuell aus einem Haufen von Material entstanden. Auswahl, Ordnung, Systematisierung, Recyclen, Weiterarbeiten an Ideen, der Umgang mit alten Arbeiten, Entscheidungen zu den Präsentationsweisen werden so als Methoden und Fragestellungen künstlerischen Arbeitens offengelegt.

Thea Djordjadze, geboren 1971 in Tiflis (Georgien), lebt und arbeitet in Berlin.

Die Bilder 1-28 wurden aus bildrechtlichen Gründen entfernt: Thea Djordjadze, To be in an upright position on the feet (studio visit), Ausstellungsansicht Wiener Secession, Fotos: Alexandra Matzner.

Yto Barrada: The Sample Book

Yto Barrada – in Paris geboren, mit marokkanischen Wurzeln, derzeit wohnhaft in New York City – stellt in der Kreuzgalerie der Wiener Secession ihre neueste Filmarbeit „Faux départ“ (2015) samt Objekten vor. In „The Sample Book“ versammelt sie Inspirationsquellen, textile Experimente, Werkstränge zu einer atmosphärischen Schau über ihr Sehnsuchtsland Marokko und dessen ökonomischer Entwicklung – ohne auf die Farbenpracht der marokkanischen Kultur zu vergessen. Ohne mit dem Zeigefinger auf Missstände hinzuweisen, gelingt es Yto Barrada „durch die Hintertür und stets mit Empathie, feinem Sinn für Nuancen und Humor“, so die Kuratorin Bettina Spoerr, auf verschiedenste Ökonomien zu verweisen.

Ausgangspunkt für den Film „Faux départ“ (2015) ist der mühsame Fossilienabbau und der blühende Handel mit den schlussendlich hochglanzpolierten und mitunter auch gefälschten Stücken. Mit der Handkamera gefilmt, ohne Stimme aus dem Off, ohne Erklärung. Dieser Spur folgen textile Arbeiten, in denen Gesteinsschichten nachgezeichnet werden oder Farbdrucke mit dem Stammbaum der Dinosaurier. Begleitet wird die Forschungsreise durch die vormenschliche Erdgeschichte von bunt eingefärbtem Türkischen Honig, Farbmuster, selbst gewebten Farbexperimenten, Fotogrammen, Packpapier aus Marokko als Tapeten an der Wand, ihre eigenen Musterbücher, die auch titelgebend wurden.

Yto Barrada, geboren 1971 in Paris, lebt und arbeitet zurzeit in New York City.

Bilder 1–23: Yto Barrada: The Sample Book, Ausstellungsansicht Wiener Secession, Fotos: Alexandra Matzner.

Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.