Jacopo Tintoretto (Jacopo Robusti)

Wer war Jacopo Tintoretto?

Jacopo Tintoretto (Venedig 1518/19–31.5.1594 Venedig) war ein venezianischer Maler der Renaissance.

Kindheit und Ausbildung

Jacopo Tintoretto wurde – je nach Auslegung der historischen Dokumente – 1518 oder 1519 in Venedig geboren.

Über die Ausbildung von Tintoretto ist nichts überliefert, es wurden in der Vergangenheit sowohl Tizian, Bonifazio wie auch Paris Bordone als Lehrer diskutiert. Errungenschaften des in Florenz und der Emilia Romana entwickelten Manierismus waren dem sich (vielleicht auch autodidaktisch) fortbildenden Malers in Form von Werken Pordenones, Andrea Schiavones und Lorenzo Lottos (→ Lorenzo Lotto. Porträts) zugänglich. Über Druckgrafiken erreichten ihn aber auch Neuerungen aus Rom (vor allem Michelangelo Buonarroti), Parma und Nürnberg.

Carlo Ridolfi, der 1642 erstmals über Tintoretto publizierte, berichtet über einen sehr kurzen, jäh beendeten Aufenthalt des blutjungen Tintoretto im Atelier Tizians. Dieser hätte den begabten Schüler hinausgeworfen, nachdem er dessen Zeichnungen gesehen hatte. Ob man das glauben darf oder als Mythos abtun muss, wird in der Forschung (siehe Katalog) stark in Zweifel gezogen. Allerdings ist die sowohl auf persönlicher wie beruflicher Ebene ausgefochtene Antipathie zwischen den beiden Malern verbürgt.

Werke

1539 eröffnete Tintoretto, wie Japop Robusti sich selbst nannte, eine Werkstatt, ab den 1540er Jahren sind datierte Gemälde von seiner Hand bekannt. Die Frühwerke des Venezianers, die zwischen etwa 1537 bis 1555 entstanden, zeigen Tintorettos Weg zu einem der angesehensten und umstrittensten Maler der Lagunenstadt. Es gibt Hinweise, dass Tintoretto auch als Subunternehmer für andere Maler wie Bonifacio oder Tizian gearbeitet haben dürfte. Der später als „Schnellmaler“ bekannt gewordene Künstler hätte sich mühelos den Stilen seiner Kollegen und deren Werkstätten anpassen können, wird in zeitgenössischen Quellen berichtet.

In den 1540er Jahren schuf der rastlose Tintoretto eine Reihe spektakulärer Werke für die Scuole Venedigs: Hochdramatische Bilder mit reichen Bewegungen in vielfigurigen Kompositionen, in die Tiefe fluchtende Perspektiven, weich gemalte Farbflächen. Wahrhaftig die Verbindung von Florentiner Hochrenaissance bzw. Manierismus und venezianischem Kolorit, wie er angeblich selbst als Motto an seine Atelierwand schrieb:

„Il disegno di Michelangelo e’l colorito di Tiziano [die Zeichnung Michelangelos und das Kolorit Tizians]“[noe]Zitiert nach Ausst.-Kat., S. 66.[/note] (Tintoretto schrieb dieses Motto angeblich auf seine Werkstattwand, berichtet Ridolf, 1642)

Tintorettos neuer, die Kritiker herausfordernder Stil kann als Gegenpol zum Spätwerk Tizians (→ Der späte Tizian) verstanden werden. Er ging völlig neue Wege und forderte mit der Radikalität und Neuheit seiner unklassischen, energiegefüllten Kompositionen alle heraus. Ab 1540 zeigt Tintoretto einen neue Maniera, für die er die Proportionen Michelangelos heranzog, die Draperien mit den Körpern in Bewegung versetzte und so Madonna mit Kind und Heilige dramatisch inszenierte. Das Kolorit Tizians und der disegno des Manierismus werden dabei mit einem freien Pinsel erzeugt. Ästhetik und Ausdruck sind wichtiger als die beschreibenden Qualitäten beider Kategorien. Die in diesen Jahren entstehenden Werke, darunter „Christus unter den Schriftgelehrten“ (um 1539, Mailand, OPera del Duomo) und „Die Bekehrung des Saulus“ (1538/39, Washington), zeigen Tintorettos Interesse an energiegeladenen Kompositionen voller Rhythmus, gepaart mit intellektuellen Herausforderungen.

Mitte der 1540er Jahre beruhigte sich Tinroettos Stil zugunsten einer klassischeren Farbgebung. Dafür wandte sich der rastlose Maler der Frage von Raumillusion und Perspektive zu, um effektvolle Kompositionen zu schaffen. Architektonische Settings werden nicht mehr nur wie Kulissen behandelt, sondern sind integraler Bestandteil der Bildwirkungen. Zunehmend organisierte Tintoretto diese mit aus dem Zentrum verschobenen Fluchtpunkten. Zu den ersten Hauptwerken Tintorettos zählt zweifellos das sogenannte „Sklavenwunder“ für die Scuola Grande di San Marco (1547/48, Gallerie dell’Accademia, Venedig). Das Bild aus der Markuslegende hing an der Stirnwand des Kapitelsaals im Versammlungsgebäude der Bruderschaft und nahm erstmals einen entscheidenden Platz ein. 1562 beauftragte ihn Tommaso Rangone mit zwei weiteren Gemälden für die Sculoa Grande di San Marco: „Die Auffindung des Leichnams des hl. Markus“ und „Die Bergung des Leichnams des hl. Markus“ (beide: Brera, Mailand).

Zu den weiteren bedeutenden Ausstattungen Tintorettos zählen seine Gemälde für den Palazzo Ducale und die Sculoa di San Rocco, einer gemeinnützigen Bruderschaft mit Herberge und Spital. Ab 1565 bis zu seinem Lebensende beschäftigte sich Tintoretto mit den großen Leinwänden für drei Säle in der Scuola di San Rocco, darunter die berühmte „Kreuzigung“. Ruhm und Anerkennung seines Spätwerks wurde Tintoretto in den 1580er Jahren zuteil, als er mit Gemälden für den Palazzo Ducale beauftragt wurde: Für die Sala di Gran Consiglio malte er das „Paradies“ (1588). Zu den außergewöhnlichen späten Bildern zählen auch die beiden typologischen Szenen „Mannalese“ und „Das letzte Abendmahl“ aus der Kirche San Giorgio (1592-1594). Zum einen wandte sich Tintoretto schon in den Gemälden für San Rocco dem dramatischen Licht in dunklen Kompositionen zu, hier erweiterte er dieses Konzept um die gläsern wirkenden Lichterscheinungen der Engel, die dem heiligen Geschehen beiwohnen.

Kinder

Jacopo Robusti, gen. Tintoretto, ging eine unehelichen Verbindung mit einer deutschen Frau, deren Name bisher nicht bekannt ist. Ihre gemeinsame Tochter, Marietta Robusti, wurde um 1554/55 geboren - als älteste Tochter des Malers.1 Einer „Genealogia della Casa Tintoretto [Genealogie]“ (1682) der Familie Tintoretto zufolge soll ihr Vater sie als Kind zusammen mit ihrer Mutter auf einem seiner Bilder in der Kirche Madonna dell’Orto verewigt haben. Welches Bild genau gemeint ist, ist nicht bekannt. Marietta soll der ganze Stolz ihres Vaters gewesen sein, der sich persönlich um ihre Ausbildung kümmerte.

Zwischen Ende 1559 und Anfang 1560 heiratete Tintoretto die aus angesehener venezianischer Familie stammende Faustina de‘Vescovi (auch Episcopi). Dieser Verbindung entstammten mindestens acht jüngere Halbgeschwister aus dieser Ehe, darunter Domenico Tintoretto (1560-1635) und Marco Tintoretto (1562-1637), die ebenfalls Maler wurden. Zu dritt arbeiteten sie in der Werkstatt des Vaters mit; Marietta war etwa 20 Jahre in Venedig aktiv.

Nicht nur Marietta hat das Talent ihres Vaters geerbt. Ihre beiden Schwestern Gierolima und Lucrezia, die als Suor Perina und Suor Ottavia ins Kloster Sant’Anna eintraten, hinterließen ein in jahrelanger Arbeit gesticktes, allseits bewundertes Seidenantependium.2 Sie nutzten als Vorlage Jacopos berühmte „Kreuzigung“ (1565) aus der Scuola Grande di San Rocco.3 Seit 1609 wurde es in jeder Karwoche in der Kirche Sant’ Anna ausgestellt und so hoch geschätzt, dass Marco Boschini es 1664 in die Liste der öffentlichen Werke Venedigs aufnahm.4

Tod

Jacopo Tintoretto starb am 31. Mai 1594 in Venedig. Er wurde in der Grablege des Marco Episcopi (des Schwiegervaters von Tintoretto) in Madonna dell’Orto beigesetzt, wo um 1590 auch seine Tochter Marietta Robusti worden war und später ihr Bruder Domenico bestattet wurde.

Beiträge zu Tintoretto

7. September 2021
Tizian, Junge Frau bei der Toilette, Detail, um 1515, Öl/Leinwand, 99 × 76 cm (Musée du Louvre, Département des Peintures, Paris © RMN-Grand Palais (musée du Louvre) / Franck Raux)

Wien | KHM: Tizians Frauenbild „Schönheit – Liebe – Poesie“

Die Ausstellung „Tizians Frauenbild“ konzentriert sich anhand von rund 60 Gemälden aus internationalen Sammlungen auf die Darstellung der Frau im Œuvre Tizians (um 1488–1576) und seiner Zeitgenossen.
5. Dezember 2017
Jacopo Tintoretto Susanna im Bade, Detail, um 1555/1556, ÖlLw, 146 x 193,6 cm (Kunsthistorisches Museum Wien, Inv.-Nr. GG 1530)

Jacopo Tintoretto, Susanna im Bade Sex & Crime mit venezanischem Kolorit

Tintorettos „Susanna im Bade“ des Kunsthistorischen Museums überrascht durch ihre klassische Klarheit in der Formgebung: Bildbeschreibung, Symbolik, Stilanalyse.
5. Oktober 2017
Jacopo Tintoretto, Kreuzigung, Detail, 1565, Öl/Lw, 535 x 224 cm (Sala dell’Albergo, Scuola di San Rocco, Venedig)

Tintoretto in der Scuola Grande di San Rocco, Venedig

Tintoretto erhielt den Auftrag für die Ausstattung der Scula Grande di San Rocco 1564. In Summe malte er, unterstützt durch seine Werkstatt, 50 großformatige Leinwändem die in drei Sälen ind ei Wand eingelassen wurden.
5. Oktober 2017
Jacopo Tintoretto, Selbstporträt, Detail, um 1547, Öl auf Leinwand, 45,1 x 38,1 cm (Philadelphia Museum of Art)

Tintoretto – A star was born Frühe Werke des venezianischen Manieristen im Wallraf-Richartz-Museum, Köln

Jacopo Tintoretto (1518/19–1594) wurde – je nach Auslegung der historischen Dokumente – 1518 oder 1519 in Venedig geboren. Das Wallraf-Richartz-Museum in Köln und das Pariser Musée du Luxembourg feiern bereits 2017/18 den 500. Geburtstags des höchst einfallreichen Manieristen.
5. Oktober 2017
Tintoretto, Die Geißelung Christi, um 1585–1590, Öl auf Leinwand, 118 x 105 cm (Kunsthistorisches Museum, Wien)

Jacopo Tintoretto: Biografie Leben und Werke des venezianischen Manieristen

Jaopo Tintoretto Biografie und wichtigste Werke: Der Sohn eines Färbers [tintore] gehört zu den einflussreichsten Manieristen in Oberitalien. Seine Gemälde bezeugen Tintorettos Willen sich gegen den übermächtigen Tizian, die viebeschäftigte Werkstatt Bassano etc. durchzusetzen. Schlussendlich wurde er mit hochdramatischen Ölgemälden in den Scuole von Venedig berühmt.
6. Februar 2015
Peter Paul Rubens nach Michelangelo, Die Nacht, 1600–1603 und 1610–1620, Schwarze Kreide, Feder in Braun, braune Pinsellavierung, weiße und beige Gouache auf Papier, 36 × 49,5 cm (Fondation Custodia /Collection Frits Lugt, Paris © Fondation Custodia / Collection Frits Lugt, Paris)

Bonn | Bundeskunsthalle: DER GÖTTLICHE. Hommage an Michelangelo Jahrhundertelanger Einfluss seiner Kunst | 2015

Michelangelo Buonarroti (1475–1564) war schon zu Lebzeiten eine Legende und genoss den Status eines artista divino („göttlichen Künstlers“). Die Ausstellung erzählt von seiner immensen Wirkung auf die europäische Kunst von der Renaissance bis heute.
5. Juni 2011
Eingang der Giardini, Biennale 2011; Foto: Alexandra Matzner

Tintoretto und die zeitgenössische Kunst Teil 3 der 54. Biennale von Venedig: ILLUMInazioni | 2011

Für die 54. Biennale wählte Kuratorin Bice Curiger den Titel “ILLUMInazioni” – ein Wortspiel aus “illuminazione” und “nazioni”. Es geht der Schweizerin darum, die Biennale, deren primäre Funktion die „Erhellung“ internationaler Kunstentwicklung sei, also diese Mutter aller Biennalen in Venedig mit ihren Nationenpavillons innerhalb eines weltumspannenden Kunstnetzes zu verstehen.
  1. In der Literatur finden sich die Geburtsjahre 1550, 1552, 1554, 1556 und 1560.
  2. Katrin Dyballa und Sabine Engel, Töchter, Väter, Brüder, in: Hamburg 2023, S. 62–85.
  3. Krischel 1994, S. 128–131; Mazzucco 2009, S. 720–724. Ein Stammbaum der Familie Tintoretto ebd., S. 837.
  4. Boschini 1664, S. 158; Mazzucco 2009, S. 722.