Hans Memling Brügge: Gemälde, Altäre und Porträts
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Hans Memling Brügger Maler in der Nachfolge von van der Weyden

Hans Memling, Thronende Madonna mit Kind und die hll. Katharina und Barbara sowie zwei musizierende Engel, Detail, frühe 1480er Jahre, Öl auf Holz, 68.3 x 73.3 cm (Metropolitan Museum, New York)

Hans Memling, Thronende Madonna mit Kind und die hll. Katharina und Barbara sowie zwei musizierende Engel, Detail, frühe 1480er Jahre, Öl auf Holz, 68.3 x 73.3 cm (Metropolitan Museum, New York)

Der aus Deutschland stammende Hans Memling (um 1440–1494) ist ab 1465 nachweislich in Brügge wohnhaft, wo er bald zu den anerkanntesten Malern der Stadt zählte. Memling malte Altarbilder und Porträts für die Bürger, die Gilden und die Klöster der Stadt. Das Johannesspital (Sint-Janshospitaals), wo bis heute sein berühmter Ursula-Schrein aufbewahrt wird, war sein wichtigster Auftraggeber.

Die Frage, wo und wie Hans Memling ausgebildet wurde, kann nur aufgrund Stilanalysen beantwortet werden. Zwischen 1455 und 1460 muss er Kontakt zur Kölner Malerschule gehabt haben. Dass er die Stadt kannte, belegt auch seine präzise Schilderung im Ursulaschrein. Giorgio Vasari bezeichnet Memling zwar als „Schüler van der Weydens“, was durch Figurengestaltung und Kompositionsaufbau bestätigt wird. Vielleicht war Memling wirklich bis zum Tod Rogier van der Weydens 1464 in dessen Werkstatt tätig.

Das Werk von Hans Memling besteht hauptsächlich aus Altarbildern, jedoch sind auch 25 Porträts (meist Halbfigur) von ihm erhalten. Im Gegensatz zu van der Weyden suchte Memling Ruhe und Ausgewogenheit in die Kompositionen zu bringen. Dies erreichte er durch symmetrische Kompositionen, in denen er die Figuren geometrisch anordnete. Architektur – zentralperspektivisch konstruierte Räume – und Landschaften sind genauso präzise ausgeführt und organisieren die Bühne für die Figuren. Gleichermaßen widmete sich Hans Memling dem genauen Studium von Materialien und Farben, der Brechung des Lichts, Pflanzen und Tieren.

Triptychon des Jan Floreins

1474 erhielt Hans Memling den Auftrag für ein monumentales Hochaltarretabel des Brügger Sint-Janshospitaals (Johannesspital), welches das bedeutendste unter den drei Hospitälern in Brügge war. Es war der erste bedeutende Auftrag, den der Maler von einer gleichsam städtischen Institution erhielt. In den folgenden fünf Jahren arbeitete Memling am „Johannesretabel“. Gleichzeitig schuf er für Jan Floreins, einem Adeligen und seit 1471/72 Mitglied des Spitals, ein kleinformatiges Triptychon. Vermutlich stand der Flügelaltar auf dem Privataltar des Stifters, der sich ebenfalls im Chor der Hospitalskapelle befand. Es zeigt die Anbetung der hl. Drei Könige auf der Mitteltafel, flankiert von der Geburt Christi und der Beschneidung. Im geschlossenen Zustand sind die hll. Johannes der Täufer und Veronika vor einer weiten Landschaft und hinter illusionistischen Steinportalen sitzend zu sehen. In der Mitteltafel zollt Hans Memling Rogier van Weyden seinen Tribut, der im Kölner „Columba-Altar“ eine ähnliche Komposition genutzt hatte. Vielleicht hatte Memling Zugang zu dessen Zeichnungen in der Werkstatt.

Moreel-Triptychon

Das „Moreel-Triptychon“ (nach 1484, Brüssel) gehört zu den größten Werken Hans Memlings. Es entstand nach 1484 (die Datierung bezieht sich auf die Stiftung) und zeigt die hll Christophorus, Ägidius und Maurus auf der Mitteltafel; die beiden Seitentafel zeigen die Stifter, links der Gewürzhändler und Politiker Willem Moreel mit dem hl. Willem von Malevale sowie rechts dessen Ehefrau Barbara van Vlaenderbergh mit der hl. Barbara. Fünf Söhne und elf der insgesamt dreizehn Töchter des Ehepaares sind hinter ihren Eltern aufgereiht. Da einige der Töchter nachträglich über die Landschaft gemalt wurden, ist von einer mehrjährigen Arbeit an dem Triptychon auszugehen. Das Triptychon besticht auch durch die homogene Landschaft im Hintergrund: Hier zeigt sich die Entwicklung der Landschaftsmalerei, bevor mit Joachim Patinier (1475/1480–1524) Landschaft zu einer eigenen Gattung wurde.

Ursulaschrein

Der „Ursulaschrein“ (1489, Johannesspital, Brügge) wurde am 21. Oktober 1489 im Chor der Kirche des Johannesspitals geweiht: Die Reliquien der Heiligen wurden in den neuen Schrein von Hans Memling umgebettet, der alte Schrein aus dem 14. Jahrhundert ist wie durch ein Wunder ebenfalls erhalten geblieben. Das geschnitzte und vergoldete Objekt erinnert in seiner Form an ein gotisches Haus oder eine Kapelle mit Statteldach, Dreiecksgiebeln, Fialen, Kreuzblumen, Krabben, Maßwerksverzierungen und statuenbesetzten Eckpfeilern. Die Längsseiten zeigen jeweils drei Szenen aus dem Leben der Heiligen Ursula aus der „Legenda aurea“ des Jacobus de Voragine, die durch schlanke Arkaden voneinander geschieden werden. Die Königstochter aus der Bretagne stimmte ihrer Verehelichung mit dem englischen Königssohn Aetherius nur unter der Bedingung zu, das dieser sich zum Christentum bekehrte. Die Taufe wurde in Rom durchgeführt. Die Abfolge der Szenen liest sich wie folgt: Hl. Ursula und 11.000 Jungfrauen steigen in Köln aus dem Boot; Matrosen entladen den Kahn und im Hintergrund träumt die Heilige von ihrem Märtyrertod; Anlegen der Flotte in Basel, von wo aus die Pilger zu Fuß über die Alpen wandern müssen; Empfang durch Papst Zyriakus in Rom, Rückkehr nach Basel, Tod der Heiligen, von Aetherius und der 11.000 Jungfrauen durch die Hunnen, welche Köln belagern. Die Schmalseiten des Schreins zeigen die hl. Ursula wie sie schützend ihren Mantel über die 11.000 Jungfrauen ausbreitet, sowie die Madonna mit Kind und zwei Nonnen.

Die Präzision, mit der Hans Memling Handlungen und Orte darstellte, überrascht noch immer. Auf der einen Seite kommen die Schiffe von Norden und ankern am linken Ufer, während sie auf der anderen wieder nach Norden segeln und die Stadt zu ihrer Linken liegt (Dirk de Vos). Mit dieser Naturbeobachtung wurde Hans Memling zum vielbeachteten Maler des späten 15. Jahrhunderts in Flandern, bevor Hieronymus Bosch in `s Hertogenbosch diesen Rang einnahm. Nach seinem Tod 1494 wurde der Maler schnell vergessen und ein Mantel des Schweigens breitete sich über ihn aus. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde Memling durch deutsche Philosophen und Romantiker wiederentdeckt und als „Fra Angelico des Nordens“ gerühmt (vgl. Fra Angelico). Die Brüder Boisserée entdeckten seine Werke im Johannesspital in Brügge.

Biografie von Hans Memling (um 1440–1494)

Um 1440 Hans Memling wurde vielleicht als Sohn von Hamman Momlingen (✝ 1450 oder 1451) und dessen Frau Luca Stirn in Seligenstadt am Main geboren.

1455–1460 Aufgrund von Stilanalysen kann man vermuten, dass Hans Memling Kontakt zur Kölner Malerschule hatte.

1465 Erwähnung Hans Memlings im Bürgerverzeichnis von Brügge (30.1.); allerdings ist er im Malerverzeichnis der Stadt nicht aufgeführt. Da Memling auch kein Verwaltungsamt ausführte, dürfte er sich in einer privilegierten Stellung befunden haben.

1466 Besaß ein großes Haus an der Sankt-Georgs-Straße.

1467 Die Tafel des „Letzten Gerichts“ (Danzig) trägt die fragmentierte Datierung CCCLXVII, was sich aber höchstwahrscheinlich auf eine Stifutng bezieht. Der Flügelaltar dürfte er in diesem Jahr begonnen worden sein.

1472 Eine Inschrift auf der Mauer der „Madonna mit Kind, hl. Antonius Abbas und ein Stifter“ (Ottawa) zeigt die Jahreszahl. In diesem Jahr entstanden auch die beiden Porträts von Willem Moreel und Barbara van Vlaenderberch (Brüssel).

1473/74 Hans Memling trat der Bruderschaft Nostra Signora delle Nevi bei.

1475 oder 1479 Datierung auf einem Kapitell in „Maria hält den leidenden Christus“ (Melbourne)

1478 Eine verlorene Inschrift auf dem Rahmen des Gemäldes „Salvator Mundi“ (Norton Simon Museum, Passadena) trug die Datierung von 1478.

Hochzeit mit Anna de Valkenaere, die ihm drei Kinder schenkte.

1480 Hans Memling gehörte zu den 140 reichsten Einwohnern von Brügge und kaufte ein aus Stein gebautes Haus.

1494 Am 11. August 1494 verstarb Hans Memling und wurde auf dem Friedhof der Ägidienkirche begesetzt.

Hans Memling: Bilder

  • Hans Memling, Tondo mit der Madonna lactans, 1465–1470 (Metropolitan Museum, New York)
  • Hans Memling, Porträts von Tommaso Portinari und Maria Baroncelli, 1470, Öl auf Holz, 44.1 x 33.7 cm (Metropolitan Museum, New York)
  • Hans Memling, Porträt eines Mannes, um 1470 (Privatsammlung)
  • Hans Memling, Triptychon mit dem Jüngsten Gericht, 1467–1471 (Muzeum Narodowe, Danzig) – für den Florentiner Bankier Angelo Tani.
  • Hans Memling, Die Passion Christi, 1470–1471 (Galleria Sabauda, Turin)
  • Hans Memling, Madonna mit Kind, um 1467–1472 (National Gallery, London)
  • Hans Memling, Bildnis eines Mannes, um 1470–1472 (Frick Collection, New York)
  • Hans Memling, Triptychon mit der Anbetung des Kindes, um 1470–1472 (Prado, Madrid)
  • Hans Memling, Bildnis eines älteren Ehepaares, um 1470–1472 (Alter Mann, Staatliche Museen, Berlin; Alte Frau, Louvre, Paris)
  • Hans Memling, Madonna mit Kind, hl. Antonius Abbas und Stifter, 1472 (National Gallery of Canada, Ottawa)
  • Hans Memling, Bildnis von Willem Moreel und Barbara Vlaenderberch, um 1472–1475 (Musées Royaux des Beaux-Arts, Brüssel)
  • Hans Memling, Martyrium des hl. Sebastian, um 1475 (Musées Royaux des Beaux-Arts, Brüssel)
  • Hans Memling, Maria hält den leidenden Christus, 1475 oder 1479 (National Gallery of Victoria, Melbourne)
  • Hans Memling, Beweinung Christi, um 1475–1480 (Galleria Doria Pamphilij, Rom)
  • Hans Memling, Bildnis eines Mannes mit Nelke, um 1475–1480 (Pierpont Morgan Library, New York)
  • Hans Memling, Salvator Mundi, 1478 (Norton Simon Museum, Pasadena)
  • Hans Memling, Porträt eines jungen Mannes, um 1478–1480 (Gallerie delle Uffizi, Florenz)
  • Hans Memling, Porträt eines Mannes mit Pfeil, um 1478–1480 (National Gallery of Art, Washington)
  • Hans Memling, Porträt eines Mannes, um 1478–1480 (Royal Collections, Windsor Castle)
  • Hans Memling, Triptychon der hll. Johannes des Täufers und Johannes Evangelista, um 1474–1479 (Johannesspital, Brügge)
  • Hans Memling, Triptychon des Jan Floreins, 1479, Öl auf Eiche, 46.5 x 57.2 cm (Mitteltafel) (Johannesspital, Brügge)
  • Hans Memling, Madonna mit Kind und Engeln, nach 1479, Öl auf Holz, 57.6 x 46.4 cm (National Gallery of Art, Washington)
  • Hans Memling, Allegorie der Keuschheit, um 1479–1480 (Musée Jacquemart-André, Paris)
  • Hans Memling, Thronende Madonna mit Kind und die hll. Katharina und Barbara sowie zwei musizierende Engel, um 1474–1479 (Johannesspital, Brügge)
  • Hans Memling, Porträt einer Frau, 1480 (Johannesspital, Brügge)
  • Hans Memling, Triptychon des Adriaan Reins, 1480 (Johannesspital, Brügge)
  • Hans Memling, Das Kommen des Triumphes Christi / Die Sieben Freuden Mariä, 1480 (Alte Pinakothek, München)
  • Hans Memling, Triptychon des John Donne, um 1480 (National Gallery, London)
  • Hans Memling, Mann mit Medaille, 1480 oder später (Königliches Museum für Schöne Künste, Antwerpen)
  • Hans Memling, Thronende Madonna mit Kind und die hll. Katharina und Barbara sowie zwei musizierende Engel, frühe 1480er Jahre, Öl auf Holz, 68.3 x 73.3 cm (Metropolitan Museum, New York)
  • Hans Memling, Thronende Madonna mit Kind und die hll. Katharina und Barbara sowie zwei musizierende Engel, Detail, frühe 1480er Jahre, Öl auf Holz, 68.3 x 73.3 cm (Metropolitan Museum, New York)
  • Hans Memling, Diptychon mit den hll. Johannes dem Täufer und Veronika, um 1480–1483 (Alte Pinakothek, München; National Gallery of Art, Washington)
  • Hans Memling, Thronende Madonna mit Kind, dem hl. Georg und einem Stifter, 1480–1485 (National Gallery, London)
  • Hans Memling, Triptychon der thronenden Madonna, um 1480–1488 (Kunsthistorisches Museum, Wien)
  • Hans Memling, Diptychon mit Madonna und Porträt eines Mannes, um 1480–1490 (The Art Institute of Chicago, Chicago)
  • Hans Memling, Triptychon mit den hll. Christopherus, Ägidius und Maurus (Moreel-Triptychon), 1484 datiert, Öl auf Eiche, 141 x 174 cm (Groeningemuseum, Brügge)
  • Hans Memling, Hl. Hieronymus, um 1485–1490 (Kunstmuseum Basel)
  • Hans Memling, Auferstehungstriptychon, um 1485–1490 (Musée du Louvre, Paris)
  • Hans Memling, Diptychon des Marteen van Nieuwenhove, 1487 (Johannesspital, Brügge)
  • Hans Memling, Triptychon des Benedetto Portinari, 1487 (Staatliche Museen, Berlin)
  • Hans Memling, Ursulaschrein, vor 1489, vergoldetes und bemaltes Holz, 87 x 33 x 91 cm (Johannesspital, Brügge)
  • Hans Memling, Verkündigung, 1489 (?) (Metropolitan Museum, New York)
  • Hans Memling, Passionstriptychon, 1491 (Sankt-Annen-Museum, Lübeck)
  • Hans Memling, Porträt von Jacob Obrecht, 1496 (Kimbell Art Museum, Forth Worth)
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.