Jean Egger
Wer war Jean Egger?
Jean Egger (auch: Hans Egger, Hüttenberg 14.5.1897–16.10.1934 Klagenfurt) war ein österreichischer Maler und Grafiker des Expressionismus. Charakteristisch für Egger ist eine dynamische, gestische Malweise, mit deren Hilfe Formen oft nur skizzenhaft angedeutet werden. Damit zählt das schmale Werk des früh verstorbenen Jean Egger zu den aufregendsten Zeugnissen der österreichischen Malerei der Ersten Republik.
Kindheit
Hans Egger, der sich ab 1924 Jean Egger nannte, kam am 14. Mai 1897 im Kärntner Ort Hüttenberg zur Welt. 1900 übersiedelte die Lehrerfamilie nach Klagenfurt. Die in der Kindheit verschleppte Erkrankung an Lungentuberkulose führte zum frühen Tod im Alter von 37 Jahren.
Ausbildung
Möglicherweist absolvierte Hans Egger eine Fotografenlehre in Klagenfurt, da auf seinem Landsturmmusterungsschein vom 2. Mai 1916 der Beruf „Fotograf“ angegeben ist. Zumindest bewegte er sich im Künstlerkreis um den Klagenfurter Cafetier, Förderer und Sammler Alfons Schiberth. Herbert Boeckl und andere Künstler ging in dessen Café ein und aus.
Da er untauglich war, musste er jedoch für zwei Jahre als Schreiber beim Landsturm-Bezirkskommando Nr. 4 in Klagenfurt und ab 25. Oktober 1916 als Krankenwärter im k. u. k. Landwehr-Spital arbeiten. Am 2. November 1916 wurde Hans Egger schon wieder suspendiert und dürfte sich an der Münchner Akademie eingeschrieben haben. Am 5. März 1917 wurde Egger vom Krankendienst in das Landsturm-Bezirkskommando zurückversetzt, so dass er nur selten nach München reisen konnte. Der angehende Künstler bewarb sich nicht um eine Aufnahme in das Kriegspressequartier.
Hans Egger studierte zwischen 1918 und 1922 an der Kunstakademie in München unter Heinrich von Zügel und Carl Johann Becker-Gundahl, wobei insbesondere Becker-Gundahl auf ihn einen großen Einfluss ausübte. Zu Eggers Studienkollegen zählten Lunno Strauß, Miko Subic, Josef Walch und etwas später auch Sergius Pauser. Zwischen 1918 und 1920 schuf Egger erste großformatige Bilder; symbolistisch-expressive Berglandschaften.
Nach seinem Abschluss ging er auf Studienreisen nach Italien, Niederlande und Skandinavien, wo er unter anderem das Künstlerpaar Oda und Christian Krohg und Edvard Munch kennenlernte. Für den weiteren Lebensweg des Malers wurde die Bekanntschaft mit dem Schweden Arne Björnson-Langen wichtig. Dessen Großvater war Björnstjerne Björnson, Literaturnobelpreisträger von 1903, sein Vater war Albert Langen, der Gründer des „Simplicissimus“. Vermutlich reiste Hans Egger mit Lange gemeinsam nach Italien und in die Niederlande; 1924 hielt sich Egger auf Sizilien auf. Die mediterrane Sonne löste bei dem Maler die gesteigerte Farbigkeit und die gelöste Pinselschrift aus.
Paris
Im Herbst 1924 kam Egger gemeinsam mit Arne Björnson-Lagen nach Frankreich und änderte seinen Namen in Jean Egger. Im Salon der Mutter seines Freundes, Dagy Björnson-Sautreau, konnte Jean Egger innerhalb kürzester Zeit Bekanntschaft mit prominenten Mitgliedern in der Kunst- und Kulturszene machen: Chaim Soutine, Moise Kisling, Léopold Zborowski, Beatrice Hastings und Paul Clemenceau, der Bruder des französischen Staatspräsidenten, und seine spätere Lebensgefährtin Signe Wallin. Über seine Verbindung zu Paul Clemenceau und dessen Frau Sophie Szeps-Clemenceau (Schwester von Berta Zuckerkandl), zum Kriegsminister Paul Painlevé und anderen Prominenten konnte sich Jean Egger als Porträtist etablieren. Jean Egger porträtierte das Ehepaar Clemenceau, Paul Painlevé, General Ferdinand Foch, Wilhelm Habsburg-Lothringen, den Pianisten Carlos Buhler, den österreichischen Botschafter Alfred Grünberger und die berühmte Modistin Madame Agnès. Darüber hinaus malte er auch Landschaften und zeichnete Akte.
In der Galerie Sacre du Printemps lernte er den Kreis um Maurice Utrillo mit Suzanne Valadon, Menkés, Giorgio de Chirico, Othon Friesz und Tsuguharu-Léonard Foujita kennen. Egger rezipierte die Bildtypologie Jules Pascins und stellte ab 1926 in der Societé des Artistes Indépendante im Palais de Bois, am Salon du Franc, am Salon des Tuileries und in Bordeaux am internationalen Salon aus.
Über Vermittlung des austro-amerikanischen Malers Frederick Kann wurden 1929 insgesamt 26 Gemälde (alle heute verschollen) in New York ausgestellt. Im selben Jahr erhielt er die Auszeichnung „Silberne Palme“ und den Titel eines „Officier d’Academie“. Daraufhin reiste Jean Egger in die Bretagne und nach Antwerpen, den Sommer verbrachte er in St. Martin am Silberberg im oberen Görtschitztal.
„Seit Jahren schon gehört der junge Deutsch-Österreicher Jean Egger zu den beachtetsten Malern des ‚Salon des Tuileries‘, der bedeutendsten alljährlichen Pariser Ausstellung. Bald nach dem Kriege ist er, ein Schüler der Münchner Akademie, nach Frankreich gekommen und hat in den deutschfreundlichen Kreisen Paul Clemenceaus und Mme. Sautreaus, der Tochter Björnsons, die Förderung gefunden, die seine Begabung ihm Anspruch verlieh. […] Die Pariser Karriere Jean Eggers gehört zu den schönsten Beweisen für die hohe Bedeutung der Kunst im Rahmen der deutsch-französischen Annäherung.“1 (Neue Pariser Zeitung, 2.3.1929)
Im Jahr 1930 organisierte die Pariser Galerie Sloden im Faubourg Saint-Honoré mit über 20 Ölgemälden Jean Eggers erste Einzelausstellung in Paris. Zusammen mit Signe Wallin, seiner Lebensgefährtin, reiste Jean Egger im Sommer 1930 nach Schweden und malte eine Serie von Landschaftsbildern, die er erfolgreich in der „Pariser Herbstausstellung“ ausstellte. Im Oktober 1931 folgte eine Einzelausstellung in der Galerie Würthle in Wien (17.–31.10.1931), die von Herbert Boeckl kuratiert wurde.2 Eggers nahezu abstrakte Kompositionen stießen allerdings in Wien nicht auf offene Arme, sondern wurden zwar behauptet, dass Jean Eggers spontane, dynamische Strichschrift zwar „melodisch erklinge“, dass damit jedoch nur oberflächliche „Salonfeuerwerke“ abgebrannt würden.3 Auch wenn der Einfluss Eggers auf die österreichische Künstlerschaft nur gering zu werten ist, so hat doch u.a. Rudolf Szyszkowitz seine Lehren aus der Ausstellung gezogen.
Werke
Charakteristisch für die reifen Werke Jean Eggers ist die äußerst bewegte, expressive Pinselschrift. Das Werk ist vielfach verschollen und nur teilweise bekannt. Dennoch lässt sich urteilen, dass sich der Kärntner Maler mit der internationalen Avantgarde in Paris intensiv auseinandergesetzt hat. Dass diese Generation von Malern die Farbe von ihrer beschreibenden Qualität befreite, geht auf das Werk von Vincent van Gogh zurück.
Die pastos aufgetragene Farbigkeit und der gestische Pinselduktus erinnern sowohl an südfranzösische Landschaften von Chaim Soutine aber auch an die letzten Gemälde des bereits 1908 verstorbenen Wieners Richard Gerstl oder das expressive Werk von Lovis Corinth. Zur Jahrhundertwende waren die hier weitergeführten energiegeladenen Pinselschläge unter dem Begriff „das Malerische“ debattiert worden (→ München | Lenbachhaus: Das Malerische).
Vor allem die Landschaften von Jean Egger aus der zweiten Hälfte der 1920er Jahre grenzen nahezu an die Abstraktion. Der Rhythmus des Farbauftrags und die leuchtenden Farben sind wichtiger als die Wiedergabe des Gesehenen. Deshalb konnte Jean Egger Linienführung und Strichart unabhängig von den dargestellten Objekten und Subjekten entwickeln. Der extrem gestische Pinselstrich nivelliert verschiedene Teile des Bildes wie Himmel und Terrain. Die so entstandenen Pinselschwünge spüren mit ihrer Gestik, ihrer Spontaneität, ihrem scheinbar unkontrollierten, schnellen Wegen den Emotionen des Künstlers während des Schaffensprozesses nach.
Mallorca
1932 kaufte sich Jean Egger ein Haus in Pollença auf der spanischen Insel Mallorca, das heute noch als das „Can Haus“ bekannt ist. Seine Gemälde stießen auf großes Interesse der lokalen Gesellschaft. Auch Joan Miró, der ebenfalls auf Mallorca lebte, soll Jean Egger mehrmals besucht haben.
Tod
Zwei Jahre später hatte sich der Gesundheitszustand Eggers aber derart verschlechtert, dass er nach Österreich zurückkehrte. Nur wenige Stunden nach seiner Ankunft in Klagenfurt am 16. Oktober 1934 starb Jean Egger in seinem Elternhaus an den Folgen einer tuberkulösem Meningitis (Lungentuberkulose). Jean Egger wurde nur 37 Jahre alt und in seinem Heimatort bestattet.
Das offizielle Österreich konnte auch nach dem Tod Jean Eggers mit seiner Kunst nur wenig anfangen. Als 1937 die „Exposition d’Art Autrichiene“ im Pariser Jeu de Paume ausgerichtet wurde, fand sich nur ein kleinformatiger Frauenkopf Eggers in der Schau. Der Vater des drei Jahre zuvor verstorbenen Malers und seine Freundin Lotti Jeanneret, die Schwägerin von Le Corbusier, hatten sich für eine Aufnahme Eggers stark gemacht.
- Zit. n. Christian Huemer, Am Ursprung der Moderne. Kärntner Maler in Paris, in: Moderne Malerei in Kärnten 1900–1955, hg. v. Agnes Husslein-Arco, Matthias Boeckl (Ausst.-Kat. Museum moderner Kunst Kärnten, Stadtgalerie Klagenfurt, Werner-Berg-Galerie, Bleiburg; Museum des Nötscher Kreises, Nötsch, 16.5.–17.10.2004), Wien 2004, 141–153, hier S. 150.
- Dass im gleichen Jahr die Galerie Kallir-Nirenstein die erste Retrospektive mit Werken des 1908 verstorbenen Richard Gerstl organisierte, darf als Versuch die gestische, pastoe Malerei in der österreichischen Tradition zu etablieren, gewertet werden.
- Siehe: Arthur Roessler, Bilder von Hans Egger, in: Wiener Neueste Nachrichten (4.11.1931), Zit. n. Matthias Boeckl, Jean Egger 1897–1934, Götzens 2000; erneut: Matthias Boeckl, Krise der Moderne. Kärntner Maler in Ständestaat und NS-Zeit (1933–1945), in: Moderne Malerei in Kärnten 1900–1955, S. 155–172, hier S. 158.