Robert Delaunay (1885–1941) ist einer der bedeutendsten Wegbereiter der Abstrakten Kunst des frühen 20. Jahrhunderts. Die Ausstellung rückt zwei wichtige Gemälde aus der Sammlung des Kunsthaus Zürich ins Licht, nämlich „Formes circulaires. Soleil, lune“ (1913–1931) sowie das monumentale Bild „Formes circulaires“ (1930).
Schweiz | Zürich: Kunsthaus Zürich
31.8. – 18.11.2018
Nach einem Galeriebesuch bei Daniel-Henri Kahnweiler, wo Robert Delaunay erstmals kubistische Gemälde von Pablo Picasso und Georges Braque sah, wandte er sich dem Kubismus zu. Ab 1910 führten Künstlern wie Robert Delaunay und Fernand Léger den von Picasso, Braque und ihrem Kreis erfundenen Kubismus im städtisch geprägten Montparnasse von mit urbanen Themen und Stadtansichten weiter. Für Robert Delaunay stellt der zwischen 1887 und 1889 erbaute Eiffelturm den Inbegriff der modernen, pulsierenden Großstadt dar. In den ab 1909 entstehenden Fenster-Bildern setzt er der Stahlkonstruktion ein Denkmal, mit dem Fensterausschnitt reflektiert er die Fenster-Theorie der bildenden Kunst. Wenn der Bilderrahmen mit einem Fensterrahmen verglichen wird, ist die Malerei eine „Wiedergabe“ des Gesehenen. Um die Frage, wie man was sieht, sollte sich die Kunst von Robert Delaunay in den folgenden Jahren drehen.
Robert Delaunay näherte sich um 1912 – gemeinsam mit seiner russischstämmigen Ehefrau Sonia – der Abstraktion an. Beide verstanden Farbe als Ausdrucksmittel und lehnten zunehmend die Wiedergabe gesehener Dinge ab. Nachdem Robert Delaunay jahrelang Michel-Eugène Chevreuls Traktat „Über den Simultankontrast der Farben“ (1839) studiert hatte, leitete er von dessen Beobachtungen über das Verhältnis der drei Grundfarben zu den Mischfarben die Theorie des Simultanismus (Orphismus) ab. Den Begriff Orphismus prägte Guillaume Apollinaire 1912 angesichts von Delaunays „Fenêtres“, den sogenannten Fensterbildern. Eigentlich lehnte Delaunay den Begriff Orphismus aufgrund der bei Apollinaire mitschwingenden lyrischen Komponente ab, er sah seine Malerei vielmehr als „Cubisme écartelé (zerteilter Kubismus)“. In diesem Jahr hatte er sich der abstrakten Kunst geöffnet und reine Farben in geometrischen, kreisrunden Bildern angeordnet. In den 1930ern griff er in der Serie „Rythmes“ dieses Konzept wieder auf.
Sonia Delaunay stand ihrem Mann bei dieser Arbeit als Diskurspartnerin zu Seite, den theoretischen Text dazu verfasste jedoch nur er. Basis der gemeinsamen Ästhetik war nicht nur der Einsatz von reinen und leuchtenden Farben in Flächen (farbiges Licht), sondern auch die Überzeugung damit Bewegung illusionieren zu können. Für beide stellte Paris die simultanistische Stadt par excellence dar. Das von Sonia Delaunay entworfene „Simultanistische Kleid“ sollte das Publikum mit der neuen Ästhetik vertraut machen (→ Sonia Delaunay. Malerei, Design und Mode). Mit ihren gewagten Mischungen von Farben und Texturen wurde das Ehepaar zu „Reformern des guten Geschmacks“ und verursachten so manche Sensation. Beide förderten die Abstrakte Kunst in Form des Simultanismus (Orphismus → Abstrakte Kunst). Die Avantgardistin verstand es, ihre ästhetischen Ideale auf Alltagsgegenstände, vor allem Kleidung, zu übertragen, was sie vom Werk ihres Mannes deutlich unterschied.
Da sich sonntags in der Wohnung der Delaunays in der 3 rue des Grands Augustins Künstler und Intellektuelle trafen, wurden ihre vier Wände zu einer ersten Kunstgalerie der Abstraktion. Auch als Kunsttheoretiker etablierte sich Robert Delaunay – und konnte so den Orphismus grenzüberschreitend als Inspirationsquelle erschließen. Am 11. April 1912 besuchte ihn Paul Klee, da dieser dessen Gemälde auf der Ersten Ausstellung des Blauen Reiter stark bewundert hatte. Im Dezember schickte Delaunay seinen Aufsatz „Über das Licht [La Lumière]“ über Franz Marc an Klee, damit dieser den Text für Herwarth Waldens Kunstzeitschrift „Der Sturm“ in Berlin übersetzt. So übte der Pariser enormen Einfluss u.a. auf die Kunst von Paul Klee aus. Bereits am Berliner Herbstsalon im September 1913 stelle Robert Delaunay (21 Gemälde) neben seiner Frau Sonia Delaunay (25 Werke, hauptsächlich bemalte Bucheinbände), Marc Chagall, Max Ernst, Lyonel Feininger, Franz Marc und Paul Klee aus.
Zwischen 1917 und 1921 hielten sich Robert Delaunay und seine Familie in Spanien auf. Auch in Madrid führte das Künstlerehepaar seine Popularisierung der Abstraktion weiter. Vor allem Sonia Delaunay hatte auch wirtschaftliche Erfolge mit dem Entwurf und Vertrieb von avantgardistischen Möbeln, Kleidern und Einrichtungsgegenständen.
1921 kehrten Sonia und Robert Delaunay wieder nach Paris zurück. Der Maler schloss Kontakte zu den Künstlern des Dadaismus und des Surrealismus. Wenig später begann er seine zweite Serie des Eiffelturms, 1924 folgten Delaunays Läuferbilder. Fresken für das Palais de l’Ambassade de France zur Exposition internationale des arts décoratifs in Paris (1925) führten seine Überzeugungen auch in das Großformat über.
Mit „Rythmes“ schloss Robert Delaunay erst in den frühen 1930er Jahren wieder an seine frühen abstrakten Gemälde an. Er griff in dieser Serie die Themen der Scheibe von 1913 und der Kreisform erneut auf. Die 1931 gegründete Künstlergruppe Abstraction-Création wurde neue Heimstätte für das Ehepaar Delaunay.
Die Ausstellung gibt dem Publikum Gelegenheit, das breite Spektrum und den vorausweisenden Charakter von Delaunays Werk zu erleben – indem sie sich mit den zentralen Themen auseinandersetzt, die den Künstler sein Leben lang beschäftigten: Licht, Farbe und der malerische Ausdruck eines als bewusste Tätigkeit verstandenen Sehprozesses. Die Ausstellung wird auch zeigen, wie der leidenschaftliche Verfechter und Vertreter der abstrakten Kunst zu einer zentralen Figur der Pariser Avantgarde wurde.
Mit ihren rund 80 Gemälden und Arbeiten auf Papier verdeutlicht die Schau Delaunays intensive Beschäftigung mit der Farbmalerei sowie sein Interesse an den physikalischen Gesetzen des Sehens und unterstreicht zugleich, wie entscheidend der Ansporn und Einfluss war, den Paris auf sein Bildvokabular und seine malerischen Experimente ausübte. Fotografien und Filme von Zeitgenossen Delaunays, die sich ebenfalls von der französischen Metropole inspirieren ließen, ergänzen die Ausstellung.